Karl Kraus Zitate
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Euer Bewußtes dürfte mit meinem Unterbewußten nicht viel anfangen können. Aber auf mein Unterbewußtes vertraue ich blind. Es wird mit eurem Bewußten schon fertig.
Die halbe Zeit vergeht im Widerstand, die halbe mit dem Ärger.
Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigsten keine Unannehmlichkeiten mit der Polizei.
Das Sexuelle ist bloß die Subtraktion zweier Kräfte. Der Voyeur addiert drei.
„Das Leben geht weiter“. Als es erlaubt ist.
Schönheit vergeht, weil Tugend besteht.
Er wollte seine Geliebte zur Freiheit verurteilen. Das lassen sie sich schon gar nicht gefallen.
Er hatte so eine Art, sich in den Hintergrund zu drängen, daß es allgemein Ärgernis erregte.
Die Welt will, daß man ihr verantwortlich sei, nicht sich.
Eigene Gedanken müssen nicht immer neu sein. Aber wer einen neuen Gedanken hat, kann ihn leicht von einem anderen haben.
Das älteste Wort sei fremd in der Nähe, neugeboren und manche Zweifel, ob es lebe. Dann lebt es. Man hört das Herz der Sprache klopfen.
Der Philister hält es mit Recht für einen Mangel, wenn man „von sich eingenommen“ ist.
Die Undankbarkeit steht oft in keinem Verhältnis zur empfangenen Wohltat.
Es ist eine Erbsünde der Liberalen, daß sie in einer entscheidenden Frage anstatt tüchtiger Losgeher seichte Provocateure ins Treffen schicken.
Die Leute verstehen nicht deutsch; und auf journalistisch kann ich’s ihnen nicht sagen.
Dieser Autor ist so tief, daß ich als Leser lange gebraucht habe, um ihm auf die Oberfläche zu kommen.
Psychologie ist so müßig wie die Gebrauchsanweisung für Gift.
Der Mann hat fünf Sinne, das Weib bloß einen.
Sei es Manufaktur, sei es Literatur, Juristerei oder Musik, Medizin oder Bühne: vor der Allgewalt des Kommis gibt es in der Welt des heiligen Geistes kein Entrinnen.
Ich kenne eine Sorte sentimentaler Schriftsteller, die platt ist und stinkt. Wanzen aus Heines Matratzengruft.
Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Maschine zu retten. Das ist, sie zu beschützen. Nur mit dem Auto kommt man zu sich.
Schwarz auf weiß: so hat man jetzt die Lüge.
In Lourdes kann man geheilt werden. Welcher Zauber sollte aber von einem Nervenspezialisten ausgehen?
Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet.
Ein Original, dessen Nachahmer besser sind, ist keines.
Wie? die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können?
Gute Aussichten allein sind wertlos, es kommt immer darauf an, wer sie hat.
Die Demokratie teilt die Menschen in Arbeiter und Faulenzer. Für solche, die keine Zeit zur Arbeit haben, ist sie nicht eingerichtet.
Was ist ein Historiker? Einer, der zu schlecht schreibt, um an einem Tagesblatt mitarbeiten zu können.
Einer zitierte gern Jean Pauls Wort, daß jeder Fachmann in seinem Fach ein Esel sei. Er war nämlich in allen Fächern zuhause.
Erröten, Herzklopfen, ein schlechtes Gewissen – das kommt davon, wenn man nicht gesündigt hat.
Der Gedanke ist ein Kind der Liebe. Die Meinung ist in der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt.
Der Psychoanalytiker ist ein Beichtvater, den es gelüstet, auch die Sünden der Väter abzuhören.
Die verkommenste Existenz ist die eines Menschen, der nicht die Berechtigung hat, ein Schandfleck seiner Familie und ein Auswurf der Gesellschaft zu sein.
Wer sich darauf verlegt, Präfixe zu töten, dem gehts nicht um die Wurzel. Wer weisen will, beweist nicht; wer kündet, hat nichts zu verkünden.
Aussprechen, was ist – ein niedriger Heroismus. Nicht daß es ist, sondern daß es möglich ist: darauf kommt es an. Aussprechen, was möglich ist!
Der Mann hat den Wildstrom weiblicher Sinnlichkeit kanalisiert. Nun überschwemmt er nicht mehr das Land. Aber er befruchtet es auch nicht mehr.
Was einen foltert, sind verlorene Möglichkeiten. Einer Unmöglichkeit sicher zu sein, ist Gewinn.
Philosophie ist oft nicht mehr als der Mut, in einen Irrgarten einzutreten. Wer aber dann auch die Eingangspforte vergißt, kann leicht in den Ruf eines selbständigen Denkers kommen.
Das Feigenblatt des Neides ist sittliche Entrüstung.
Ruhm ist, wenn man sonst nichts davon hat.
Was nützt das Tempo, wenn unterwegs das Gehirn ausgeronnen ist?
Verschiedentlich hat man den Eindruck, daß manche Ärzte des Fachgebietes Psychiatrie schon durch ihr Aussehen dem psychiatrischen Patienten eine gewisse „Gesprächsangst“ nehmen wollen.
Wenn Sie klüger werden wollen, dann lauschen sie Mozart.
Die Schriftgelehrten können noch immer nur von rechts nach links lesen: sie sehen das Leben als Nebel.
Wo wir starren, zwinkert die Moral.
Der schöpferische Mensch sieht Helenen in jedem Weibe. Er hat aber die Rechnung ohne den Analytiker gemacht, der ihn erst darüber aufklärt, was er eigentlich in Helenen zu sehen habe.
Wie ich das Aussehen unserer Themis finde? Mir scheint, als ob sie sich verändert hätt‘. Sie hat vor den Augen keine Binde, doch vor der Stirn ein Brett.
Die einen verführen und lassen sitzen; die anderen heiraten und lassen liegen. Diese sind die Gewissenloseren.
Ob sündig oder sittenrein? Ob lebend oder schon begraben? Sonst teilt ihr sie doch in Gefallene ein Und solche, die nicht gefallen haben.