Peter Altenberg Zitate
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Aphorismen: Wenn der blitzartig rasche Gedanke richtig ist, bedarf er keiner historischen Entwicklung. Und wenn er unrichtig ist, kann ihn eine langsame, naturgemäße, historische Entwicklung auch nicht verbessern!
Frauen bemühen sich viel länger und viel geschickter als die Männer, es zu verbergen, daß sie ein großer Mist sind. Jedenfalls haben sie ein größeres Interesse an der Sache.
Takt ist, es immer instinktiv zu spüren, was die anderen noch von einem ertragen.
Der Herzog von La Rochefoucauld hat so viele Aphorismen geschrieben, bei denen ich es tief bedaure, daß sie nicht mir eingefallen sind. Aber da seit drei Jahrhunderten dieselben niemandem genützt haben, bin ich doch froh, daß er sich dieser undankbaren Mühe unterzogen hat!
Der Schlaf ist der heilige Versuch der Natur, die Tageswunden zum Verheilen zu bringen. Den Schlaf vorzeitig unterbrechen, heißt heilige Verbände abreißen.
Das Leben ist eine merkwürdige, mysteriöse und eigentlich stupide ewige unentrinnbare Sehnsucht, am Leben zu bleiben, solange als nur irgendmöglich! Wozu, weshalb, niemand weiß es.
Es ist traurig, eine Ausnahme zu sein. Aber noch viel trauriger ist es, keine zu sein.
Wenn jemand sagt: Mir schadet das nicht…, denke ich immer: Aber wie nützte es dir dann erst, wenn du es vermiedest?!?
Mich interessiert an einer Frau meine Beziehung zu ihr – nicht ihre Beziehung zu mir!
„Wohnlich“ ist der Dachs-Bau, der Bienen-Korb, der Ameisen-Haufen, aber nicht die modernen Wohnungen.
Morgens die Sonne erwarten, abends die Nacht. Das ist alles.
Unwissen ist die einzige Tragödie des Daseins. Es gibt keine andere.
Hüte dich vor dem Imposanten! Aus der Länge des Stiels kann man nicht auf die Schönheit der Blüte schließen.
Aus Mangel an Gesprächsstoff begeht man die gemeinsten Taktlosigkeiten und Indiskretionen.
Jeder Mensch will sich ununterbrochen über irgendetwas hinwegtäuschen. Dazu sollen ihm die anderen behilflich sein. Die es nicht tun, sind dann unliebsame Naturen!
Niemand kann das erträumen, was nicht in ihm bereits im Keime eingeschlossen liegt! Man erträumt nur seine eigenen Wirklichkeiten, seine idealen Möglichkeiten!
Aphorismen sollen nicht ausgedachte Wahrheiten sein, sondern momentane Erleuchtungen aus dem Unterbewußtsein.
An seinen Idealen zugrundegehen können, heißt, lebensfähig sein.
Sei, der du bist, nicht mehr, nicht weniger, aber der sei!
So mancher mag in deiner süßen Nähe begeistert sein – mich aber macht erst liebeskrank die Ferne!
Ein Aphorismus ist etwas, was dem Schreibenden einen Essay als Kommentar erspart, den Lesenden jedoch infolgedessen aufs höchste schockiert.
Im Titel liegt das, was man gewollt hat. Und im Inhalt das, was man nicht gekonnt hat.
Wenn jemand im Gespräche sagt: „Ohne Ihnen nahetreten zu wollen, selbstverständlich – tritt er einem direkt mitten in die Seele hinein!
Wenn man einer Frau es ununterbrochen mitteilt, wie wunderbar schön sie sei, ist sie so befriedigt, daß sie gar nicht mehr „befriedigt“ werden will!
Peter, Peter, was erwartest Du denn noch ewig von dieser rückständigen Welt?! Mit-Geher, Mit-Wirkende! Armer, armer dummer Peter.
Verlasse Dich nicht auf die noch so scheinbar liebevolle, aber rücksichtslose Außenwelt, sie hat, sie kann von Deinen Lebens-Mysterien keine Ahnung haben. Verlasse Dich auf Dich selbst!
Dreierlei Menschen haben kein Geld: die Verschwender, die Armen und die Geizigen.
Die große Liebe ist nichts anderes als ein Seiltanz von Amateuren ohne Balancierstange und ohne Netz.
Und ein jeder, ein jeder deckt Irrtümer auf, Zeit seines Wandelns. Aber er zieht es vor, es mit ins Grab zu nehmen. Weshalb? Aus Schadenfreude!
Nur das Herz hat ewig belebende tropische Wärme. Schönheit allein mordet.
Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, mit dem man geschickt lavieren muß.
Die Zukunft ist die Gegenwart des Voraus-Schauers!
Ein Großmaul können die Menschen nicht ausstehen – aber zuhören werden sie immer.
Alles, Alles rächt sich erst nachträglich! Deshalb glauben so Viele, daß sie fein ‚raus sind, obzwar sie zehn Jahre später unfein darin sind!
Einen Menschen zu erziehen, heißt, ihm zu sich selbst zu verhelfen.
Bei geschlossenen Fenstern schlafen und so die Luft, die der Organismus als für seine Zwecke unbrauchbar ausatmet, wieder einatmen müssen, heißt ein idiotischer Selbstbetrüger sein!
Richtige Aphorismen kommen nicht aus dem Gehirne, sondern aus dem Leben.
An der Frau erlebt man nicht nur die Enttäuschungen, die sie uns bereitet, sondern auch jene, die wir ihr bereiten.
Für mich ist es am schönsten im Kaffeehaus. Man ist nicht zu Haus und doch nicht an der frischen Luft.
Die Japaner malen einen Blütenzweig, und es ist der ganze Frühling. Bei uns malen sie den ganzen Frühling, und es ist kaum ein Blütenzweig.
Friedvoller Ort! So seien unsere Seelen, morgens, abends – wenigstens morgens, abends!
Später ist zu spät.
Unser Organismus ist ein Kapital, mit dem man in Weisheit ein Rockefeller-Vermögen machen oder in Dummheit Bankrott machen kann!
Das Wort „Prunk“ darf nie aus der Welt geschafft werden: prunke mit Einfachheit!
Gottbegnadete haben es nicht nötig, die Bourgeoisie nicht zu kränken.
Der Geschlechtsakt ist ein atavistischer, historisch gänzlich unzulänglicher, roher, seelenloser und schwächlicher Vorgang.
Wirklich lernen kann man nur das, was man schon wußte, bevor man es gelernt hat! Man wird nämlich allmählich „aufmerksam gemacht“ im Trubel des Lebens!
Immer wieder auf gewisse Dinge zurückkommen?!? Ja, man kommt immer wieder darauf zurück, daß 2 und 3 5 ergebe.
Die Rohheit des Menschen zeigt sich nicht erst im Krieg, sondern bereits im privaten friedlichen Verkehre!
Zeige, daß dein Schädel als ein geräumiges adeliges Gefäß für ein Welt-Gehirn intendiert war vom Schicksal und daß dein Antlitz durch die Nase nicht zu einem bekümmert zu Boden gerichteten, sondern zu einem geradeaus in das Leben oder sogar ein wenig in die Sterne blickenden werde!