Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Kein Genußsüchtiger schreit so wild nach Freuden, wie ein Flagellant nach seiner Geißel schreit.
Edle Menschen sehen ihren geistigen wie ihren materiellen Reichtum als ein anvertrautes Gut an.
Der Wunsch ist der Vater der Hoffnung.
Der am unrechten Ort vertraute, wird dafür am rechten Orte mißtrauen.
Ich bereue nichts, sagt der Übermut, ich werde nichts bereuen, die Unerfahrenheit.
Die bedauernswürdigsten Menschen sind die gewissenhaften, denen das Leben unerfüllbare Pflichten aufgebürdet hat.
Was ein Kind tut, soll nicht als eine Handlung, sondern als ein Symptom aufgefaßt werden.
Die wahre Ehrfurcht geht niemals aus der Furcht hervor.
An dem Manna der Anerkennung lassen wir es uns nicht genügen, uns verlangt nach dem Gifte der Schmeichelei.
Was liegt dem Narren an einem vernünftigen Menschen? Die wichtige Person für ihn ist der andere Narr, der ihn gelten läßt.
Wohl dem, der sagen darf: Der Tag der Aussaat war der Tag der Ernte!
Die unerträglichsten Heuchler sind die, die jedes Vergnügen, das ihnen geboren wird, von der Pflicht zur Taufe tragen lassen.
In St. Gallen landete ein Luftballon, und ein Knabe, der ihn sinken sah, sagte: Mutter, grad jetz‘ isch der Mond abekeit, mitsamt de Manne.
Alt werden, heißt sehend werden.
Wer sich an seine eigene Kindheit nicht mehr deutlich erinnert, ist ein schlechter Erzieher.
Wir suchen gern unsere Abneigung gegen einen Menschen aus seinen Fehlern zu erklären. Dies ist häufig Selbsttäuschung; auch unsere eigenen Fehler können dieser Abneigung zugrunde liegen.
Ein anregendes Buch – eine den appetitreizende Speise.
Das Tüttelchen Wahrheit, das in mancher Lüge enthalten ist, das macht sie furchtbar.
Der wahre Zweck eines Buches ist, den Geist hinterrücks zum eigenen Denken zu verleiten.
Ein scheinbarer Widerspruch gegen ein Naturgesetz ist nur die selten vorkommende Betätigung eines anderen Naturgesetzes.
An die Stützen, die wir wanken fühlen, klammern wir uns doppelt fest.
Ein nackter Affe hat mir noch nie soviel Mitleid eingeflößt wie ein Affe in seidenem Jäckchen, mit einem Barett auf dem Kopfe und einem kleinen Gewehr auf der Schulter.
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur der, der nicht geträumt hat.
Der Zweifel macht die Qual jedes nach Wahrheit Suchenden aus, aber wehe ihm, wenn die Quälerin ihn verläßt.
Immer dasselbe tun, wenn auch noch so gedankenlos -, endlich wird’s eine Methode.
Der Arme will nicht für arm, der Reiche nicht für reich gelten, der erste fürchtet verachtet, der zweite ausgebeutet zu werden.
So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur schwache Nerven.
Autoren, die bestohlen werden, sollten sich darüber nicht beklagen, sondern freuen. In einer Gegend, in der Waldfrevel nicht vorkommt, hat der Wald keinen Wert.
Wenn die, die uns nachfolgten, uns nicht mehr erreichen können, schwören sie darauf, daß wir uns verirrt haben.
Auch was wir am meisten sind, sind wir nicht immer.
Dauernde Freundschaft kann nur zwischen Menschen von gleichem Wert bestehen.
Die Reue treibt den Schwachen zur Verzweiflung und macht den Starken zum Heiligen.
Was man noch tun kann, wenn man gar nichts anderes mehr tun kann, ist das, wozu man Talent hat.
Ob das Werkzeug früher versagt oder die Hand, ist ein großer Unterschied, kommt aber auf eins heraus.
Alle historischen Rechte veralten.
Wenn die Mißgunst aufhören muß, fremdes Verdienst zu leugnen, fängt sie an, es zu ignorieren.
Eigensinn, Rückgrat des Schwachen.
Briefe von geliebten Menschen verbrennt man gleich oder nie.
Man muß sein Glück teilen, um es zu multiplizieren.
Der Großmütige ist reich, und wenn er auch nur ein Stück Brot besitzt, das er mit einem Hungrigen teilen kann.
Schüchterne Dummheit und verschämte Armut sind den Göttern heilig.
Wer Gleichheit zu schaffen verstände, müßte der Natur Gewalt antun können.
Ein einziges Wort verrät uns manchmal die Tiefe eines Gemüts, die Gewalt eines Geistes.
Man kann viele Dinge kaufen, die unbezahlbar sind.
Wer Geduld sagt, sagt Mut, Ausdauer, Kraft.
Habe einen guten Gedanken und man borgt dir zwanzig.
Alle irdische Gewalt beruht auf Gewalttätigkeit.
Wir unterschätzen das, was wir haben, und überschätzen das, was wir sind.
Was du wirklich besitzest, das wurde dir geschenkt.
Immer wird die Gleichgültigkeit und die Menschenverachtung dem Mitgefühl und der Menschenliebe gegenüber einen Schein von geistiger Überlegenheit annehmen können.