Rainer Maria Rilke Zitate
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Jeder erlebt schließlich nur einen Konflikt im Leben, der sich nur immer anders vermummt und anderwo heraustritt.
Aber der Weg zu dir [Gott] ist furchtbar weit und, weil ihn lange keiner ging, verweht.
Wenn arme Leute nachdenken, soll man sie nicht stören.
O Herr, gib jedem seinen eignen Tod. Das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe hatte, Sinn und Not.
Das Leben ist eine Gelegenheit zur Größe, der Tod ein Zwang dazu.
Die Vibration von jeder reinen tiefen Tätigkeit pflanzt sich nach allen Seiten gleichmäßig fort wie die Schwingung einer aus purer Freude geläuteten Glocke.
Im Leben hat alles denselben Wert, und ein Ding ist nicht schlechter als ein Wort oder ein Duft oder ein Traum.
Für die Frau ist das Kind eine Vollendung und Befreiung von aller Fremdheit und Unsicherheit: es ist, auch geistig, das Zeichen der Reife.
Religion ist etwas unendlich Einfaches, Einfältiges. Es ist keine Kenntnis, kein Inhalt des Gefühls […], es ist keine Pflicht und kein Verzicht, es ist keine Einschränkung: sondern in der vollkommenen Weite des Weltalls ist es: eine Richtung des Herzens.
Junge Menschen, die Anfänger in allem sind, können die Liebe noch nicht: sie müssen sie lernen.
Nie erfahren wir unser Leben stärker als in großer Liebe und in tiefer Trauer.
Von Sevilla, offengestanden, hab ich, abgesehen von Sonne, nichts erwartet, und es gibt mir auch weiter nichts; wir haben einander nichts vorzuwerfen.
Das Leben sagt immer zugleich: Ja und Nein. Er, der Tod, ist der eigentliche Ja-Sager. Er sagt nur: Ja.
Meide den Irrtum, daß es Entbehrungen gäbe für den geschehenen Entschluß, diesen: zu sein!
Hier ist das Wunder, das allen immer widerfährt, die wirklich lieben; je mehr sie geben, desto mehr besitzen sie von der kostbaren erhaltenden Liebe, die Blumen und Kindern Stärke verleiht und die allen Menschen helfen könnte, wenn sie sie ohne Zweifel hinnähmen.
Auch dem blonden Kinde kam es in sein Herz, sein waldseereines, wie das dunkle Ahnen eines großen Glückes oder Grames.
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe, ich schwör’s euch!
Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten, gleiten leise doch in uns hinein, aber wir verwandeln alle Zeiten; denn wir sehnen uns zu sein…
Die Kinder sind der Fortschritt selbst – vertraut dem Kinde.
Unsere Welt ist ein Theatervorhang, hinter dem die tiefsten Geheimnisse verborgen liegen.
Eines Tages alt sein und noch lange nicht alles verstehen, nein, aber anfangen, aber lieben, aber ahnen, aber zusammenhängen mit Fernem und Unsagbarem bis in die Sterne hinein!
Ich glaube, daß fast alle unsere Traurigkeiten Momente der Spannung sind, die wir als Lähmung empfinden, weil wir unsere befremdeten Gefühle nicht mehr leben hören.
Man weckt mit einer entschlossenen Arbeit Mächte auf, die selbst an einem zu arbeiten beginnen.
Du irrst, wenn du gerührt zu irgend einem Ding ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um; es ist nicht hier, wir spiegeln es herein aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.
Tanzt die Orange. Wer kann sie vergessen, wie sie, ertrinkend in sich, sich wehrt wider ihr Süßsein. Ihr habt sie besessen. Sie hat sich köstlich zu euch bekehrt. Tanzt die Orange.
Unser Wille ist nur der Wind, der uns drängt und dreht; weil wir selber die Sehnsucht sind, die in Blüten steht.
Im Schoß der silberhellen Schneenacht dort schlummert alles weit und breit, und nur ein ewig wildes Weh wacht in einer Seele Einsamkeit.
Das Leben ist schwerer als die Schwere von allen Dingen.
Auf einmal faßt die Rosenpflückerin Die volle Knospe seines Lebensgliedes, und an dem Schreck des Unterschiedes schwinden die linden Gärten in ihr hin.
Ich glaube nicht, daß das zerstörte Alte schon etwas Neues ist.
Alle Dinge sind dazu da, damit sie uns Bilder werden in irgendeinem Sinne.
Sich der Natur zuwenden, das Ewige dem Vergänglichen, das im tiefsten Gesetzmäßige dem vorübergehend Begründeten vorziehen!
Auch die Kunst ist nur eine Art zu leben. […]
Ist es nicht gerade unser Eigenstes, wovon wir am wenigsten wissen?
Unsere größten Ängste sind die Drachen, die unsere tiefsten Schätze bewahren.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab. […] Ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.
Sie hatte keinerlei Geschichte, ereignislos ging Jahr um Jahr – auf einmal kam’s mit lauter Lichte die Liebe oder was das war. Dann plötzlich sah sie’s bang zerrinnen. Da liegt ein Teich vor ihrem Haus. So wie ein Traum scheint’s zu beginnen, und wie ein Schicksal geht es aus.
Man hat schon viele Bewegungsbegriffe umdenken müssen, man wird auch allmählich erkennen lernen, daß das, was wir Schicksal nennen, aus den Menschen heraustritt, nicht von außen her in sie hinein.
Das Erlösende, das im Handeln liegt, diese unsagbare Befreiung vom Zufall und seinen Gefahren, diese Macht, die aus dem einfachsten Tun kommt.
Ein Mensch und eine häßliche Landschaft: Immer hat der Mensch die Schuld.
Nur eine schmale Wand ist zwischen uns, durch Zufall; denn es könnte sein: ein Rufen deines oder meines Munds – und sie bricht ein ganz ohne Lärm und Laut.
Es gibt keine Klassen im Leben für Anfänger, es ist immer gleich das Schwierigste, was von einem verlangt wird.
Kunst hervorzubringen ist ein schlichtester und härtester Beruf, aber zugleich ein Schicksal, und, als solches, größer als jeder von uns, gewaltiger und bis jetzt unermeßbar.
Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns.
Verwandlung ist nicht Lüge.
Die Zukunft zeigt sich uns, lange bevor sie eintritt.
Selbst der Irrtum erweist sich ja so oft als Stufe einer kleinen Plattform, auf der sich dann fußen läßt.
Wie hoffnungsvoll ist der Einzelne doch immer wieder, wie wirklich, wie gutgewillt, wie reich, – wenn man dann die wirre trübe Menge sieht, begreift mans nicht, daß er sich in ihr so, gleichsam spurlos, verliert.
Aller Zwiespalt und Irrtum kommt davon her, daß die Menschen das Gemeinsame in sich, statt in den Dingen hinter sich, im Licht, in der Landschaft im Beginn und im Tode, suchen.
Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge. Wer viel geben will, muß viel empfangen haben.