Robert Musil Zitate
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Man kann seiner eigenen Zeit nicht böse sein, ohne selbst Schaden zu nehmen.
Ideologien bellen sich gegenseitig an, aber sie beißen nicht.
Etwas schön finden, heißt ja wahrscheinlich vor allem: es finden.
Unsere Zeit ist eine Zeit der Erfüllung, und Erfüllungen sind immer Enttäuschungen.
An diesem entsetzlichen Gefühl eines blinden, abgeschnittenen Raums hinter allem Ausgefüllten, an dieser Hälfte, die immer noch fehlt, wenn auch alles schon ein Ganzes ist, bemerkt man schließlich das, was man die Seele nennt.
Die eigentliche Schwierigkeit im Dasein eines Großschriftstellers entsteht erst dadurch, daß man im geistigen Leben zwar kaufmännisch handelt, aber aus alter Überlieferung idealistisch spricht. […]
Die Wahrheit ist kein Kristall, den man in die Tasche stecken kann.
Gewöhnlich liebt sich jeder am meisten und kennt sich am wenigsten! Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, hätte dann unter allen Umständen den Inhalt: Liebe ihn, ohne ihn zu kennen und unter allen Umständen.
[D]urch die glanzvolle Ausübung der Tugend wird unwillkürlich auch die menschliche Neigung zu Überhebung und Eitelkeit gefördert, wogegen die unscheinbare alltägliche Ausübung schlechthin aus ungewürzter und reiner Tugend besteht.
Die Kultur: Gras, das immer wieder niedergetreten wird und sich wieder aufrichtet.
Man liebt immer bloß die Stellvertreter der Richtigen. … Wenn ein Mensch zum zweiten Mal liebt, so verwechselt er zwar nicht die Personen, aber das Bild der neuen ist an vielen Stellen nur eine Übermalung von dem der alten.
Es gibt gegen die unberechenbaren Regungen eines leidenschaftlichen Herzens nur ein zuverlässiges Mittel: streng bis zum letzten durchgehaltene Planmäßigkeit.
Sie litten alle unter der Angst, keine Zeit für alles zu haben, und wußten nicht, dass Zeit haben nichts anderes heißt, als keine Zeit für alles zu haben.
Zusammenhänge nehmen dem Erlebnis die persönliche Giftigkeit oder Süße!
Man muß unterscheiden zwischen Genie, Geniewilligen und gewöhnlichen Menschen. Die Geniewilligen, sehr nützlich, sind dennoch oft ärgere Feinde des Genies als die Banausen.
Die Menschen haben keine Ahnung, wie man schon denken kann; wenn man sie neu denken lehren könnte, würden sie auch anders leben.
Die Urteile des täglichen Lebens und seiner Menschenkunde treffen eben wohl meistens zu, gewöhnlich aber auch noch daneben. Sie sind nicht um einer richtigen Lehre willen entstanden, sondern stellen eigentlich bloß geistige Zustimmungs- und Abwehrbewegungen dar.
Glaubt der moderne Mensch an Gott oder an den Chef der Weltfirma?
Die kleinsten Alltagsleistungen setzen viel mehr Energie in die Welt als die seltenen heroischen Taten.
Zur Psychologie des Schafes: der sichtbare, gestaltete Ausdruck hoher Zustände ist dem der Blödheit nicht unähnlich.
In dem Kleinen, was ich recht tue, sehe ich ein Bild von allem Großen, was in der Welt recht getan wird.
Wenn die Dummheit nicht dem Fortschritt, dem Talent, der Hoffnung oder der Verbesserung zum Verwechseln ähnlich sähe, würde niemand dumm sein wollen.
Eigentlich gibt es kein Gut und Bös, sondern nur Glaube oder Zweifel.
Eine Liebesbeziehung kann man zerreden. Zerschweigen kann man sie nicht.
Man kann sozusagen, wenn ein Mensch denkt, nicht den Moment zwischen dem Persönlichen und dem Unpersönlichen erwischen, und darum ist offenbar das Denken eine solche Verlegenheit für die Schriftsteller, dass sie es gerne vermeiden.
