Joseph Joubert Zitate
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Jede Naivität läuft Gefahr, lächerlich zu werden, verdient es aber nicht, denn es liegt in jeder Naivität ein unreflektiertes Vertrauen und ein Zeichen von Unschuld.
Wie die Lerche möchte ich weit schweifen und hoch über meinem Nest.
Suchen wir unser Licht in unseren Gefühlen! In ihnen liegt eine Wärme, die viel Klarheit in sich schließt.
Religion ist die einzige Philosophie, die das Durchschnittshirn verstehen und annehmen kann.
Gedanken, die uns kommen, sind besser als solche, die wir uns machen.
Schwäche, die bewahrt, ist besser als Stärke, die zerstört
Der Geist ist die Athmosphäre der Seele.
Es gibt heute keine unversöhnlichen Feindschaften mehr, weil es keine Gefühle ohne Hintergedanken mehr gibt: das ist etwas Gutes, das von etwas Schlechtem stammt.
Es gehört nur ein wenig Mut dazu, nicht das zu tun, was alle tun.
Die Wahrheit gleicht dem Himmel und die Meinung den Wolken.
Jeder Geist hat seinen Bodensatz.
Zwischen Völkern, die sich lange bekriegt haben, bilden sich echte Bündnisse. Der Krieg ist eine Art Handel, die diejenigen vereinigt, die er entzweit.
Man darf trauern über den Glauben eines anderen, aber niemals darf man ihn verlachen.
Man glaubte früher, daß die Gerechtigkeit nicht aus dem Gesetz kommen sollte, sondern das Gesetz aus der Gerechtigkeit.
Nicht mit Wahrem und Falschem sollen wir uns vor allem beschäftigen, sondern mit dem Bösen und Guten, denn man muß den Irrtum weniger fürchten als das Böse.
Es ist, als ob die Völker die Gefahren liebten, weil sie sich solche schaffen, wenn es keine gibt.
Es ist besser, sich beliebt zu machen, als sich wichtig zu machen.
Düfte sind wie die Seele der Blumen, man kann sie fühlen, selbst im Reich der Schatten.
Der Raum ist dem Ort, was die Ewigkeit der Zeit ist.
Das Leben ist ein Land, das die Greise gesehen und bewohnt haben. Wer es durchwandern will, kann nur sie um den Weg fragen.
Man ist nicht schuldlos, wenn man sich selbst schadet.
Herzensgüte bedeutet zum Teil, die Menschen mehr zu lieben, als sie wert sind.
Mein Gott! Wenn ich Böses tue, dulde nicht, daß ich mit mir selbst zufrieden bin!
Schulden verkürzen das Leben.
Gott ist so groß und unbeschränkt, daß man ihn teilen muß, um ihn zu begreifen.
Lieber Schweißperlen als gar keinen Schmuck.
Abwesenheit muß man durch Erinnerung ergänzen. Das Gedächtnis ist der Spiegel, in dem wir die Abwesenden erblicken.
Zeichnen ist Sprache für die Augen, Sprache ist Malerei für das Ohr.
Die Hoffnung ist eine Anleihe auf das Glück.
Der Teil meines Gehirns, welcher zur Aufnahme nicht klarer Begriffe bestimmt ist, ist sehr beschränkt.
Die Ueberzeugten überzeugen, gleichwie die Nachsichtsvollen entwaffnen.
Man darf zu den Menschen von der Zerstörung nur sprechen, um sie an die Dauer zu erinnern, vom Tode nur, um sie auf das Leben zu verweisen, denn der Tod strömt zum Leben, und die Zerstörung stürzt sich in die Dauer.
In manchen Schriften und Stilarten stehen die Wörter, um gezählt zu werden. In anderen sollen sie nach Haufen, Gewicht und sozusagen in Säcken genommen werden.
Wehe dem, der sich spät irrt! Er wird seinen Irrtum nie einsehen.
An Neuerungen ist nur Das gut, was Entwickelung, Zunahme und Vollendung ist.
Die Zärtlichkeit ist das Ruhen der Leidenschaft.
In der Vergeistigung der Ideen ganz besonders besteht die Poesie.
Frömmigkeit ist eine erhabene Weisheit, welche alle anderen übertrifft, eine Art besonderer Begabung, die den Geist beflügelt.
Lieblose Kritik verwirrt den Geschmack und vergiftet den Genuß.
Die Leidenschaften sind nur Natur, aber Nicht-Bereuen ist Verdorbenheit.
Es gibt Akte der Gerechtigkeit, welche die sie Ausübenden verderben.
Wie viele Schultern ohne Kraft haben sich schwere Lasten aufbürden wollen.
Die Anmut ahmt die Schamhaftigkeit nach wie Höflichkeit die Güte.
Man erkennt Gott leicht, wenn man sich nicht abmüht, ihn zu definieren. Man erkennt Gott durch die Frömmigkeit, die einzige Beschaffenheit unserer Seele, durch die er unserer Fassungskraft erreichbar wird.
Es ist erschreckend, aber es kann wahr sein: die Greise lieben es, zu überleben.
Klarheit ist so sicher eines der Attribute der Wahrheit, daß sie oft selbst für die Wahrheit gehalten wird.
Manche Leute unterhalten in ihren Köpfen Fremdenzimmer für die Meinungen anderer Menschen.
Wer mit Muße studiert, weiß, daß er alt wird, fühlt es aber nicht; er ist immer gleichmäßig für seine Studien tauglich.
Alle Leidenschaften suchen ihre Nahrung, die Furcht liebt den Gedanken an Gefahr.
Der Geist empfängt mit Schmerzen, aber er gebiert mit Entzücken.