Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Der Verstandesmensch verhöhnt nichts so bitter wie den Edelmut, dessen er sich unfähig fühlt.
Der einfachste Mensch ist immer noch ein sehr kompliziertes Wesen.
Meine liebe Freundin, Gräfin Anna Pongracz, sprach einmal das vortreffliche Wort: „Jeder Gabe mancher Menschen liegt eine Rose bei; den Gaben anderer, wenn auch unbewußt, immer ein Dorn.“
Der Maßstab, den wir an die Dinge legen, ist das Maß unseres eigenen Geistes.
Keine falschere Behauptung als die, jeder Mensch müsse im Leben wenigstens einmal lieben. Im Gegenteil, die wahre, die furchtbare Liebe gehört zu den größten Seltenheiten, und ihre Helden sind an den Fingern herzuzählen wie überhaupt alle Helden.
Verschmähtes Erbarmen kann sich in Grausamkeit verwandeln wie verschmähte Liebe in Haß.
Das sind bedrohliche Menschen, die ein schmächtiges Talentchen und eine gewaltige Ausdauer haben.
Es ist doch gut, sich vor der Gefahr zu fürchten; das erspart wie oft die Furcht in der Gefahr.
Elend sein und glücklich scheinen ist die größte Qual.
Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen.
Gebrannte Kinder fürchten das Feuer oder vernarren sich darein.
Viele Worte sind lange zu Fuß gegangen, ehe sie geflügelte Worte wurden.
Mein Bruder Victor schrieb einmal an meinen Mann: Der beste Mensch ist weiblichen Geschlechtes, der schlechteste auch. Wir sind uninteressante Mittelware.
Das Motiv einer guten Handlung ist manchmal nichts anderes als zur rechten Zeit eingetretene Reue.
Es gibt eine Menge kleiner Unarten und Rücksichtslosigkeiten, die an und für sich nichts bedeuten, aber furchtbar sind als Kennzeichen der Beschaffenheit einer Seele.
Alles wird uns heimgezahlt, wenn auch nicht von denen, welchen wir geborgt haben.
Die Gleichgültigkeit, der innere Tod, ist manchmal ein Zeichen von Erschöpfung, meistens ein Zeichen von geistiger Impotenz und immer – guter Ton.
Die Leute, denen man nie widerspricht, sind entweder die, welche man am meisten liebt, oder die, welche man am geringsten achtet.
Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln, unter der Bedingung – daß niemand einstimmt.
Wenn man nicht aufhören will, die Menschen zu lieben, darf man nicht aufhören, ihnen Gutes zu tun.
Zwischen Können und Tun liegt ein Meer und auf seinem Grunde gar oft die gescheiterte Willenskraft.
Grobheit – geistige Unbeholfenheit.
Die Taten reden, aber den Ungläubigen überzeugen sie doch nicht.
Suche immer zu nützen! Suche nie, dich unentbehrlich zu machen.
Die Geschichte hat Helden und Werkzeuge und macht beide unsterblich.
Verständnis des Schönen und Begeisterung für das Schöne sind eins.
Wer von Schaffensfreude spricht, hat höchstens Mücken geboren.
Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen zieht es vorbei.
Der Weise ist selten klug.
Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen.
Die Palme beugt sich, aber nicht der Pfahl.
Wenn ihr wüßtet, daß ihr solidarisch seid für jedes begangene Unrecht, das Lästern würde euch vergehen.
Das Gefühl schuldiger Dankbarkeit ist eine Last, die nur starke Seelen zu ertragen vermögen.
Den Menschen, die große Eigenschaften besitzen, verzeiht man ihre kleinen Fehler am schwersten.
Künstler, was du nicht schaffen mußt, das darfst du nicht schaffen wollen.
Im Laufe des Lebens verliert alles seine Reize wie seine Schrecken; nur eines hören wir nie auf zu fürchten: das Unbekannte.
Ohne Phantasie keine Güte, keine Weisheit.
Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.
In einem guten Buche stehen mehr Wahrheiten, als sein Verfasser hineinzuschreiben meinte.
Immerwährender Fortschritt ist nur um den Preis immerwährender Unzufriedenheit zu erkaufen.
Die Einsamkeit ist kein Glück, aber die Zweisamkeit ist oft ein Unglück.
Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.
Hoffnungslose Liebe macht den Mann kläglich und die Frau beklagenswert.
Ein Streit zwischen wahren Freunden, wahren Liebenden bedeutet gar nichts. Gefährlich sind nur Streitigkeiten zwischen Menschen, die einander nicht ganz verstehen.
Die Kur hat dich von der Krankheit kuriert, aber wer kuriert dich von der Kur?
Ein gutes Buch, einen guten Freund, die lernt man nicht aus. Ein weises Buch ist ebenso unergründlich wie ein großes Menschenherz.
Das Leben erzieht die großen Menschen und läßt die kleinen laufen.
An das Gute glauben nur die wenigen, die es üben.
Der Kunst täte not: weniger Schulen, mehr Schule.