Nicolas Chamfort Zitate
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Wer tyrannische Absichten, Herrschsucht und selbst Wohltätigkeit unter der Maske der Freundschaft verbirgt, erinnert an den verbrecherischen Priester, der mit der Hostie vergiftet.
Erfolge bringen Erfolge hervor, genau wie Geld das Geld vermehrt.
In den großen Dingen zeigen sich die Menschen, wie es sich für sie schickt, in den kleinen wie sie sind.
Das Elend des Menschen liegt darin, daß er in der Gesellschaft Trost suchen muß gegen die Leiden, die die Natur ihm zufügt, und in der Natur Trost gegen die Leiden der Gesellschaft. Wie viele haben weder hier noch dort eine Erleichterung ihrer Schmerzen gefunden!
Die meisten Menschen leben so unüberlegt, daß sie die Welt, die sie doch immer vor Augen haben, überhaupt nicht kennen. Es geht ihnen wie den Maikäfern, die auch nichts von Naturgeschichte verstehen.
Es gibt niemanden in der Welt, der mehr Feinde hätte als ein aufrechter Mensch, stolz und empfindsam, geneigt, die Leute und die Dinge so zu lassen, wie sie sind, als sie zu nehmen, wie sie nicht sind.
Die Natur hat mir nicht gesagt: Sei nicht arm! Noch weniger: Sei reich! Aber sie ruft mir zu: Sei unabhängig!
Memoiren verraten fast immer die Eitelkeit ihres Verfassers und erinnern an jenen Gläubigen, der eine große Summe Geldes für seine Heiligsprechung hinterlassen hat.
Die Erfahrung, die die Privatleute erleuchtet, verdirbt die Fürsten und die Leute in hohen Stellungen.
Die Liebe gleicht den epidemischen Krankheiten. Je mehr man sie fürchtet, desto eher wird man von ihr befallen.
Allzu hohe Eigenschaften machen oft einen Mann weniger geeignet für die Gesellschaft. Man geht nicht auf den Markt mit Goldbarren, sondern mit Geld und kleiner Münze.
Die Dummheit wäre nicht ganz Dummheit, wenn sie nicht den Geist nicht fürchtete. Das Laster wäre nicht ganz Laster, wenn es nicht die Tugend fürchten würde.
Die Unredlichen und die Dummen kommen in der Welt immer besser fort als die Ehrlichen und Klugen. Es fällt ihnen leichter, mit der von Unredlichkeit und Dummheit beherrschten Gesellschaft Schritt zu halten.
Die Naturforscher sagen, daß bei allen Tierarten die Degeneration bei den Weibchen beginne. Die Philosophen können die Moral aus dieser Beobachtung für die zivilisierte Gesellschaft verwenden.
Frankreich, das Land, wo es oft nützlich ist, seine Laster sehen zu lassen, und immer gefährlich, seine Tugenden zu zeigen.
Mancher wird seiner Talente wegen gefürchtet, seiner Verdienste wegen gehaßt. Erst sein Charakter beruhigt die Menschen. Doch wie viel Zeit ist vergangen, bis ihm Gerechtigkeit widerfuhr.
Die Bösen tun manchmal auch etwas Gutes. Man möchte sagen, daß sie sehen wollen, ob es wahr ist, daß dies eben solches Vergnügen mache, wie die Guten behaupten.
Ein geistreicher Mann ist nur etwas wert, wenn er Charakter hat. Zur Laterne des Diogenes gehört der passende Stock.
Unentschlossenheit, Ängstlichkeit ist für Geist und Seele, was Folter für den Körper.
Es gibt wenige Laster, durch die man sich seine Freunde so verscherzen kann wie durch große Vorzüge.
Ein gewisser Marchand, Advokat und geistreicher Mann, sagte: „Man riskiert den Appetit zu verlieren, wenn man sieht, wie es in der Administration, der Justiz und in der Küche zugeht.“
Das Einzige, das Gott davon abhält, eine zweite Sintflut zu schicken, ist die Tatsache, daß die erste nutzlos war.
Wer weiß, daß er höherer Gefühle für fähig ist, hat das Recht, eher von seinem Charakter als von seiner Stellung auszugehen, um nach Verdienst behandelt zu werden.
