Walter Benjamin Zitate
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Denn die Kindheit ist der Quellenfinder der Trübsal, und um die Trauer so ruhmreich strahlender Städte zu kennen, muß man in ihnen Kind gewesen sein.
Das kommende Erwachen steht wie das Holzpferd der Griechen im Troja des Traumes.
Armut hat immer das Nachsehen.
Das Werk ist die Totenmaske der Konzeption.
Überzeugen ist unfruchtbar.
Das verzweifelt helle Bewußtsein, inmitten einer entscheidenden Krisis zu stehen, ist in der Menschheit chronisch.
Jede Mitteilung geistiger Inhalte ist Sprache.
Wie der Abschiednehmende leichter geliebt wird! Weil die Flamme für den Sichentfernenden reiner brennt, genährt von dem flüchtigen Streifen Zeug, der vom Schiff oder Fenster des Zuges herüberwinkt. Entfernung dringt wie Farbstoff in den Verschwindenden und durchtränkt ihn mit sanfter Glut.
Der Ernährer aller Menschen ist Gott und der Staat ihr Unterernährer.
Wir hasten vorbei. Aber wir werden an jeder Ecke von neuem stutzen, denn immer hat der südliche Händler den Bettlermantel so um sich geschlagen, daß mit tausend Augen das Schicksal uns daraus ansieht.
Zitate in meiner Arbeit sind wie Räuber am Weg, die bewaffnet hervorbrechen und dem Müßiggänger die Überzeugung abnehmen.
Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.
Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg.
Solange es noch einen Bettler gibt, solange gibt es noch Mythos.
Die Maske des Erwachsenen heißt Erfahrung.
Im Frühling gewahrt man bei hellem Sonnenwetter das junge Laub, im kalten Regen die noch unbelaubten Äste.
Aller Boden mußte einmal von der Vernunft urbar gemacht, vom Gestrüpp des Wahns und des Mythos gereinigt werden.
Die Art und Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert – das Medium, in dem sie erfolgt – ist nicht nur natürlich, sondern auch geschichtlich bedingt.
Jede Zeit erscheint sich ausweglos neuzeitig. Das „Moderne“ aber ist genau in dem Sinne verschieden wie die verschiedenen Aspekte ein und desselben Kaleidoskops.
Wie eine Mutter, die das Neugeborene an ihre Brust legt, ohne es zu wecken, verfährt das Leben lange Zeit mit der noch zarten Erinnerung an die Kindheit.
Glücklich sein heißt, ohne Schrecken seiner selbst inne werden zu können.
Erinnerung und Erwachen sind aufs engste verwandt. Erwachen ist nämlich die dialektische, kopernikanische Wendung des Eingedenkens.
Die Einzigartigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition.
Weltausstellungen sind die Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware.
Wenn es eine Muse des Romans gibt – die zehnte -, so trägt sie die Embleme der Küchenfee. Sie erhebt die Welt aus dem Rohzustande, um ihr Eßbares herzustellen, um ihr ihren Geschmack abzugewinnen.
Der heute wesenhafteste, der merkantile Blick ins Herz der Dinge heißt Reklame. Sie reißt den freien Spielraum der Betrachtung nieder und rückt die Dinge so gefährlich nah uns vor die Stirn, wie aus dem Kinorahmen ein Auto, riesig anwachsend, auf uns zu zittert.
In der Liebe suchen die meisten ewige Heimat. Andere, sehr wenige aber, das ewige Reisen.
In dem Traum, in dem jeder Epoche die ihr folgende in Bildern vor Augen tritt, erscheint die letztere vermählt mit Elementen der Urgeschichte, das heißt einer klassenlosen Gesellschaft.
Die Ideen verhalten sich zu den Dingen wie die Sternbilder zu den Sternen… sie sind weder deren Begriffe noch deren Gesetze.
Brüchig sind auch Spiegel.
Sich in einer Stadt nicht zurechtzufinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.
Der hat noch niemals deine Speise erfahren, nie eine Speise durchgemacht, der immer Maß mit ihr hielt. So lernt man allenfalls den Genuß an ihr, nie aber die Gier nach ihr kennen.
Kinder, wenn sie sich Geschichten ausdenken, sind Regisseure, die sich vom „Sinn“ nicht zensieren lassen.
Der Traum wartet heimlich auf das Erwachen.
Aus den Dingen schwindet die Wärme.
Jede Epoche hat diese Träumen zugewandte Seite, die Kinderseite.
Ein Kritiker ist ein Stratege im Camp der Literatur.
Als Lebensuhr, auf der die Sekunden nur so dahineilen, hängt über den Romanfiguren die Seitenzahl. Welcher Leser hätte nicht schon einmal flüchtig, geängstigt zu ihr aufgeblickt?
Der Städter, dessen politische Überlegenheit über das Land im Laufe des Jahrhunderts vielfach zum Ausdruck kommt, macht den Versuch, das Land in die Stadt einzubringen.
Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen.
Kritik ist eine moralische Sache. Wenn Goethe Hölderlin und Kleist, Beethoven und Jean Paul verkannte, so trifft das nicht sein Kunstverständnis, sondern seine Moral.
Die Jugend aber ist das Dornröschen, das schläft und den Prinzen nicht ahnt, der naht, es zu befreien.
Als ein geschätzter, kultivierter und eleganter Freund mir sein neues Buch übersandte, überraschte ich mich dabei, wie ich, im Begriff es zu öffnen, meine Krawatte zurecht rückte.
Die Kunst ist ein Verbesserungsvorschlag an die Natur, ein Nachmachen, dessen verborgenstes Innere ein Vormachen ist.
Die Moderne hat die Antike wie einen Alb, der im Schlaf über sie gekommen ist.
In den Gebieten, mit denen wir es zu tun haben, gibt es Erkenntnis nur blitzhaft. Der Text ist der langanhaltende Donner.
Die Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle, die Zertrümmerung der Aura, ist die Signatur einer Wahrnehmung, deren „Sinn für das Gleichartige in der Welt“ so gewachsen ist, dass sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt.
Jenes gedachte, innerste Verhältnis der Sprachen ist aber das einer eigentümlichen Konvergenz. Es besteht darin, daß die Sprachen einander nicht fremd, sondern a priori und von allen historischen Beziehungen abgesehen einander in dem verwandt sind, was sie sagen wollen.
Geschichte schreiben heißt, Jahreszahlen ihre Physiognomie geben.
Auf das Urteil eines Rezensenten pfeift ein gesunder Leser.