Nicolas Chamfort Zitate
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Man zerstört seinen eigenen Charakter aus Furcht, die Blicke und Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen, und man stürzt sich in das Nichts der Belanglosigkeit, um der Gefahr zu entgehen, besondere Kennzeichen zu haben.
Man darf keinen Charakter haben und muß sich das Denken abgewöhnen.
Jeder, der lange in der Gesellschaft leben kann, beweist mir nur, daß er nicht besonders feinfühlig ist. Nichts, was dort das Herz erwärmen könnte, nichts, das es nicht verhärtete, und wäre es auch nur der Anblick der Fühllosigkeit, Leere und Eitelkeit, die dort herrschen.
Der Dummkopf beschäftigt sich mit der Vergangenheit, der Narr mit der Zukunft, der Weise aber mit der Gegenwart.
Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden.
Der Wechsel der Moden ist ein Zoll, den die Industrie der Armen den Reichen auferlegt.
Jemand meinte, die Vorsehung sei der Taufname des Zufalls; ein Frommer wird vielleicht sagen, der Zufall sei der Spitzname der Vorsehung.
In der Gesellschaft werden die Männer klein, von den Frauen bleibt fast nichts übrig.
Es ist ein großes Unglück für den Menschen, daß seine Vorzüge ihm oft hinderlich sind, und daß die Kunst, sich ihrer zu bedienen und sie zu lenken, oft nur eine späte Frucht der Erfahrung ist.
Das Schweigen eines Menschen, der bekannt ist dadurch, daß er etwas zu sagen hat, macht mehr Eindruck als das Geschwätz der Redseligen.
Die Großen verkaufen täglich ihre Gesellschaft der Eitelkeit den Kleinen.
Die zarte und wahre Freundschaft läßt sich mit keinem anderen Gefühl verknüpfen.
Man ärgert sich oft über die Gelehrten, welche sich von der Welt zurückziehen; man will, daß sie Interesse an der Gesellschaft nehmen, von der sie doch fast gar keine Vorteile haben; man will sie zwingen, der Ziehung einer Lotterie beizuwohnen, zu der sie kein Los haben.
„In der Welt“, sagt Monsieur X., „haben sie drei Sorten von Freunden. Freunde, die sie lieben, Freunde, die sich nicht um sie kümmern, und Freunde, die sie hassen.“
Wenig Philosophie führt dazu, die Gelehrsamkeit zu verachten; viel Philosophie führt dazu, sie zu schätzen.
M. sagte mir, daß es ausgezeichnete Grundsätze für feste und männliche Charaktere gäbe, welche für Charaktere von einer niedrigen Ordnung nicht gälten. Es sind die Waffen Achilles‘, welche niemandem als ihm paßten und unter den selbst Patrokles erliegen müßte.
Der Ehrgeiz ergreift die kleinen Seelen leichter als die großen, so wie das Feuer leichter Stroh ergreift, leichter die Hütten als die Paläste.
Sollte das Glück sich mit mir einlassen, so muß es die Bedingungen annehmen, die mein Charakter ihm stellt.
Der Sinn vieler öffentlicher Einrichtungen ist offenbar der, den Menschen in jener Mittelmäßigkeit zu erhalten, die ihn geneigt macht, sich regieren zu lassen.
Man beherrscht die Menschen mit dem Kopf. Man kann nicht mit dem Herzen Schach spielen.
Statt die Menschen von gewissen Fehlern, die der Gesellschaft unerträglich sind, zu korrigieren, müßte man die Schwäche derer, die sie dulden, korrigieren.
Es gibt Zeiten, wo die öffentliche Meinung die schlechteste aller Meinungen ist.
Für die wirklich ehrbaren Leute mit Prinzipien stehen die zehn Gebote Gottes kurzgefaßt über dem Eingang des Klosters Thelem geschrieben: Mach was du willst.
Die Maximen bedeuten für die Lebensführung soviel wie die Meisterregeln für die Kunst.
