Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Einen mit Weisheit Gesalbten darf man nie warm werden lassen, sonst trieft er.

Am unbarmherzigsten im Urteil über fremde Kunstleistungen sind die Frauen mittelmäßiger Künstler.

Der Arbeiter soll seine Pflicht tun, der Arbeitgeber soll mehr tun als seine Pflicht.

Nichts bist du, nichts ohne die anderen. Der verbissenste Misanthrop braucht die Menschen doch, wenn auch nur, um sie zu verachten.

Auch in dem elendesten Dasein gibt es ein Häkchen, an das ein Faden des Heils sich anknüpfen ließe.

Wenn wir die ersehnte Ruhe endlich haben werden, werden wir nichts mehr von ihr haben.

Lieber von einer Hand, die wir nicht drücken möchten, geschlagen, als von ihr gestreichelt zu werden.

Dem großen Publikum ist ein Buch nicht leicht zu schlecht, sehr leicht aber zu gut.

Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für ihre Kinder wirklich ein Segen ist.

Der herbste Tadel lässt sich ertragen, wenn man fühlt, dass derjenige, der tadelt, lieber loben würde.

Jeder Weltmann verkehrt lieber mit einem wohlerzogenen Bösewicht als mit einem schlecht erzogenen Heiligen.

Wer in der Gegenwart von Kindern spottet oder lügt, begeht ein todeswürdiges Verbrechen.

Um wie viel weniger bekümmert ein gescheiter Mensch sich um die Fehler anderer als um seine eigenen!

Kinder und Greise fabeln. Die ersten, weil ihr Verstand die Herrschaft über die Phantasie noch nicht gewonnen, die zweiten, weil er sie verloren hat.

Ehrlich und herzlich den gelten lassen, der uns nicht gelten läßt – höchste Noblesse!

Die Heiterkeit des Unglücklichen ist oft rührender als seine rührendste Klage.

Was Menschen und Dinge wert sind, kann man erst beurteilen, wenn sie alt geworden. (Das gilt auch für Häuser, auch für dieses Haus.)

Da zuletzt doch alles auf unser Glauben hinausläuft, müssen wir jedem Menschen das Recht zugestehen, lieber das zu glauben, was er sich selbst, als was andere ihm weisgemacht.

Die Großmut ist nicht immer am rechten Platz, der Geiz aber ist immer am unrechten.

An Rheumatismus und an wahrer Liebe glaubt man erst, wenn man davon befallen wird.

Man fordere nicht Wahrhaftigkeit von den Frauen, solange man sie in dem Glauben erzieht, ihr vornehmster Lebenszweck sei – zu gefallen.

Künstler haben gewöhnlich die Meinung von uns, die wir von ihren Werken haben.

Nichts ist weniger verheißend als Frühreife; die junge Distel sieht einem zukünftigen Baume viel ähnlicher als die junge Eiche.

Nichts wird so oft unwiederbringlich versäumt, wie eine Gelegenheit die sich täglich bietet.

Wenn die Freunde Gutes von dir sagen, wird wohl mancher Darf man’s glauben fragen, aber lästert dich der Feinde Schar, frägt kaum einer Ist es denn auch wahr?

Die großen Augenblicke im guten wie im bösen Sinne sind die, in denen wir getan haben, was wir uns nie zugetraut hätten.

Es würde viel weniger Böses auf Erden geben, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.

Späte Freuden sind die schönsten; sie stehen zwischen entschwundener Sehnsucht und kommendem Frieden.

Gleichgültigkeit jeder Art ist verwerflich, sogar die Gleichgültigkeit gegen uns selbst.

Nichts ist ansteckender als das schlechte Beispiel, das der Feind dem Feinde gibt.

Niemand ist so beflissen, immer neue Eindrücke zu sammeln, wie der, der die alten nicht zu verarbeiten versteht.

Unerfüllbare Wünsche werden als „fromme“ bezeichnet. Man scheint anzunehmen, daß nur die profanen in Erfüllung gehen.

Zwei sehr verschiedene Tugenden können einander lange und scharf befehden; der Augenblick bleibt nicht aus, in dem sie erkennen, daß sie Schwestern sind.

Ein Mann, der sich im Gespräch mit einer Frau widerlegt fühlt, fängt sogleich an, sie zu überschreien. Er will und kann beweisen, daß ihm immer, auch wenn er falsch singt, die erste Stimme gebührt.

Ich bin im Leben wohl auch manchem Menschen begegnet, aber spazieren sind wir miteinander nicht gegangen.

Vervollkommnung deiner selbst erreichst du nur durch Unzufriedenheit mit dir selbst.

Ich habe mein Leben damit zugebracht, nicht nur den andern, sondern auch mir selbst zu sagen: So sind wir! Seien wir vernünftiger und besser.

In der Fähigkeit, einen edlen Wunsch intensiv und heiß zu nähren, liegt etwas wie Erfüllung.