Karl Kraus Zitate
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Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.
Von meiner Stadt verlange ich: Strom, Wasser und Kanalisation. Was die Kultur anbelangt, die besitze ich bereits.
Solange das Geschlecht des Mannes der Minuend ist und das Geschlecht des Weibes der Subtrahent, geht die Rechnung übel aus: die Welt ist minus unendlich.
Moral ist die Tendenz, das Bad mit dem Kinde auszuschütten.
Kindspech ist eben das, womit man auf die Welt kommt.
Pedanterie ist ein Zustand, an dem sich entweder der Mangel entschädigt oder die Fülle beruhigt. Wie Perversität ein Plus oder ein Minus ist.
Nichts da, ich bin kein Raunzer; mein Haß gegen diese Stadt ist nicht verirrte Liebe, sondern ich habe eine völlig neue Art gefunden, sie unerträglich zu finden.
Nervenpathologie: Wenn einem nichts fehlt, so heilt man ihn am besten von diesem Zustand, indem man ihm sagt, welche Krankheit er hat.
Ich möchte mein Dasein von ihrem Dabeisein sondern.
Der Unterschied zwischen der alten und der neuen Seelenkunde ist der, daß die alte über jede Abweichung von der Norm sittlich entrüstet war und die neue der Minderwertigkeit zu einem Standesbewußtsein verholfen hat.
Im Wörterbuch steht, daß „Aphrodite“ entweder die Göttin der Liebe oder ein Wurm bedeutet.
Der Nationalismus ist ein Sprudel, in dem jeder andere Gedanke versintert.
Es gibt mehr Dinge zwischen Quinta und Sexta, als eure Schulweisheit sich träumen läßt.
Wo weder zum Weinen Kraft ist noch zum Lachen, lächelt der Humor unter Tränen.
Es beweist immerhin eine gesunde Konstitution, wenn sich unter der Einwirkung der Strahlen einer Persönlichkeit die Weltanschauung zu schälen beginnt.
Wenn ein Künstler Konzessionen macht, so erreicht er nicht mehr als der Reisende, der sich im Ausland durch gebrochenes Deutsch verständlich zu machen sucht.
Die menschlichen Einrichtungen müssen erst so vollkommen werden, dass wir ungestört darüber nachdenken können, wie unvollkommen die göttlichen sind.
Wenn schon etwas geglaubt werden soll, was man nicht sieht, so würde ich immerhin die Wunder den Bazillen vorziehen.
Kunst ist etwas, was so klar ist, daß es niemand versteht.
Es ist ganz ausgeschlossen, daß, wie die Dinge heute liegen, ein wiederkehrender Goethe nicht wegen unerlaubter Reversion ausgewiesen würde.
Der eine schreibt, weil er sieht, der andere, weil er hört.
Meine Sprache ist die Allerweltshure, die ich zur Jungfrau mache.
Schmerzlichstes Abbild der Zivilisation: ein Löwe, der die Gefangenschaft gewohnt war und, der Wildnis zurückgegeben, dort auf und ab geht wie vor Gitterstäben.
Aber ein so besonderes Vergnügen ist die Enthaltung vom Weibe auch nicht, das muß ich schon sagen!
Zu seiner Belehrung sollte ein Schriftsteller mehr leben als lesen.
Manche Talente bewahren ihre Frühreife bis ins späte Alter.
Einer, der mir Erinnerungen zu erzählen anfing, hatte dabei eine Stimme, die knarrte wie das Tor der Vergangenheit.
Ein Sittlichkeitsprozess ist die zielbewusste Entwicklung einer individuellen zur allgemeinen Unsittlichkeit, von deren düsterem Grunde sich die erwiesene Schuld des Angeklagten leuchtend abhebt.
Ein Agitator ergreift das Wort. Der Künstler wird vom Wort ergriffen.
Ich habe Gottseidank eine gesunde geistige Verdauung. Aber wenn sich meine Verdauungsprodukte selbständig machen wollen, dann wehe ihnen!
Die Huren auf der Straße benehmen sich so schlecht, dass man daraus auf das Benehmen der Bürger im Hause schließen kann.
Wie rächen sich die Zwerge An den Riesen? Sie machen sich über die Berge Oder Psychoanalysen.
Ein Liebesverhältnis, das nicht ohne Folgen blieb. Er schenkte der Welt ein Werk.
Die Finnen sagen: Ohne uns gäb’s keinen Schinken! Die Journalisten sagen: Ohne uns gäb’s keine Kultur! Die Maden sagen: Ohne uns gäb’s keinen Leichnam!
Die wahre Treue gibt eher einen Freund preis als einen Feind.
Der Ästhet verhält sich zur Schönheit wie der Pornograph zur Liebe und wie der Politiker zum Leben.
Nach Ägypten wär’s nicht so weit. Aber bis man zum Südbahnhof kommt.
Die Zeitungen haben früher das Niveau ihrer Journalisten gehabt und haben jetzt das ihrer Leser.
Der gesunde Menschenverstand sagt, daß er mit einem Künstler bis zu einem bestimmten Punkt „noch mitgeht“. Der Künstler sollte auch bis dort die Begleitung ablehnen.
Die Dorfbarbiere haben einen Apfel, den stecken sie allen Bauern ins Maul, wenn’s ans Barbieren geht. Die Zeitungen haben das Feuilleton.
Wenn die Sinne der Frau schweigen, verlangt sie den Mann im Mond.
Die grausamsten Schändungen werden doch an der Sprache begangen.
Ungerechtigkeit muß sein; sonst kommt man zu keinem Ende.
Man soll nicht unbedingt mehr lernen, als man unbedingt gegen das Leben braucht.
Ich lehne es ab, in der Musik aufzugehen. Die es ist, muß in mir aufgehen.
Was es bedeute, hat einer gefragt, und was für Leute man heute so nennt. Man nennt, versetzt ich, prominent, die einst nicht hätten hervorgeragt.
Mit den Rechnerinnen der Liebe kommt man schwer zum Resultat. Sie fürchten entweder, daß eins und eins null gibt, oder hoffen, daß es drei geben wird.
Es ist nicht wahr, daß man ohne eine Frau nicht leben kann. Man kann bloß ohne eine Frau nicht gelebt haben.
Wenn nur einer da ist, der die Presse nicht totschweigt – das weitere wird sich finden.
Die Menschheit wirtschaftet drauf los; sie braucht ihr geistiges Kapital für ihre Erfindungen auf und behält nichts für deren Betrieb.