Walther Rathenau Zitate
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Frömmigkeit ist eine freie Verehrung. Sklaven und Feige sind devot und bigott.
„Heidnische Tugenden“ – wie stolz der Gedanke. Und mit Recht: denn sie hießen „Virtus“.
Geduld ist ebenso schmachvoll wie Eile: Beide sind Furcht.
Kraft ist Tugend, Gesetz, Schönheit.
Wenn du Menschen beurteilst, so frage nicht nach den Wirkungen, sondern nach den Ursachen der Fehler, die sie machen.
Was ist ein Ziel? Ein Zustand, von dem man, sobald er erreicht ist, zu neuen Zielen hinwegstrebt – oder eine unerträglich süße, falsche Seligkeit.
Hart, blank, scharf und biegsam, einer edlen Klinge vergleichbar: das ist die Schönheit des Gedankens.
Im Alter waren wir jung. Im Neuen werden wir alt sein.
Wehe denen, die aus der Geschichte nichts lernen.
Die Erfindung des Problems ist wichtiger als die Erfindung der Lösung: in der Frage liegt mehr als in der Antwort.
Wahrheit ist innere Harmonie.
Mittleren Menschen mag man den Mut loben, edlen die Besonnenheit.
Regieren hieß vor hundert Jahren verwalten; das ist: eine meinungslose und bildungslose Menge mit oder gegen ihren Willen befriedigen, schlichten, lenken, erziehen und schützen. Heute heißt regieren: Gesetze durchführen, Ziele schaffen und Geschäfte machen.
In jedem starken menschlichen Gefühl ist sein Gegenteil enthalten. Im Ausbruch der Verzweiflung verkündet sich der Trost, im Jubel lauert die Verzweiflung.
Nicht die Politik ist das Schicksal, sondern die Wirtschaft.
Die Volksmeinung, daß man durch Sparsamkeit an sich reich werden könne, ist irrig.
Danksagung erhebt, Gebet erniedrigt.
Man kann metaphysisch von Raum, Zeit, Materie, Welt ruhig wie von realen Dingen reden; mit demselben Recht, wie ich ein Theaterstück in China spielen lassen kann, ohne chinesisch zu versehen.
Das tiefe Wort ist nicht stark.
Von den beiden Universallastern ist Furcht leichter loszuwerden als Hoffnung.
Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen.
Gerechtigkeit entspringt dem Neide, denn ihr oberster Grundsatz ist: Allen das Gleiche.
So denkt ein Volk, indem die Menschen miteinander reden.
Intuitionen sind Träume, deren man sich erinnert.
Nicht der Mensch stirbt des Todes, sondern das Individuum. Noch heute lebt der Mensch aus der Zeit der Schöpfung: gestorben sind nur Personen.
Man wird es in späteren Zeiten kaum begreifen, daß eine so differenzierte Epoche wie die unsere Menschen mit einer Seele und Menschen ohne eine Seele mit gleichen Augen betrachtet.
Wer lügt, stößt Gott einen Dolch ins Herz.
Das Gedächtnis der Welt ist ewig.
Eleganz ist gemeisterte Verschwendung.
Daß die Grenze meines Ichs die Haut sei – gemeinster aller Gedanken.
Alles Denken hat bisher Resultate ergeben.
Nicht mit dem Finger deuten! Nicht die Gabe ausbreiten! Empfänger sind empfindlich.
Das Alter sänftigt.
Wir sind nicht da um des Besitzes willen, nicht um der Macht willen, auch nicht um des Glückes willen; sondern wir sind da zur Verklärung des Göttlichen aus menschlichem Geiste.
Alle große Kunst der Erde, ja alles große Schaffen war liebevoll, dämonisch und frei.
Wer nicht begreifen kann, daß die Welt nicht anders als zwecklos sein kann, den frage, ob das Allegro einer Symphonie das Adagio zum Zweck habe oder ob das ganze Werk des Schlußakkords wegen da sei.
Unfähige Menschen erkennst du daran, daß sie ihre Nachfolger zu unterdrücken suchen.
Der Mutmensch kennt den Zorn, der Furchtmensch die Wut und den Ärger.
Was innerhalb des Zellenkomplexes „Ich-Gefühl“ ist, ist außerhalb der Liebe.
Schönheit ist Gesetzmäßigkeit. Schönheit erscheint, solange die Gesetzmäßigkeit empfunden wird. Sie schwindet, wenn unsere Sinne die Gesetzmäßigkeit nicht mehr erkennen.
Die Entfesselung aus den Banden des Nationalismus aber wird nicht sowohl durch Kongreß- und Schiedsverträge geschehen als durch wirtschaftliche Verständigung.
Bigotterie ist dreifach gemein: Sie vernichtet die Menschenwürde, indem sie sich zum Lobe Gottes schlecht macht, sie beleidigt Gott, indem sie ihm schmeichelt, sie betrügt die Welt, indem sie aus ihrer Gemeinheit Vorteil erhofft.
Das Größte und Wunderbarste ist das Einfachste.
Die guten Mächte sagen: Ich will schaffen und sein; die bösen sagen: Ich will haben und scheinen.
Lüge und Unaufrichtigkeit kennzeichnen den Furchtsamen; Treue und Aufrichtigkeit sind die Begleiter des Mutes.
Kann der Vernünftige nachgeben?… Wir könnten es, wenn die Lage eine symmetrische wäre.
Der Weltprozeß ist rhythmische Zentralisation und Dezentralisation des Empfindens.
Die Wasser der Weltgeschichte fließen unablässig hinab zum Tale, das da Freiheit heißt. Sie lassen sich durch nichts umkehren, höchstens aufhalten, doch überlange Stauung bricht die Dämme.
Denken heißt vergleichen.
Den Tadel der Menschen nahm ich so lange gerne an, bis ich einmal darauf achtete wen sie lobten.