Michel de Montaigne Zitate
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Vor allem ist mir ein pedantisches Wesen verhaßt.
Es ist, wie man sagt, ein Gedanke des Demosthenes: der Anfang aller Tugend sei Überlegung und Nachdenken, ihr Ziel Vollkommenheit und Beharrlichkeit.
Das Lügen ist wahrlich ein verdammtes Laster. Sind wir doch Menschen und gesellige Wesen nur durch die Sprache. Würden wir die Tragweite und Scheußlichkeit dieses Lasters recht einsehen, wir würden es mit Feuer und Schwert verfolgen mit mehr Recht als andere Verbrechen.
Die Schriften der Alten, die guten Schriften von Kraft und Saft, können mich fast zu allem bewegen, wozu sie wollen, und diejenige Schrift, die ich gerade lese, scheint mir jedesmal die Überzeugendste. Ich finde, daß sie alle der Reihe nach Recht haben, mögen sie sich auch oft widersprechen.
Auch Mängel haben ihre Art, sich zu empfehlen.
Lügen ist für Knechte; den Freien gebührt, die Wahrheit zu sagen.
Wie kann man das Leben verstehen, wenn man es nicht auffaßte als das Arbeiten jedes Einzelnen am Geiste, man kann wohl sagen, am Heiligen Geiste.
Es gibt allerhand nichtswürdige und eitele Spitzfindigkeiten, durch welche sich Leute zuweilen beliebt zu machen suchen.
Die Hauptaufgabe, die wir haben, ist für jeden sein eigenes Verhalten; dazu sind wir auf der Erde.
Nichts ist so voll und ganz das Werk unseres freien Willens wie Zuneigung und Freundschaft.
Der Wert des Lebens liegt nicht in der Länge der Zeit, sondern darin, wie wir sie nützen. Ein Mensch kann lange, aber dennoch sehr wenig leben.
Wer sterben gelernt hat, ist ein freier Mensch.
Im Ganzen ist es mühevoller, Geld zu hüten als es zu verdienen.
Der Einklang ist bei der Diskussion etwas ganz Unerwünschtes.
Bücher haben viele treffliche Eigenschaften für die, die sie zu wählen wissen.
Freundschaften, die wir selbst geknüpft haben, sind gewöhnlich wertvoller als die, welche aus nachbarlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen hervorgehen.
Feigheit, die Mutter aller Grausamkeit.
Es liegt etwas Knechtisches in Zwang und Strenge.
Das Alter gräbt uns mehr Falten in den Geist als in das Gesicht.
Was wir gewöhnlich Freunde und Freundschaft nennen, ist weiter nichts als eine durch Zufall zustande gekommene nähere Bekanntschaft, an die man sich gewöhnt hat und durch die ein gewisser geistiger Austausch erleichtert wird.
Man ist manchmal demütig aus Stolz.
In gewissen Händen ist sie [die Gelehrsamtkeit] ein Szepter, in anderen eine Narrenkappe.
Selbst in der Tugend ist der letzte Zweck unseres Trachtens die Wollust.
Je kürzer ich das Leben noch besitze, desto tiefer und umfassender muss ich von ihm Besitz ergreifen.
Es macht den Eindruck, als wenn es in einer höheren Welt Mächte gäbe, die von Neid gegen irdische Größe erfüllt sind, wie Stürme und Gewitter die höchsten und stolzesten Bauten am schrecklichsten umtoben.
Der Brief, der mir am sauersten wird, taugt gerade am wenigsten. Wenn ich erst darüber nachdenken muß, so ist das ein Zeichen, daß ich nicht ganz dabei bin. Gewöhnlich fange ich an, ohne festen Plan und ein Satz fügt sich zum andern.
Hat das Forschen, um das sich der Mensch jahrhundertelang bemüht, ihm wirklich eine neue Kraft und eine Wahrheit eingebracht, auf die er sich verlassen kann?
Freundlichkeit macht mich nachgiebig, Furcht unbeugsam.
Ich ziehe die Gesellschaft von Bauern vor, weil sie nicht genügend Bildung genossen haben, um falsche Schlußfolgerungen zu ziehen.
Eine gute Ehe, wenn überhaupt eine solche existiert, will nicht zugleich Liebe sein und sich so geben: Sie möchte eine Art Freundschaft verkörpern.
Ich bin der Auffassung, daß Freuden zu meiden sind, wenn sie größere Schmerzen zur Folge haben, und Schmerzen verheimlicht werden sollten, die in größerer Freude enden.
Es ist besser allein zu sein, als unter Langweilern.
Eine außerordentliche Sorge trieb den Menschen, sein Dasein zu verlängern. Er hat alles, was ihm möglich war, dazu getan. In betreff seines Körpers die Grabmäler, in betreff seines Namens den Ruhm.
Geringer von sich zu sprechen, als es die Wahrheit verlangt, ist Dummheit, nicht Bescheidenheit.
Freundschaft ist ein Tier, das in Paaren und nicht in Rudeln lebt; es wird mir schwer, mich halb und immer mit Einschränkungen mitzuteilen. Ich kann diese knechtische und argwöhnische Vorsicht nicht aufbringen, die bei den üblichen unvollkommenen Freundschaften im Umgang von uns verlangt wird.
Politik ist ein weites Feld für Zank und Streit.
Es ist unmöglich, mit einem Dummkopf treu und ehrlich zu verfahren.
Alles, was über das Wesen der Gottheit an Gedankengebäuden aufgebaut und abgebaut wird, wird vom Menschen erfunden, so wie er von sich aus die Beziehung zur Gottheit ansieht.
Dieses Essen im Wirtshaus mag ich ganz und gar nicht. Unter den vielen Leuten zu sitzen, die einen alle gar nichts angehen.
So sprach ein alter Kapitän bei schwerem Seegang zu Poseidon: O, Gott! Du kannst mich retten, wenn du willst. Es ist in deiner Hand, mich zu vernichten, wenn du willst. Ob du nun das eine oder das andere tust, höre aber, daß ich unerschrocken das Schiff steuere.
Jeder Tod muß mit dem Leben aus einem Stück sein. Das Sterben macht uns nicht zu andern Menschen. Ich erkläre mir den Tod eines Menschen beständig aus seinem Leben.
Verdrießlichkeit und Schwäche erzeugen in uns eine schleimige Tugend.
Ich will nicht halb sein, ich will ganz sein.
Ich drehe lieber eine feine Sentenz irgendwo ab, um sie mir irgendwo anzunähen, als daß ich meinen eigenen Gedanken aufdrehe, um sie einzudrillen.
Man soll die Lebensarbeit so lange fortsetzen, wie man kann.
Die Philosophie ist, und zwar auch bei gescheiten Leuten, nur ein leeres Wort, das keine Beziehung zur Wirklichkeit hat.
Jeder weiß aus Erfahrung, daß die fortgesetzte Gemeinschaft nicht dieselbe Freude bieten kann, als wenn man sich immer einmal entbehrt und dann wieder hat.
Es gibt noch eine andere Art von Ruhmsucht. Sie besteht darin, dass wir unseren Wert und unsere Verdienste überschätzen.
Auch wenn wir auf noch so hohen Stelzen daherkommen, stehen wir doch mit unseren Füßen darauf. Auch wenn wir den höchsten Thron der Welt einnehmen, sitzen wir doch auf unserem Gesäß.
Ruhmseligkeit besteht darin, von sich selbst zu viel und von anderen zu wenig zu halten.