Otto Weiß Zitate
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Über die Freuden des Alters könnte selbst ein Gelehrter keine weitschweifige Abhandlung schreiben.
Arme Menschen gibt’s, die nichts – nichts! – besitzen als ihren Reichtum.
Gewisse Leute fühlen sich überall gedemütigt, wo sie nicht frech sein dürfen.
Unwiderlegliches Argument: Bei uns wird’s immer so gemacht!
Warum uns das Plötzliche oft überrascht?… Weil uns das Allmähliche entging.
„Pietät“: so nennt man oft den Ausdruck jenes Gefühls, das man haben sollte.
Im Streit, da kommt mancher immer wieder auf das zurück – wovon er durchaus nicht sprechen wollte.
Das Glück macht viel mehr Leute hochmütig als glücklich.
Dann und wann verspätet sich jemand – rechtzeitig.
Gott wird oft von vielen als Zeuge angerufen: sie wissen, daß er keine Aussagen macht.
Religiöser Fanatismus schwächt zwar den Geist, verhärtet aber das Herz.
Jemand sagte: Es ist das Aeußerste, was man von den Leuten verlangen kann, daß sie einem wenigstens das Gute gönnen, von dem sie profitieren.
Ist’s nicht sonderbar? Die Menschen schämen sich weit öfter, Gefühle zu zeigen, als Gefühle zu heucheln.
Von den allerbesten Literaturwerken ist die Mehrzahl berühmt, die Minderzahl bekannt.
Gewisse Mißbräuche ärgern den Satiriker so sehr – daß er sich hinsetzt und vergnügt darüber schreibt.
Zur Konversationskunst: Gewisse Redensarten sind so nichtssagend, daß man sie überall anbringen kann.
Das vergessen die Leute oft: Wenn man das Gewünschte zu spät bekommt, ist es nicht mehr das Gewünschte.
In Dingen, die wir nicht kennen, sind wir oft auf das Urteil jener angewiesen – die sie auch nicht kennen.
Glaubt mir: Eine gerechte Sache ist immer am besten bei jenen aufgehoben, die von ihr profitieren.
Wem täte es nicht leid, wenn er andern unabsichtlich schadet? – und gar erst, wenn er ihnen unabsichtlich nützt?
Wie leicht es doch manchem fällt, zu entscheiden, welche von zwei Ansichten die richtige ist – wenn beide falsch sind.
Reaktionäre Moral: Das Volk soll entsagen – zugunsten jener, die Entsagung predigen.
Mehr Männer, als man glaubt, haben ein zartes Schamgefühl: nur schämen sie sich, es vor Frauen zu zeigen.
Es gibt nur wenig eingebildete Kranke, doch viel eingebildete Gesunde.
Aus Furcht vor übler Nachrede unterbleibt manch gute Handlung.
Oft ist bei Konflikten der eine Teil formell im Recht – der andere bloß tatsächlich.
Gegenliebe zu finden – das ist ein Glück, bei dem man viel Pech haben kann!
Wie witzig gewisse Leute sind, merkt man daran: Sie lachen – während sie langweilig sprechen.
Wer kennt die ganze Lebensgeschichte eines Menschen? – Er selbst kennt sie nicht!
Glücklich der, der Zeit hat zu leben!
Bisweilen kommt, nachdem das Schlimmste überstanden ist – noch Schlimmeres.
Viele Familien leben in idyllischer Eintracht – sooft man sie besucht.
Die Vertrauensseligen der Gegenwart – sind die Mißtrauischen der Zukunft.
Gar mancher schlägt sich mit einem Mann herum – und ahnt nicht, daß er sich mit dessen Frau herumschlägt.
Manchen Menschen fällt es schwer aufzuhören, wenn Sie fertig sind.
Für manche Kritiker: Das Licht beleuchte den Gegenstand so, daß man auch diesen sieht – nicht bloß das Licht.
Merkwürdige Selbsterkenntnis: Sobald gewisse Leute jemand als einen der Ihrigen betrachten, behandeln sie ihn geringschätzig.
Die ewige Frage vieler Moralisten: Wie reformiert man die Menschennatur?
Der Sprachgebrauch wechselt. Jetzt sagt man: „Individualität“ – „Übermensch“ – „Renaissance-Natur“. Früher sagte man: „Egoist“ – „Schuft“ – „Bestie“.
In so manchen Staaten sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich; vor dem Gesetz – nicht vor dem Gericht.
Mnemotechnisches: Durch die Mühe, die man sich gibt, gewisse Dinge zu vergessen, prägen sie sich dem Gedächtnis desto besser ein.
Alle Liebesbriefe lügen, entweder sofort oder später.
Ein Seiltänzer: So wie mich bewundert die Welt auch manch anderen, den sie geringschätzt.
Unsere Feinde sollen wir lieben?… O, wären wir erst so weit, daß wir unsere Freunde liebten!
Erfahrungssatz: Junge Freundschaften sind meist verläßlicher als alte.
Im Wesen manches Menschen liegt etwas Schüchternes – das sich erst, wenn man öfter mit ihm verkehrt, in Frechheit verwandelt.
Wie gebeugt geht mancher einher – in gerader, stolzer Haltung!
Dies und jenes fehlt der Frau so lange nicht – bis sie bemerkt, daß eine ihrer Freundinnen es hat.
Wie unglücklich fühlt sich manch lediger Mann! Schon jahrelang sucht er eine Frau nach seinem Sinne; aber – o Schicksalstücke! – ihm bietet sich stets nur eine, die zu ihm paßt.
Wirklich zu arbeiten – ist manchem nur in Mußestunden vergönnt.