Novalis Zitate
seite 9
Wer ein mathematisches* Buch nicht mit Andacht ergreift und es wie Gottes Wort liest, der versteht es nicht.
Raffe all deinen Mut jetzt zusammen. Ich bin jetzt davon überzeugt, daß der Mensch nichts Besseres in der Welt tun kann.
Wenn Gott Mensch werden konnte, kann er auch Stein, Pflanze, Tier und Element werden. Und vielleicht gibt es auf diese Art eine fortwährende Erlösung in der Natur.
Über die Geschlechtslust, die Sehnsucht nach fleischlicher Berührung, das Wohlgefallen an nackenden Menschenleibern. Sollt‘ es ein versteckter Appetit nach Menschenfleisch sein?
Die Sünde ist allerdings das eigentliche Übel in der Welt. Alles Ungemach kommt von ihr her.
Je größer die Liebe, desto weiter und mannigfaltiger diese ähnliche Welt.
Der echte Märchendichter ist ein Seher der Zukunft.
Viele Menschen gaben oder waren mir etwas, ohne daß sie es wußten. Solche, mit denen ich nie ein Wort gewechselt habe, ja auch solche, von denen ich nur erzählen hörte, haben einen bestimmten Einfluß auf mich ausgeübt.
Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter.
Alles Leben ist ein überschwenglicher Erneuerungsprozeß, der nur (von der Seite) den Schein eines Vernichtungsprozesses hat.
Der eigentliche Sinn für die Geschichten der Menschen entwickelt sich erst spät, und mehr unter den stillen Einflüssen der Erinnerung, als unter den gewaltsameren Eindrücken der Gegenwart.
Ein Werk gewinnt ins Unendliche, wenn eine andre Seele daran glaubt.
Je unwissender man von Natur ist, desto mehr Kapazität für das Wissen. Jede neue Erkenntnis macht einen viel tieferen, lebendigeren Eindruck.
Die Welt ist ein Universaltropus des Geistes, ein symbolisches Bild desselben.
Der Poet versteht die Natur besser wie der wissenschaftliche Kopf.
Der Sinnenrausch ist zur Liebe, was der Schlaf zum Leben.
Leben ist ein Feuerprozeß. Je reiner der Geist, desto reiner und feuriger das Leben, die Säuerung oder Animierung.
Die Natur hat Kunstinstinkt – daher ist es Geschwätz, wenn man Natur und Kunst unterscheiden will.
Aber fordert nicht die Vernunft, daß jeder sein eigener Gesetzgeber sei? Nur seinen eigenen Gesetzen soll der Mensch gehorchen.
Jeder Mensch hat seinen individuellen Rhythmus.
Ein Kind ist weit klüger und weiser als ein Erwachsener.
Wenn die Theorie auf die Erfahrung warten sollte, so käme sie nie zustande.
Frauen und Liebe trennt nur der Verstand.
Jeder Staatsbürger ist ein Staatsbeamter.
Die Geschichte erzeugt sich selbst.
Gelehrsamkeit entspricht dem Gedächtnis, Fähigkeit und Geschicklichkeit entsprechen dem Geist.
Menschen zu beschreiben, ist deswegen bis jetzt unmöglich gewesen, weil man nicht gewußt hat, was ein Mensch ist. Wenn man erst wissen wird, was ein Mensch ist, so wird man auch Individuen wahrhaft genetisch beschreiben können.
Alle Bezauberung ist ein künstlich erregter Wahnsinn. Alle Leidenschaft ist eine Bezauberung. Ein reizendes Mädchen ist eine reellere Zauberin, als man glaubt.
Weisheit ist moralische Wissenschaft und Kunst.
Das Genie überhaupt ist poetisch. Wo das Genie gewirkt hat – hat es poetisch gewirkt. Der echt moralische Mensch ist Dichter.
Wie Kopernikus machen’s alle gute Forscher, Ärzte und Beobachter und Denker: sie drehn die Data und die Methode um, um zu sehn, ob’s da nicht besser geht.
Aller innere Sinn ist Sinn für Sinn.
Die Kunst, Bücher zu schreiben, ist noch nicht erfunden. Sie ist aber auf dem Punkt, erfunden zu werden. Fragmente dieser Art sind literarische Sämereien. Es mag freilich manches taube Körnchen darunter sein: indessen, wenn nur einiges aufgeht!
Das Märchen ist gleichsam der Kanon der Poesie. Alles Poetische muß märchenhaft sein.
Der Maler bedient sich nur einer unendlich schwereren Zeichensprache als der Musiker; der Maler malt eigentlich mit dem Auge. Seine Kunst ist die Kunst, regelmäßig und schön zu sehn.
Wir sind auf einer Mißion: zur Bildung der Erde sind wir berufen.
Ich möchte fast sagen, das Chaos muß in jeder Dichtung durch den regelmäßigen Flor der Ordnung schimmern.
Der Künstler steht auf dem Menschen, wie die Statue auf dem Piedestal.
Die verbotene Frucht zu brechen, fühlen wir der Sehnsucht Schmerz.
Es ist nicht das Wissen allein, was uns glücklich macht – es ist die Qualität des Wissens – die subjektive Beschaffenheit des Wissens. Vollkommnes Wissen ist Überzeugung und sie ist es, die uns glücklich macht und befriedigt.
Das Höchste ist das Verständlichste, das Nächste, das Unentbehrlichste.
Was einem Mühe kostet, das hat man lieb.
Wie kann ein Mensch Sinn für etwas haben, wenn er nicht den Keim davon in sich hat? Was ich verstehen soll, muß sich in mir organisch entwickeln; und was ich zu lernen scheine, ist nur Nahrung des Organisamus.
Mensch werden ist eine Kunst.
Die Kindheit ist der Erwachsenheit entgegengesetzt; Blüte und Frucht, Frühling und Herbst.
Recht häßliche Menschen können unendlich schön sein.
Der Prozess der Geschichte ist ein Verbrennen.
Unter guten, seelenvollen Menschen trägt sich die Last des Lebens leicht.
Das Individuum interessiert nur, daher ist alles Klassische nicht individuell.
Nicht nur England, sondern jeder Engländer ist eine Insel.