Es gibt zwei von Grund aus verschiedene Arten berühmter Leute: solche, die man kennt, und solche, die man kennen soll.
Jeder Fortschritt ist ein Gewinn im Einzelnen und eine Trennung im Ganzen; es ist das ein Zuwachs an Macht, der in einen fortschreitenden Zuwachs an Ohnmacht mündet, und man kann nicht davon lassen.
Wissenschaft ist: tun als ob man ewig an den Fundamenten baute.
Alles, was wir denken, ist entweder Zuneigung oder Abneigung.
Ich bin von sehr vielseitiger Unwissenheit.
Eine Persönlichkeit ist der Ausgangspunkt und Fluchtpunkt alles dessen, was gesagt wird, und dessen, wie es gesagt wird.
Aber ich glaube vielleicht, daß die Menschen in einiger Zeit einesteils sehr intelligent, andernteils Mystiker sein werden. Vielleicht geschieht es, daß sich unsere Moral bereits heute in diese zwei Bestandteile zerlegt. Ich könnte auch sagen: in Mathematik und Mystik.
Man [die Menschheit] hat Wirklichkeit gewonnen und Traum verloren.
Wenn man von einem Sturm des Gefühls spricht, meint man einen, wo die Rinde des Menschen ächzt und die Äste des Menschen fliegen, als sollten sie abbrechen.
Namentlich ein gewisser unterer Mittelstand des Geistes und der Seele ist dem Überhebungsbedürfnis gegenüber völlig schamlos, sobald er im Schutz der Partei, Nation, Sekte oder Kunstrichtung auftritt und Wir statt ich sagen darf.
Nicht wen man liebt, daß man liebt ist die Hauptsache.
Es gibt Wahrheiten, aber keine Wahrheit. Ich kann ganz gut zwei völlig entgegengesetzte Dinge behaupten und in beiden Fällen recht haben.
Deutschland ist nicht an seinen unmoralischen, sondern an seinen moralischen Bürgern zugrunde gegangen. Die Moral wurde nicht unterminiert, sondern sie hat sich als hohl erwiesen.
Oft schon sah ein Professor aus wie ein Trottel.
Es gibt nichts, was dem Geist so gefährlich wäre wie seine Verbindung mit großen Dingen. […] Die Gefahr der Verbindung mit großen Dingen hat die sehr unangenehme Eigenschaft, dass die Dinge wechseln, aber die Gefahr immer gleich bleibt.
Es geht nicht anders, lieber Törleß, die Mathematik ist eine ganze Welt für sich, und man muß reichlich lange in ihr gelebt haben, um alles zu fühlen, was in ihr notwendig ist.
General Stumm… dachte…, solange man an Religion glaubte, konnte man einen guten Christen oder frommen Juden hinunterstürzen, von welchem Stockwerk der Hoffnung oder des Wohlergehens man wollte, er fiel immer sozusagen auf die Füße seiner Seele.
Das Neueste von heute ist morgen schon von gestern.
Es ist die Wirklichkeit, welche die Möglichkeiten weckt.
„Blech reden“ ist ein mit Genie erfundenes Wort. Es enthält: das Glänzende, das nicht Gold ist; den durchdringend unangenehmen Klang; das Lebhafte; das Auswalzbare.
Man braucht, um über einen Menschen richtig zu urteilen, oft ein ganzes Leben.
In der Nacht hat der Mensch nur ein Nachthemd an, und darunter kommt gleich der Charakter.
Aphorismus = das kleinste mögliche Ganze.
Das Muster eines geistvollen Journalisten. Da kaum ein deutscher Journalist Geist hat – gescheit sind viele – wird er für einen Dichter oder gar Philosophen gehalten.
Wir gebrauchen unsere Sprache so wie der Tausendfuß seine Füße, über die er nicht einen Augenblick nachdenken darf, wenn ihn nicht auf der Stelle der Schlag rühren soll.