Zwischen Geist und Herz besteht oft dasselbe Verhältnis wie zwischen Schloßbibliothek und Schloßherrn.
Das Glück ist kein leichtes Ding. Nur sehr schwer finden wir es in uns und anderswo gar nicht.
Bei geistreichen Leuten findet man in einem Witz ein ganzes Buch, während man heute oft in einem Buche kaum einen Witz findet.
Eine herrschsüchtige und häßliche Frau, die gefallen will, gleicht dem Bettler, der befehlen wollte, daß man ihm Almosen gibt.
Frauen geben der Freundschaft nur das, was sie von der Liebe leihen.
Man hat gesagt, daß, wenn Molière seine Werke heute geschrieben hätte, die meisten ohne Erfolg geblieben wären. Das ist eine Dummheit. Hätte er denn Sitten gegeißelt, die nicht existieren? Er hätte die unseren gegeißelt!
Der Maler verleiht der Gestalt Seele, der Dichter dem Gefühl und dem Gedanken Gestalt.
Ich hasse die Größe, welche mich das, was ich liebte, fliehen ließ, oder das, was ich geliebt hätte.
Krieg den Palästen, Friede den Hütten.
Als der französische Schriftsteller Bernard Le Bovier de Fontenelle im Sterben lag, fragte man ihn: „Wie geht’s?“ – „Es geht nicht“, antwortete er, „ich gehe.“
Man müßte jeden Morgen eine Kröte schlucken, wenn man sichergehen wollte, bis zum Abend nichts Ekelhafterem zu begegnen.
Man riskiert Ekel, sähe man, wie Politik, Gerechtigkeit und das eigene Abendessen zustande kommen.
Man muß verstehen, die Dummheiten zu begehen, die unser Charakter von uns verlangt.
Nachsichtige Verachtung mit dem Sarkasmus der Heiterkeit zu verbinden: das ist die beste Philosophie für die Welt.
Die schlimmste aller Mesalliancen ist die des Herzens.
Ein Verliebter ist ein Mann, der liebenswerter sein möchte, als er ist. Darum sind alle Verliebten lächerlich.
Werke, die ein Schriftsteller mit Vergnügen schuf, sind meistens die besten, so wie die Kinder der Liebe die schönsten sind.
Freundschaft des Hofes – Treue von Füchsen, Gemeinschaft von Wölfen.
Manche Menschen müssen über alle ihre Angelegenheiten in Illusionen befangen sein. Manchmal freilich nähern sie sich in einem Lichtblick der Wahrheit, von der sie aber rasch wieder abkommen, und so gleichen sie Kindern, die hinter einer Maske her sind und davonlaufen, wenn sie sich umdreht.
Wenn behauptet wird, daß die Menschen, die am wenigsten empfinden, die glücklichsten sind, so erinnere ich mich immer an das indische Sprichwort: Sitzen ist besser als stehen, liegen besser als stehen, aber das beste ist tot sein.
Vorurteil, Eitelkeit, Berechnung beherrschen die Welt, wer nur Vernunft, Wahrheit, Gefühl folgt, hat fast nichts gemein mit der Gesellschaft. Er muß in sich selbst sein ganzes Glück suchen und finden.
Was ich gelernt habe, habe ich vergessen; das wenige, was ich noch weiß, habe ich erraten.
Wie viele Dummköpfe braucht es, bis sie ein Publikum ausmachen?
Heutzutage ist der Theater- und Literaturerfolg eine einzige Lächerlichkeit.
Achtung ist mehr als Beachtung, Ansehen mehr als Ruf. Ehre mehr als Ruhm.
Beinahe alte Menschen sind Sklaven aus dem Grunde, den die Spartaner für die Knechtschaft der Perser fanden: sie können das Wörtchen „Nein“ nicht aussprechen. Bei gewissen leidenschaftlichen Freundschaften hat man zum Glück der Leidenschaft noch die Billigung der Vernunft als Draufgabe.