Ludwig Marcuse Zitate
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Labilität erzeugt Heftigkeit.
Es gibt Theaterkritiker, die unterscheiden sich nur darin vom Publikum, dass sie das, was auch sie nicht sehen, ausdrücken können.
Von allen sexuellen Verirrungen ist die Keuschheit die seltsamste.
Du solltest dir mit gutem Gewissen widersprechen.
Viele entdecken erst bei Aussprachen zwecks Beseitigung kleiner Mißverständnisse, daß sie Todfeinde sind.
Es ist immer die Leistung, die bestimmt, wer zur Elite gehört.
Tertium datur. Die weltberühmten Alternativen sind meist gar keine – zum Beispiel: Glaube und Unglaube.
Die Stärke des Irrtums und der Lüge liegt gerade darin, dass sie ebenso klar sein können wie Wahrheiten; weshalb das Falsche ebenso einleuchtend sein mag wie das Richtige.
Eigentlich war der Mensch nie besser – aber in einfacheren Verhältnissen weniger raffiniert schlecht.
Opportunisten sind Leute, die sich erst dann entscheiden, wenn alles schon entschieden ist.
Zynismus: die trüben Aspekte des Menschen nicht nur kennen, sondern mit ihnen protzen.
Es wäre nicht so schlimm zu altern, wenn alle ersten Lieben in ewiger Jugend blühten.
Ironie ist keine Waffe, eher ein Trost der Ohnmächtigen.
Freiheit von allen Illusionen ist das Glück der Hoffnungslosen.
Gepriesen sei der Zufall. Er ist wenigstens nicht ungerecht.
Tiefstes Leid und höchste Seligkeit sind die Pole unseres Daseins – Ausgang aller Himmelfahrt.
Es liegt im Wesen des Akademischen, nur das Tote zu berücksichtigen; ganz sicher ist man nur dessen, was sich nicht mehr rühren kann.
Auf welcher Gesetzestafel steht: Die heiligen Gefühle der Theisten müssen respektiert werden, die heiligen Gefühle der A-Theisten aber nicht?
Neu – das ist in der Regel nur, was einer Generation neu vorkommt.
Idealisten nennt man die, welche erst der Macht weichen – aber noch nicht der Logik.
Der Glaube an das Gedruckte ist seit Gutenberg einer der mächtigsten Aberglauben dieser Welt.
Viele Rezensenten können schreiben, aber nicht lesen.
Sprache ist unter anderem auch Expression, durchaus nicht immer Kommunikation.
Die große Mode ist jetzt pessimistischer Optimismus: Es ist zwar alles heilbar, aber nichts heil.
Wie mutig man ist, weiß man immer erst nachher.
Der gesunde Menschenverstand ist oft eine der ungesundesten Verständnislosigkeiten.
Ein Philosoph ist, unter anderem, auch ein Mann, der nie um Argumente verlegen ist.
Jeder Glaube ist Imitation oder Rechtfertigung einer vorherrschenden Stimmung.
Der Ideenkampf wird nie im Reich der Ideen entschieden.
Es ist ein Glück, dass das Bestehen der Menschenrasse ans sexuelle Vergnügen gefesselt ist; man hätte es sonst längst aus der Welt hinausmanipuliert.
Die Zeit heilt nicht alles; aber sie rückt vielleicht das Unheilbare aus dem Mittelpunkt.
Nur wer im Wohlstand lebt, schimpft auf ihn.
Der Staat ist eben auch nur ein Menschengebilde – und kann verlangen, dass wir ein bisschen nachsichtig mit ihm sind.
Je bedeutender ein Gelehrter ist, desto mitleidiger ist er mit den Unwissenden.
Dass zwei Menschen zusammen leben können, ist eines der größten Wunder. In den meisten Fällen können sie es auch gar nicht, was dadurch verdeckt wird, dass sie auch nicht auseinander können.
Besser ein anregender Pornograph als ein mausetoter Klassiker.
Die meisten Definitionen sind Konfessionen.
Denken ist eine Anstrengung. Glauben ein Komfort.
Du solltest nicht vor einem Argument in die Knie brechen! Auch wenn es überzeugt. Es beweist nichts!
Zynismus kann ein Präludium echter Moral sein.
Weltanschauung ist nicht selten Mangel an Anschauung.
Wer aufs Glücklichsein verzichtet (unter dem Diktator Pflicht), erfüllt sein Dasein nicht!
Der Schreibtisch ist ein Kloster aus Holz.
Demut soll nie etwas anderes sein als die Verneinung von Hochmut. Sonst wird sie Kleinmut.
Man stirbt, wie man lebte; das Sterben gehört zum Leben, nicht zum Tod.
Eine lebensfähige Anarchie ist gut. Eine anarchische Ordnung ist schlecht.
Die Unwahrheiten liegen oft nicht in dem, was man sagt, sondern in dem, was man nicht sagt.
Politik ist ein Kompromiß oder eine Schriftstellerei.
Ein Utopist kann ein Mann sein, der zu wollen wagt, was noch keinen Präzedenzfall gehabt hat. Aber auch ein Mann, der es sich leistet, alles auszuklammern, was der Utopie im Wege steht.
Wissenschaft steht im Dienste eines Ideals oder im Dienste einer herrschenden Gruppe.