Es bedarf oft des Anlasses der Eitelkeit, damit der Mensch die ganze Energie seiner Seele zeigt. Holz zum spitzen Stahl ergibt den Wurfspieß, zwei Federn am Holz den Pfeil.
Was ist ein Philosoph? Ein Mensch, der dem Gesetz der Natur, dem Brauch der Vernunft, sein Gewissen der ög’ffentlichen Meinung und sein Urteil dem Irrtum gegenüberstellt.
Kein Mensch kann als einzelner so verächtlich sein wie eine Körperschaft.
Die Sammler von Gedichten, Aphorismen und Anekdoten gleichen denen, die Kirschen oder Austern essen. Sie nehmen zunächst die besten und essen schließlich alle.
Gespräche sind wie Reisen zu Schiff. Man entfernt sich vom Festland, ehe man es merkt, und ist schon weit, ehe man merkt, daß man das Ufer verlassen hat.
So schlecht ein Mann auch über die Frauen denken mag, es gibt doch keine Frau, die über diesen Gegenstand nicht noch schlechter dächte als er.
Es gibt gewisse Fehler, die vor epidemischen Lastern schützen. In Pestzeiten bleiben Malariakranke vor der Ansteckung bewahrt.
Man wünscht sich den Bösen träge und schweigsam den Dummkopf.
Es gibt wenig Wohltäter, welche nicht wie Satan sagen: Knie nieder und bete mich an!
Wenn eine Bindung zwischen Mann und Frau wirklich interessant sein soll, muß sie Genuß, Erinnerung und Sehnsucht miteinander verbinden.
Man nehme der Liebe die Eigenliebe – es bleibt wenig übrig. Von Eitelkeit gereinigt, gleicht sie dem schwachen Rekonvaleszenten, der sich mühsam fortschleppt.
Fast alle Menschen sind Sklaven, weil sie nicht wissen, wie man das Wort Nein ausspricht.
Der Philosoph ist ein Mensch, der den Wert eines jeden einzelnen kennt. Nun verstehen Sie, warum seine Ansichten niemandem gefallen.
Nur wenig gestattet einem rechtschaffenen Mann, Geist und Seele behaglich auszuruhen.
Ich werde mit mir rechnen, früher rechnete ich auf mich.
Falsche Bescheidenheit ist die schicklichste aller Lügen.
Es wäre schlimm, wenn man sich bei Frauen jedesmal an das erinnern würde, was man von ihnen weiß.
Für Geheimnis und anvertrautes Gut gelten die gleichen Regeln.
Ein geistreicher und schlechter und ein geistreicher und anständiger Charakter unterscheiden sich wie ein Mörder und ein Weltmann, der gut fechten kann.
Unanständigkeit, der Mangel an Schamgefühl sind in jedem System geschmacklos: in der Philosophie des Genusses wie in der der Enthaltsamkeit.
An zwei Dinge muß man sich gewöhnen, um das Leben erträglich zu finden, an die Unbilden der Zeit und die Ungerechtigkeit der Menschen.
Von einem Menschen, der das Geld verachtet, zu einem wirklich Anständigen ist noch ein weiter Weg.
Ein einzelner Mann kann unter Umständen gegen alle Völker und gegen alle Jahrhunderte recht haben.
Es gibt eine Klugheit, überlegen der, die man gewöhnlich so nennt: es ist die Klugheit des Adlers zum Unterschied von der Maulwurfsklugheit. Erstere besteht darin, kühn seinem Charakter zu folgen und allen Nachteil und Schaden hinzunehmen, der aus ihm entspringt.
Niemand hat mehr Feinde in der Welt als ein aufrechter, stolzer, gefühlvoller Mann, der Personen und Dinge nimmt, wie sie sind, und nicht, wie sie sein wollen.
Die Menschen werden klein, indem sie sich versammeln: es sind die Teufel Milton’s, die gezwungen sind, sich zu Pygmäen zu machen, um in das Pandämonium einzutreten.
Ein geistreicher Mann ist verloren, wenn er nicht auch ein Mann von energischem Charakter ist. Hat man die Laterne des Diogenes, so muss man auch des Diogenes Stock haben.