Karl Kraus Zitate
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Solange es innere Deckung gibt, können einem die Verluste des äußeren Lebens nichts anhaben.
Als es noch keine Menschenrechte gab, hatte sie der Vorzugsmensch. Das war inhuman. Dann wurde die Gleicheit hergestellt, indem man dem Vorzugsmenschen die Menschenrechte aberkannte.
Moderne Architektur ist das aus der richtigen Erkenntnis einer fehlenden Notwendigkeit erschaffene Überflüssige.
Eine Kultur ist dann fertig, wenn sie ihre Phrasen noch in einem Zustand mitschleppt, wo sie deren Inhalt schon erlebt.
Man sollte die Wohltätigkeit aus Weltanschauung bekämpfen, nicht aus Geiz.
Wer kein Geschäft mit dem Leben machen will, zeige an, daß er seinen Bestand an Bekanntschaften zu reduzieren beabsichtigt und seine Erfahrungen unter dem Einkaufspreis abgibt.
Der Satire Vorstellungen machen, heißt die Verdienste des Holzes gegen die Rücksichtslosigkeit des Feuers ins Treffen führen.
Einst hatte ein Schuster ein persönliches Verhältnis zu seinen Stiefeln; heute hat der Dichter keines zu seinen Erlebnissen.
Der Mensch denkt, aber der Nebenmensch lenkt. Er denkt nicht einmal so viel, daß er sich denken könnte, daß ein anderer denken könnte.
Ein ganzer Kerl ist einer, der die Lumpereien nie begehen wird, die man ihm zutraut. Ein halber, dem man die Lumpereien nie zugetraut hat, die er begeht.
Ein Pessimist ist ein Mensch, der das Schlimmste erhofft und auf das Beste gefaßt ist.
Das Wort „Familienbande“ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.
Ich habe viele Jahre damit verbracht, den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen.
Weibeslust liegt neben der männlichen wie ein Epos neben einem Epigramm.
In allen Gebieten sozialer und kultureller Erneuerung gewahren wir diesen Aufbruch der Phrase zur Tat.
Ist der „Masochismus“ die Unfähigkeit, anders als im Schmerz zu genießen, oder die Fähigkeit, aus Schmerzen Genuß zu ziehen?
Schein hat mehr Buchstaben als Sein.
Preußen: Freizügigkeit mit Maulkorb. Österreich: Isolierzelle in der man schreien darf.
Das Weib nimmt einen für alle, der Mann alle für eine. Der Mann bildet sich ein, dass er das Weib ausfülle. Aber er ist nur ein Lückenbüßer.
Jeder Erotiker schafft das Weib immer wieder aus der Rippe eines Menschen.
Unter Dankbarkeit versteht man gemeinhin die Bereitwilligkeit, lebenslänglich Salbe aufzuschmieren, weil man einmal Läuse gehabt hat.
Zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.
Sozialpolitik ist der verzweifelte Entschluß, an einem Krebskranken eine Hühneraugenoperation vorzunehmen.
Ich habe es bisher nicht über den Ruhm hinausgebracht, in engeren Kreisen mißliebig geworden zu sein.
Die Medizin: Geld her und Leben!
Das Vollweib betrügt, um zu genießen. Das andere genießt, um zu betrügen.
Der Gedanke ist das, was einer Banalität zum Gedanken fehlt.
Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.
Die Frauen sind die besten, mit denen man am wenigsten spricht.
Eine Schreibmaschine hatte einen Schriftsteller, aber sie kam nicht auf die Gestehungskosten.
Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.
Die skurrilste Form, in der sich die Menschenwürde auftut: das empörte Gesicht eines Kellners, dem man geklopft hat, nachdem man vergebens gerufen hat.
Die Moralheuchler sind nicht darum hassenswert, weil sie anders tun, als sie bekennen, sondern weil sie anders bekennen, als sie tun.
Ich habe um mancher guten Entschuldigung willen gesündigt; darum wird mir verziehen werden.
Wenn dir etwas gestohlen wurde, geh nicht zur Polizei, die das nicht interessiert, und nicht zum Psychologen, den daran nur das eine interessiert, daß eigentlich du etwas gestohlen hast.
Die Menschheit stempelt seit Jahrhunderten die Ausübung der Weiberrechte zur Schande. Jetzt muss sie sich die Ausübung der Frauenrechte gefallen lassen.
Der Künstler soll mehr erleben? Er erlebt mehr!
Menschen, Menschen san mer alle – ist keine Entschuldigung, sondern eine Anmaßung.
Die Männer dieser Zeit lassen sich in zwei deutlich unterscheidbare Gruppen einteilen: die Kragenschoner und die Hosenträger.
Die deutsche Sprache ist die tiefste, die deutsche Rede die seichteste.
Die Moral ist ein Einbruchswerkzeug, welches den Vorteil hat, daß es nie am Tatort zurückgelassen wird.
Bildung ist eine Krücke, mit der der Lahme den Gesunden schlägt, um zu zeigen, daß er auch bei Kräften sei.
Um Verwechslungen vorzubeugen, unterscheidet der Wiener „ißt“ und „is“.
Modernes Symbol: Der Tod mit der Huppe.
Vaterland ist die Summe von Landschaft und Menschentum, von der wir durch Geburt oder Gewöhnung umgeben sind…
Mein Unterbewußtes kennt sich im Bewußtsein eines Psychologen weit besser aus als dessen Bewußtsein in meinem Unterbewußtsein.
Wo man Fremdwörter vermeiden kann, soll man’s bekanntlich tun. Da hört man immer von „Psychoanalytikern“. Als ich einmal einen auch zu sehen bekam, fiel mir sofort die glückliche Verdeutschung „Seelenschlieferl“ ein.
Wenn man einem deutschen Autor nachsagt, er sei bei den Franzosen in die Schule gegangen, so ist es erst dann dann höchste Lob, wenn es nicht wahr ist.
Eine Satire, die der Zensor versteht, wird mit Recht verboten.
Den Inhalt einer Frau erfaßt man bald. Aber bis man zur Oberfläche vordringt!