Michel de Montaigne Zitate
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Aber es gibt nichts Unnützes in der Natur, nicht einmal das Unnütze selbst; es ist nichts in dieses Weltall getreten, was darin nicht seinen rechten Platz hätte.
Fast alle unsere Ansichten fassen wir auf die Autorität anderer hin und auf Treu und Glauben.
Wenn ihr ein Jahr gelebt und den Wechsel der Jahreszeiten erlebt habt: Winter, Frühling, Sommer, Herbst, dann habt ihr alles gesehen und nichts Neues werdet ihr mehr erblicken.
Von jeder Teilansicht, von jeder Tätigkeit aus kann man einen Menschen gleich gut beurteilen; in jeder drückt sich irgendwie sein Charakter aus.
So überwältigend ist des Gewissens Macht! Sie treibt uns dazu, daß wir in eigner Person uns verraten, anklagen und bekämpfen und wenn sie keinen anderen Zeugen findet, ruft sie uns wider uns auf.
Der Mensch nimmt als Ganzes erst zu, dann ab.
Letztendlich führen alle Weisheit und Überlegungen der Welt dahin, den Mensch zu lehren, sich nicht vor dem Tod zu fürchten.
Da ich gegen außergewöhnliche Größen immer auf der Hut bin, habe ich gefunden, daß sie im ganzen, Menschen wie andere sind.
Unsere Nation ist seit langem mit diesem Laster verrufen: denn Salvanus Massiliensis, der zur Zeit Kaiser Valentinians lebte, sagt, „bei den Franzosen ist Lügen und Meineid kein Laster, sondern eine Redensart.“ Und wer dies Zeugnis ergänzen wollte, kann sagen, daß es heute Tugenden sind.
Wir streben über uns hinaus, weil wir nicht wissen, wozu wir fähig sind.
Das Erste, was ich über die fünf Sinne des Menschen denke, ist, daß ich es als zweifelhaft hinstelle, ob er über alle Sinne verfügt, die es gibt.
Nichts ist so schön und ehrenhaft, als wahrhaft und wie es sich gehört ein Mensch zu sein, und keine Kunst so schwer wie die, dieses Leben recht und natürlich zu leben; und die schrecklichste unserer Krankheiten ist die Verachtung unseres eigenen Wesens.
Wer einen wirklich klaren Gedanken hat, kann ihn auch darstellen. Ist der Geist einmal der Dinge Herr, folgen die Worte von selbst.
Tugend und Laster haben im Gewissen ihr schweres Eigengewicht; ohne Gewissen liegt alles darnieder.
Wer weder widerstehen will noch fliehen – wie ist dem zu helfen?
Diejenigen, die einen Staat aus den Fugen heben, sind gewöhnlich die ersten, denen er auf den Kopf fällt.
Wir sollten fragen, welcher der nützlichere, nicht wer der gelehrtere Gelehrte wäre. Wir arbeiten nur darauf, das Gedächtnis vollzupfropfen und lassen Verstand und Gewissen leer.
Der Dichtung ist mit unserem Verstand nicht beizukommen, sie reißt ihn mit sich fort und wirft ihn um.
Das Trinken ist fast das letzte Vergnügen, das uns die Jahre nehmen.
Es gibt nur wenige Dinge, die wir ganz richtig zu beurteilen vermögen, weil wir an den meisten auf die eine oder andere Art allzu persönlich Anteil nehmen.
Ich konnte es nicht mehr aushalten und werde es wohl auch nie wieder aushalten können. Es war mir alles zu eng und nicht das und immer weniger das, was ich brauchte.
Der Mensch ist doch höchst unbesonnen! Nicht eine Käsemilbe kann er machen, und Götter und Heilige macht er zu Dutzenden!
Es liegt in eurem Willen, nicht in der Anzahl der Jahre, daß ihr hinlänglich gelebt habt.
Wenn ich Freude daran hätte, mit Nüßchen und Kreiseln zu spielen, warum nicht? Der Genuß kennt keinen Ehrgeiz. Er dünkt sich reich genug und begehrt nicht den Zusatzwert des Ruhms; ihm ist’s im Schatten wohler.
Nichts ist gewiss, soviel ist sicher.
Man kann sich durch Gewohnheit und Erfahrung gegen Schmerz, Schande, Mangel und dergleichen zufälliges Unglück abhärten. Den Tod aber können wir nur einmal erdulden. Wir sind alle nur Lehrlinge in Ansehung seiner.
Unverlangte Entschuldigungen dienen als Anklage.
Ich will lieber geschäftlich als charakterlich versagen.
Wir selbst, wir bewahren und hüten die Meinungen und das Wissen anderer, und sollten uns diese lieber zum Eigentum machen.
Es geschieht aus eigener Erfahrung, daß ich die menschliche Unwissenheit anklage. Sie ist nach meiner Meinung das Zuverläßigste, was man in der Schule der Welt lernen kann.
O Fremdling, gute Sachen sagst du, du sagst sie nur nicht gut.
Das Menschenauge kann von der Wirklichkeit nur erfassen, was seiner Aufnahmefähigkeit entspricht.
Es scheint, daß uns die Natur vorzugsweise zur Geselligkeit bestimmt habe.
Der Körper kann große Lasten tragen, wenn man ihn strafft. Mit der Seele ist es ebenso.
Wir bestehen aus lauter Äußerlichkeiten; wir denken an das äußere Gebaren und vernachlässigen darüber das Wesentliche.
Unser Übel liegt in der Seele; die aber kann sich selbst nicht vermeiden.
Wir bringen unsere Dummheiten zu hohen Ehren, wenn wir sie in Druck geben.
Lassen wir der Natur ihren Lauf; sie versteht ihr Geschäft besser als wir.
Wenn wir Abschied nehmen, wird unsere Neigung zu dem, was wir schätzen, immer noch etwas wärmer.
Ich weiß nicht, ob man von ihnen etwas ärgeres leiden könne als ihre Eifersucht. Es ist ihre gefährlichste Leidenschaft, so wie der Kopf ihr gefährlichster Körperteil ist.
Die meisten Menschen verziehen die Miene und sprechen lauter, wenn ihre Stärke nachläßt.
Ein Verzicht auf das Wirken ist unter Umständen ebenso verdienstlich wie das Wirken selbst.
Jeder redet mal Unsinn. Ein Unglück ist nur, es dauernd zu tun.
Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.
Die Erfahrung lehrt vielmehr, daß die Leute von gutem Gedächtnis gerne ein wenig schwach vom Verstande sind.
So mancher wurde von der Welt bewundert, an dem seine Frau und sein Diener nichts besonderes fanden. Wenige Menschen sind noch von ihren Hausgenossen bewundert worden.
Unser Denken ist ein kühnes, riskantes Spiel, weil auch unser Denken, genau wie unser Schicksal, nicht erhaben ist über den unberechenbaren Zufall.
Ein Abschied verleitet immer dazu, etwas zu sagen, was man sonst nicht ausgesprochen hätte.
Das Sprechen, das ich liebe, ist ein einfaches, ungeziertes Sprechen, sei’s auf dem Papier, sei’s mit dem Mund, eine Sprache voll Kraft und Saft, kurz und gedrungen […]
Jeder sinnige Ausspruch, jede treffende Bemerkung ist überall angebracht, gleichviel an welcher Stelle sie stehen. Beziehen sie sich auch nicht direkt auf das Vorhergehende oder auf das Folgende, so sind sie doch an und für sich wohlangebracht.