Kurt Tucholsky Zitate
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Freundschaft beruht darauf, daß eben nicht alles gesagt wird; nur so ist Beieinandersein möglich.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier… und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Man kann sogar seine Gefühle nach dem Kalender regeln: zum Geburtstag, zum Gedenktag – und zu Weihnachten. Aber man muß welche haben.
Wesentlich für ein Kunstwerk sind Urheber und Empfänger. Was dazwischenliegt, ist ein notwendiges Übel.
Kaufen, was einem die Kartelle vorwerfen; lesen, was einem die Zensoren erlauben; glauben, was einem die Kirche und Partei gebieten. Beinkleider werden zur Zeit mittelweit getragen. Freiheit gar nicht.
Wie sprechen Menschen mit Menschen? Aneinander vorbei.
Deutsch bleibt deutsch. Da helfen keine Pillen.
Eines Tages kam ein Pfarrer zu einem Versicherungsagenten, der im Sterben lag. Er war ein schlechtes Schaf der Kirche gewesen, alle seine Tage. Und es wird berichtet: Der Agent starb ungläubig, wie er gelebt hatte – aber der Pfarrer ging versichert von dannen.
Dies ist, glaube ich, die fundamentalste Regel allen Seins: Das Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders!
Ich danke für die Möglichkeit, dass ich hier habe sprechen können. Ich will nicht recht behalten – diese Sätze sind für die Diskussion da.
Musiker sind nicht eitel – sie bestehen aus Eitelkeit; die Eitelkeit ist ein lebensnotwendiger Bestandteil ihres Wesens.
Daß überhaupt organisiert wird, flößt uns viel mehr Hochachtung ein als was und wie eigentlich organisiert wurde.
Zwei Männer kenn ich auf der Welt; wenn ich bei denen nachts anklopfe und sage: Herrschaften, so und so… ich muß nach Amerika – was nun? Sie würden mir helfen.
Die alte Ordnung, die heute noch genau so besteht wie damals, nahm und gab dem Deutschen: sie nahm ihm die persönliche Freiheit, und sie gab ihm Gewalt über andere.
Streiche dem modernen Staat die tausend läppischen Aufgaben, deren Lösung er sich anmaßt, ohne auch nur die einfachsten zu erfüllen, und du machst Tausende von Beamten überflüssig.
Was tat der Marquis de Sade? Er röstete kleine Mädchen und bestreute sie mit gestoßenem jungen Mann.
Wirf den Bankier, wie du willst: er fällt immer auf dein Geld.
Der Sozialismus wird erst siegen, wenn es ihn nicht mehr gibt.
Ein alter Baum ist ein Stückchen Leben. Er beruhigt. Er erinnert. Er setzt das sinnlos heraufgeschraubte Tempo herab, mit dem man unter großem Geklapper am Ort bleibt. Und diese alten Bäume sollen dahingehen, sie, die nicht von heute auf morgen nachwachsen? Die man nicht „nachliefern“ kann?
Der Frauenleib ist der Anstiftung dringend verdächtig.
Nichts ist so abscheulich wie der „unpolitische“ Mensch. Er tut nämlich immer, als gäbe es ihn, und so schafft er unpolitische Generalanzeiger, unpolitische Magazine, unpolitische Filme, unpolitische Parteien.
Ich habe nie geglaubt, dass so viel Arbeit dahinter steckt, um zu erreichen, dass Leute abends zwei Stunden lachen, ohne dass sie und die Autoren sich hinterher zu schämen haben.
Ein Film… Was kann das schon sein, wenn es die Zensur erlaubt hat.
Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.
Glück ist der Zustand, den man nicht spürt.
Wenn ich jetzt sterben müßte, würde ich sagen: Das war alles? Und: Ich habe es nicht so richtig verstanden. Und: Es war ein bißchen laut.
Amüsements sehen immer wie die Geschäfte aus, von denen man sich bei ihnen erholt. Diese Frauen und diese Lokale sind die Kehrseite der Valutawelt.
Alles ist richtig, auch das Gegenteil. Nur „zwar – aber“, das ist nie richtig.
Üblicherweise war er wahnsinnig, aber er hatte lichte Momente, in denen er nur dumm war.
Krise ist jener ungewisse Zustand, in dem sich etwas entscheiden soll: Tod oder Leben – Ja oder Nein.
Es ist ja eine schwere Sache… Eines aber kann man verlangen: daß der Übersetzer beider Sprachen mächtig ist. Nicht immer ist ers… Man muß eben nicht nur ein Lexikon, man muß auch Fingerspitzengefühl haben. Die meisten haben nicht einmal ein Lexikon.
Die Frauen haben es ja von Zeit zu Zeit auch nicht leicht. Wir Männer aber müssen uns rasieren.
Humoristen haben aufeinander stets eine mächtige Wut.
Nur der Unbegabte stiehlt, der Kluge macht Geldgeschäfte.
Das ist wirklich eine Meisterleistung. Unbegreiflich, wie das einer schreiben kann, der nicht in Deutschland lebt. Konklusio: Krieg oder Revolution. Ich weiß das nicht, er weiß mehr und kann mehr, der Trotzki.
Streitende sollten wissen, daß nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht.
Große Dinge ereignen sich nicht mittags um zwölf Uhr zehn. Sie wachsen langsam.
Aber der Schweiger genießt großes Ansehen – man weiß nämlich nie, was sich dahinter verbirgt.
Der Durchschnittsleser erlebt die Welt so, wie sie ihm seine Zeitung vermittels großer und kleiner Schriftgrade ordnet.
Mit dem Tod ist alles aus. Auch der Tod?
Fremder Hunger langweilt, fremdes Glück reizt.
Schwer ist es, dem Schulmeister zu antworten, der im Leser versteckt hier und da ans Licht drängt. Die Brille blitzt, ein Zeigefinger droht, und ich muß das Lexikon wälzen und streiten, und zum Schluß haben wir beide recht.
Heimlich zugebend, dass die Bergpredigt für ihn nicht gelte, dass die vom Individuum geforderte Moral für ihn nicht gelte, dass die einfachsten altruistischen Gebote für ihn nicht gelten, will er* Gott verdrängen und sich an seine Stelle setzen.
Es ist die Aufgabe des historischen Materialismus, zu zeigen, wie alles kommen muß – und wenn es nicht so kommt, zu zeigen, warum es nicht so kommen konnte.
Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.
Sie sprach so viel, dass ihre Zuhörer davon heiser wurden.
Nichts nimmt eine Weltanschauung so übel, wie wenn man sie mit einer andern erklären will.
Es kommt in der Politik nicht darauf an, wie eine Sache ist; es kommt darauf an, wie sie wirkt.
Deutschlands Schicksal: Vor den Schaltern zu stehen – Deutschlands Ideal: Hinter dem Schalter zu sitzen.
Eifersucht macht kritisch.