Rahel Varnhagen von Ense Zitate
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Ich lebe. Das völligste Leben, mit Bewußtsein.
Wie leicht schließt sich die große Masse an bestimmte Beschlüsse, Verordnungen und Taten. Sie will gar nichts anderes und bedarf nichts anderes. Es frommt ihr nichts anderes.
Alles andere läßt sich bei mir wenigstens gar nicht erzwingen. Am allerwenigsten das Gebet; das Gebet durch Gebet.
Das Äußere des Menschen ist der Text zu allem, was man über ihn sagen kann.
Mittheilen, beweisen läßt sich die Liebe nicht. Jeder liebt allein, wie man allein betet.
Je mehr Einsicht, desto mehr Ein- und Zustimmung wird das Leben uns abgewinnen, wenn es auch noch mehr Arbeit fordert.
Ich war gestern in der größten Harmonie über alle mir bekannte[n] Dinge, und in der vollständigsten Seelenruhe; und fühlte, daß das Glück ist; und fühlte dabei in vollstimmigsten zugleichtönenden Akkorden alles Leben meines Herzens.
Eine Lüge engagiert meistens schon zu der nächsten.
Ich laß es mir nicht ausreden. Glückseligkeit ist in, außer, neben uns, durch uns und ohne uns zu finden.
Die Berliner leben aber frisch drauf los: Und das ist Gewinn, also haben sie Recht.
Was ist am Ende der Mensch anders, als eine Frage? Zum Fragen, nur zum Fragen, zum ehrlichen, kühnen Fragen und zum demütigen Warten auf Antwort, ist er hier.
Wissen ist eine Vorratskammer, ein Vorrat; Wissen ist ein geistiges Haben.
Und am Ende braucht Liebe nur zu lieben. Können muß sie dies; sonst kommt jeder günstige Zufall umsonst.
An sich arbeiten; klar machen, was uns verwirrt und drückt; und wären es die größten Schmerzen, zum größten Bankrott führend, heißt ja gut sein.
Durch Gewalt läßt sich niemand für die Tugend begeistern.
Es ist noch Phantasie im Menschen übrig für idealistische Zustände, und die will Stoff, Nahrung.
Man ist nicht eifersüchtig, wo man liebt, aber da, wo man geliebt sein will.
Vernunft ist der einzig wahre Despot.
Reisen setzt immer eine große Müßigkeit voraus, oder man muß sie dazu voraussetzen.
Das Bedürfnis zum Glücke – ist uns doch der höchste Bürge für dessen Existenz: und so auch mit unserm Schimmerchen von Vernunft.
Es ist ein krankhafter, schwächlicher Geisteszustand, auf Lob, und nicht auf Inhalt des Lobes zu halten.
Immer Gerechtigkeit für andere: Mut für uns selbst. Das sind zwei Tugenden, worin alle andern bestehen.
Ob eine Wahrheit grob ist oder nicht, darüber kann man ihr als solcher nichts anhaben; sie entspricht ihrem Wesen, wenn sie wahr ist; und wo sie hintrifft, das ist der Ort, der sie zur Grobheit oder Höflichkeit macht.
Nun hab‘ ich auch erfunden, was ich am meisten hasse: Pedanterei; sie setzt ganz notwendig Leere voraus: und hält sich deshalb fest an Formen.
Weißt du, warum wir hoffen? Wir können nicht ohne Bild leben. Ohne Hoffen haben wir kein Bild in der Seele; da ist nichts.
Vorgeben aber, wir finden etwas gut, was wir nicht so finden, engagiert uns zu künftiger Lüge: und sie bricht.
Im allerwenigsten läßt sich das Gebet erzwingen, das Gebet durch Gebet.
Genüsse drängen sich auch im schlechtesten Zustand noch an. Die Sonne scheint! Wir leiden, wir klagen.
In der Tiefe ihres Gemütes verbirgt die Menschheit ihre Schätze.
Hoch steht über aller Begeisterung, allem Enthusiasmus, selbst über allem Genie und Talent – die Gesinnung.
Nicht die Menschen hassen ihr Vaterland, welche sehr unglücklich waren, wohl aber die, welche sich allda ungebührlich aufgeführt und Tadel zugezogen haben; und diese sind es auch allein, die nach ihrem Lande zurückzukehren meiden. Die ersteren behalten immer eine erinnerungsvolle Vorliebe dafür.
Freiheit haben, ist nur das, was wir notwendig gebrauchen, um das sein zu können, was wir eigentlich sein sollten; und zu haben, was wir eigentlich haben sollten.
Klarheit im Geiste, reiner und wo möglich starker Wille, ist unsere Aufgabe und unser einziges Glück; zu dem übrigen können wir lachen, beten, weinen.
Liebe ist die größte Überzeugung. Ist diese zu überwinden, so lieben wir nicht mehr.
Man hat sich gar nicht, wenn man sich nicht streng faßt; man hat keinen andern, wenn man ihn nicht mit Liebe faßt.
Jeder Mensch wird von seiner Zeit verschwemmt; von allen, die mit ihm leben. Nur auftauchen kann das bißchen Bessere im Charakter.
Die Art der Verbindung ausgezeichneter Gaben, ihr Gleichmaß und Zusammenstimmung ist unleugbar von höherem Werte, als die einseitige Virtuosität.
Unschuld ist schön; Tugend ist ein Pflaster, eine Narbe, eine Operation.
Frei sein kann gar nichts anders heißen, als seiner innersten Natur sklavisch folgen zu dürfen. Absolute Freiheit, absoluter Wille ist etwas Unmenschliches.
Vergnügen! – wo ist das? Es sitzt in Blumenkelchen und kommt alle Jahr einmal als Geruch heraus.
Wer nicht in der Welt wie in einem Tempel umhergeht, der wird keinen in ihr finden.
Ich verzeihe gerade der Jugend nichts Schlechtes. Das ist gewiß ein faules Produkt, wo selbst die höchste Gärung nur Schlamm erzeugt.
Ich denke, wünschen hilft.
„Die Menschen verstehen einander nicht.“ Sie lieben sich zu ungleichen Stunden; möchte ich noch hinzusetzen.
Kunst erfordert das gesündeste, vollständigste Naturgefühl, ungeschwächte Sinne und ein reges, bewegliches Gemüt.
Ein gebildeter Mensch ist nicht der, den die Natur verschwenderisch behandelt hat; ein gebildeter Mensch ist der, der die Gaben, die er hat, gütig, weise und richtig und auf die höchste Weise gebraucht: der mit festen Augen hinsehen kann, wo es ihm fehlt, und einzusehen vermag, was ihm fehlt.
Nun weiß ich mit einem Male, warum es mich so empört, wenn ein Mensch, was ihm ungesund ist, immer wieder genießt; nicht allein, weil es von der unangenehmsten Wirkung und tierisch ist; sondern weil es nicht einmal tierisch ist; die Tiere wissen, was ihnen heilsam ist, und vermeiden das Gegenteil.
Eifersucht ist Beschämung – Beschämung, die Rechnung ohne den Wirt gemacht zu haben. Unsere Wünsche, unsere Neigungen brachten wir in Anschlag, nicht die des anderen.
Das Herz ist die große Uhr, die auf Wohl und Wehe zeigt.
Was machen Sie? Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen.