Kurt Tucholsky Zitate
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Der durchschnittliche städtische Mitteleuropäer befindet sich fast immer im Vorstadium der Neurose.
Den Deutschen muß man verstehen, um ihn zu lieben; den Franzosen muß man lieben, um ihn zu verstehen.
Wohltaten, Mensch, sind nichts als Dampf. Hol dir dein Recht im Klassenkampf -!
Was einer recht auffällig ins Schaufenster legt, das führt er gar nicht.
Man kann doch nicht, in keiner Form, paktieren – es ist gar keine Sache des Charakters, es ist eine Sache des Seins.
Man kann den Hintern schminken wie man will, es wird kein ordentliches Gesicht daraus.
Ein Haufen von verhetzten, irregeleiteten, mäßig gebildeten, versoffenen und farbentragenden jungen Deutschen.
Uns haben sie, glaub ich, falsch geboren.
Nie ist ein Gegenstand so leibhaftig da, wie der, der nicht mehr da ist.
Die Zentrale ist eine Kleinigkeit unfehlbarer als der Papst, sieht aber lange nicht so gut aus.
Der Pessimist: Ich werde also eines Tages sterben. Natürlich – das kann ja auch nur mir passieren.
Frauen sind die Holzwolle der Glaskiste des Lebens.
Politik kann man in diesem Lande definieren als die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung. Die Politik war bei uns eine Sache des Sitzfleisches, nicht des Geistes.
Nähme man den Zeitungen ihren Fettdruck, um wieviel stiller wäre es auf der Welt.
Der Zustand der gesamten menschlichen Moral läßt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Wir sollten, aber wir tun nicht.
Einem Menschen, den man nicht kennt, traut man schnell das Böse zu, schneller als das Gute.
Es gibt zwei Sorten von Berlinern: die Ham-Se-kein-Jrößern?-Berliner und die Na-faabelhaft-Berliner. Die zweite Garnitur ist unangenehmer.
Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg.
Sie schläft mit ihm ist ein gutes Wort. Im Schlaf fließt das Dunkle zusammen. Zwei sind keins.
Schön ist nur, was niemals dein. Es ist heiter zu reisen, und schrecklich zu sein.
Der geschickte Journalist hat eine Waffe: das Totschweigen – und von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.
Wer in einem blühenden Frauenkörper das Skelett zu sehen vermag, ist ein Philosoph.
Es ist ein so beruhigendes Gefühl. Man tut etwas für die Revolution, aber man weiß ganz genau mit dieser Partei kommt sie nicht.
Aber das Buch ist nicht geschrieben, damit es besprochen, sondern damit es gelesen wird.
Solche Pleite erkennt man daran, daß die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr.
In Berlin sehen – alle guten Einzelleistungen zugegeben – die Varietés oft genug wie die Kaffeepausen eines Kriegervereins aus.
Die Deutschen haben zwar nicht das Pulver erfunden, wohl aber die Philosophie des Pulvers.
Einer hackt Holz und dreiunddreißig stehen herum. Die bilden die Zentrale.
Was darf die Satire? Alles.
Man soll Frauen keine Witze erzählen. Man muß sie ihnen immer erklären und dann sind sie enttäuscht.
Ich hielte einen solchen Krieg, dessen Ausgang nicht gewiß sein dürfte, für eine Katastrophe der internationalen Arbeiterbewegung; tritt dergleichen ein, so ist mir keinen Augenblick zweifelhaft, wer der Schuldige ist.
Von Stund an, wo sie dich pudern, bis zum gemieteten Grab spielt sich alles und alles und alles unter zweihundert Menschen ab.
Missionare müssen indianisch lernen, mit lateinisch bekehrt man keine Indianer.
Die Nation ist der Abfalleimer aller Gefühle, die man anderswo nicht unterbringen kann.
Die Vergottung der Institution und ihrer Spielregeln ist etwas unsagbar Widerwärtiges.
Der Kleinbürger hat drei echte Leidenschaften: Bier, Klatsch und Antisemitismus.
Schade, daß man einen Wein nicht streicheln kann.
Das Soldatenelend und mit ihm das Elend aller „Untergebenen“ in Deutschland – war keine Angelegenheit der politischen Überzeugung: es war eine der mangelnden Kultur.
Die Riviera liegt da und sieht aus.
Der Leser hat’s gut: Er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.
Dieses Land hat Herren und Kerls. Männer hat es nicht.
Emigranten. In Paris gibt es viele davon. Bei allem Mitgefühl: sie sind fast immer von einer leisen Komik umwittert… alle sitzen hier und waren, daß ihr gesetzwidriges, akutes, momentanes Regime nun aber ganz bestimmt zusammenbreche. Es bricht aber nicht.
Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele.
Der Geist ist in Deutschland immer die letzte Rettung nach den Niederlagen.
Der Aktionär hat zweierlei wichtige Rechte: er ist der, wo das Geld gibt, und er darf bei der Generalversammlung in die Opposition geh’n und etwas zu Protokoll geben, woraus sich der Vorstand einen sogenannten Sonnabend macht.
Recht kann man nur in bedrohten Lagen erkennen; wenn es da nicht gilt, taugt es nichts. Im Alltag, wo nichts vor sich geht, kann jeder ein Rechtsbewahrer sein.
Soldaten sind Mörder.
Und nichts ist schlimmer, als ein Buch anzufangen und es dann nicht mehr zu Ende lesen zu können.
Der Mensch ist nicht so böse, wie man manchmal denken sollte. Aber er wird nie so gut werden wie Idealisten sich das denken.
Schreiben ist, wie mir scheint, Kraftüberschuß.