Sigbert Latzel Zitate
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Zum Wohlstandsmüll gehört auch 80% dessen, was man als gelesen im Kopfe hat.
Von dem Lehm, aus dem Gott Adam gemacht hat, gibt es noch ziemlich viel, weniger von dem Geiste, den er ihm einhauchte.
In jeder Diktatur gibt es Tarnfarbenbekenner.
Manches Schweigen hört sich gut an.
Parkbänke: Altersruhesitze.
Jeder dient einem Herrn. Die meisten sind, wenn sie keinen haben, wenigstens Sklaven ihrer Zeit.
Daß Sokrates Sokrates sein konnte, hängt damit zusammen, daß die Leute auf den Marktplätzen Zeit hatten.
Jeder Krieg hat viele Väter, aber keine Mütter.
Für die meisten Richter ist die Waage wichtiger als das Gewogene.
Auch wenn man alt ist, muß man sich erst dazu entschließen, alt zu sein.
Die erste Stufe der Verwandlung eines Menschen nach seinem Tode erlebt man bei Leichenreden.
Das Altern denkt, der Verfall denkt, die Reifung denkt. Jeder Prozeß, dem der Mensch unterworfen ist, denkt.
Devise jeder Renaissance: Unsere Zukunft liegt in der Vergangenheit.
Es lachte nicht in mir. Wie hätte ich dann lachen können.
Eifersucht und Geifersucht. Zwei Ehekrankheiten.
Der Streit um die moderne Poetik erschöpft sich in der Frage, ob ein Gedicht eine Entdeckung ist oder eine Erfindung.
Nirgends kommt es zu so vielen Frühgeburten wie in der Kunst.
Wir verstopfen uns immer die Ohren mit uns selbst.
Mit dem Gewissen ist es wie mit manchem technischen Gerät, das man kauft. Es genügt zu wissen, daß man es hat. Das erübrigt oft den Gebrauch.
Zur Diätetik der Seele gehört ein regelmäßiger Redestuhlgang.
Die Einfalt gibt es in großer Vielfalt.
Es gibt Gedichte, bei denen man den Eindruck hat, daß die Sprache differenzierter ist als die Wirklichkeit.
Nur der, den die Stille weckt, schläft nicht.
Die Jagd nach Glück bringt viel Unglück.
Humanität ist vor allem Selbstschutz.
Die geborenen Jäger glauben auch an geborene Gejagte.
Illustrierte. Wenn der Metzger das Hundefutter in sie einpackt, stinkt sie nach Fleisch. Sonst auch.
Es gibt Gedankeneinwanderungsquoten, die jeder produktive Geist setzt. Dennoch: wir sind alle überfremdet.
Die Fragesätze sind die Philosophen unter den Sätzen.
Spiegel unserer Lebenswelt im allgemeinen ist der Straßenverkehr. Hier finden wir den technisierten Urwald. Das Auto ist hochmodern, der Fahrer urprimitiv. Ein sehr deprimierender Sachverhalt für optimistische Evolutionisten.
Viele kommen in den Stall, aber nur wenige zur Krippe.
Man wird nicht menschlicher, indem man männlicher oder weiblicher wird.
Haß erzeugt Geist.
Die meisten modernen Leser sehen das Kriterium für einen guten Autor darin, daß er Bücher schreibt, mit denen sie angeben können.
Heiter kann man auch sein, wenn man mit sich selbst allein ist, witzig kaum.
Der Aufschwung der historischen Wissenschaften hängt mit den verfeinerten Methoden der Politik zusammen.
Unsere Sprache hat mehr Etiketten als Waren. Sie ist ein Etikettenerzeuger und erzeugt sich z. T. zu den Etiketten Pseudowaren, mit denen man vor allem in der Wissenschaft gerne handelt.
Wissenschaftsgläubige sind ihrem Benehmen nach oft Neureiche an Erfahrung.
In der Kunst gilt: Gut Ding braucht Langeweile.
Das Verlangen, keinen Spitzbuben kennenzulernen, ist bei vielen Menschen so groß, daß sie um keinen Preis der Welt mit sich selbst Bekanntschaft machen wollen.
Annonce: Partner zwecks Ehe gesucht. Freundschaft später möglich.
Der kürzeste Weg zur Frau ist die Karriere.
Ganz Ohr sind wenige, ganz Mund viele.
Das Alter ist von dem her, was man leiblich hat, immer proletarisch. Nackte Alte sehen arm aus.
Es ist nicht schlimm, daß manche Menschen wie Maschinen denken; schlimmer wäre der umgekehrte Fall.
Wir haben Angst vor dem fürchterlich Großen und dem fürchterlich (Unsichtbar-)Kleinen und unterschätzen das fürchterlich Mittlere.
Schnulzensänger (seelische Ernährungskunde): Sein Schmalz macht dreißig Seelen fett.
Auf Tugendpfaden erreicht man keinen Freudengipfel.
Wer im Knast singt, schweigt später oft lebenslang.
Der Romanautor ist der Marathonläufer unter den Dichtern.