Michel de Montaigne Zitate
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Die Pest des Menschen ist die Einbildung, zu wissen.
Die Jagd nach Ruhm und Ehre ist die verbreitetste von allen Torheiten dieser Welt.
Wer die Qualen der Folter aushalten kann, sagt die Wahrheit nicht, und wer sie nicht aushalten kann, auch nicht.
Bei uns machen die einen der Welt weis, sie glaubten, was sie nicht glauben; die anderen – und das ist die Mehrzahl – machen es sich selber weis.
Der Schlaf erstickt und unterdrückt unsere seelischen Kräfte, der Geschlechtsakt saugt sie ebenso auf und lässt sie verschwinden.
Gleicher Meinung zu sein ist tödlich. Wir lieben den Widerspruch nicht, aber wir brauchen ihn dringend.
Was nützen mir die Farben, wenn ich nicht weiß, was ich malen soll?
Man sollte fragen: wer eine wertvollere, nicht, wer eine größere Gelehrsamkeit aufweisen kann.
Das menschliche Denken wird sinnlos, wenn es kein bestimmtes Ziel hat.
Die oberste Aufgabe, zu der wir berufen sind, ist für jeden, sein eigenes Leben zu führen.
Nur die Dummen haben sofort eine Überzeugung fertig.
Die Freundschaft lebt vom ungehinderten Gedankenaustausch.
Wir treiben die Sache, von der wir besessen sind und getrieben werden, niemals gut vorwärts.
Die Naturgesetze lehren uns, was wir eigentlich brauchen.
Ich weiß wohl, was ich fliehe, aber nicht, was ich suche.
Furcht, Sehnsucht, Hoffnung drängen uns in die Zukunft.
Was ich heute für wahr halte, ist meine tiefste Überzeugung. Aber es ist mir nicht tausendmal begegnet, daß ich nachher etwas ganz anderes für ebenso wahr gehalten habe.
Man kann den Wert eines Lebens nicht nach der Länge messen.
Wer den Aufruhr angestiftet hat, hat später gewöhnlich nichts davon; er rührt nur das Wasser auf für andere, die dann im Trüben fischen können.
Aus was besteht der subtilste Wahnsinn als aus der subtilsten Weisheit?
Steht es in der Macht des Menschen zu finden, was er wissen will?
Das deutlichste Kennzeichen der Weisheit ist ein stetes Vergnügtsein.
Die Natur war nur gerecht, als sie jedem von uns seinen Anteil an Verstand zuteilte. Es finden sich wenige Menschen, die mit dem ihnen zugemessenen Anteil unzufrieden sind.
Manchmal ist es eine gute Wahl, nichts zu wählen.
Glück und Unglück sind, meinem Gefühl nach, von uns unabhängige Mächte: Es ist ein Zeichen von Unverstand, anzunehmen, dass die menschliche Voraussicht die Rolle der Fortuna übernehmen könne.
Spricht man über rein Menschliches, so ist eine andere, eine weniger erhabene Ausdrucksweise angebracht, als wenn es sich um Gottes Wort handelt; wir sollten dessen Würde, Majestät und sakrale Kraft nicht mißbrauchen.
Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Dingen, die uns lieb sind, immer ein wenig wärmer.
Ich will in diesem Leben nur den Ruhm erwerben, daß ich es friedlich verbracht habe.
Keine Leidenschaft trübt die Unvoreingenommenheit des Urteils mehr als der Zorn.
Wir kommen rückwärts vorwärts, wie die Ruderer.
Latein und Griechisch sind zweifellos ein schöner und wirkungsvoller Luxus, aber man bezahlt ihn zu teuer.
Man tut dem großen und allmächtigen Geber der Gaben unrecht, wenn man seine Gnaden ausschlägt, zunichte macht und herabsetzt. Er, der Allgute, hat alles gut gemacht.
Was Cicero betrifft, so bin ich der allgemeinen Meinung, daß es bei ihm, außer der Wissenschaft, nichts Ausgezeichnetes gibt.
Wer nicht wartet, bis er Durst hat, der hat keine rechte Freude an einem guten Trunk.
Bei denjenigen, die ihren ganzen Verstand auf das Gedächtnis gründen und nichts wissen, als was im Buche steht, hasse ich die Gelehrsamkeit noch mehr als die brutale Dummheit.
Die Briefe, die mir am meisten Mühe machen, taugen am wenigsten.
Wir leben immer in Beziehung auf unsere Mitmenschen; diese unsere Beschaffenheit, sie mag angelernt sein oder angeboren sein, bringt uns mehr Nachteil als Vorteile.
Wir haben geglaubt, das Band, das bei uns die Ehegatten aneinander bindet, fester zu knüpfen, indem wir jede Möglichkeit, es zu lösen, beseitigten; aber in demselben Maße, wie der Zwang sich gesteigert hat, hat sich die freiwillige Bindung durch die Zuneigung gelockert.
Was heute geschieht, ist eine ebenso ergiebige Quelle der Erkenntnis wie die Ereignisse zur Zeit des Homer oder des Plato.
Ich fühle, wie der Tod mich beständig in seinen Klauen hat. Wie ich mich auch verhalte, er ist überall da.
Zum Verirren gibt es in der Einsamkeit ebensogut Wege, wie in der Gesellschaft.
Eigensinn und Widerspruchsgeist sind niedrige Eigenschaften und meist nur bei kleinen Seelen zu finden.
Es gibt mehr triumphierende Niederlagen als Siege.
Unser Geist ist ein Arbeitsgerät, unruhig, gefährlich und vermessen, ein gefährliches Schwert, gefährlich auch für den, der es trägt, wenn er die Waffen nicht ordentlich und vorsichtig zu gebrauchen versteht.
Wenn man die Form der Gerechtigkeit betrachtet, die uns regiert, so hat man ein Zeugnis menschlicher Dummheit, so viele Widersprüche und Irrtümer findet man darin.
Eine gute Ehe gibt es nur zwischen einer tauben Frau und einem blinden Mann.
Ich will dem Betrug seinen Rang nicht nehmen. Das hieße die Welt schlecht verstehen. Ich weiß, daß er sehr oft nützliche Dienste geleistet hat und daß er die meisten Stände der Menschen nährt und erhält.
Wir sind nie daheim; wir sind immer weit weg: die Furcht, die Sehnsucht, die Hoffnung treiben uns der Zukunft entgegen und rauben uns das Bewußtsein und die Beachtung dessen, was ist, um uns mit dem zu unterhalten, was sein wird, – höchst wahrscheinlich, wenn wir nicht mehr sind.
Was anmutig ist, bemerken wir nur, wenn es überspitzt, geschwollen, verkünstelt auftritt: Geht es im einfachen Kleid der Selbstverständlichkeit einher, so wird es von einem groben Blick, wie wir ihn haben, leicht übersehen.
Die Tat allein beweist der Liebe Kraft.