Johann Wolfgang von Goethe Zitate
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Es bleibt wahr: das Märchen von Christus ist Ursache, daß die Welt noch 10000 Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstand kommt, weil es ebenso viel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffs braucht, um es zu verteidigen als es zu bestreiten.

Ruhig und vernünftig zu betrachten, ist zu keiner Zeit schädlich, und indem wir uns gewöhnen, über die Vorzüge anderer zu denken, stellen sich die unsern unvermerkt selbst an ihren Platz, und jede falsche Tätigkeit, wozu uns die Phantasie lockt, wird alsdann gern von uns aufgegeben.

Wo ich nicht klar sehen, nicht mit Bestimmtheit wirken kann, da ist ein Kreis, für den ich nicht berufen bin.

Die Redekunst ist angewiesen auf alle Vorteile der Poesie, auf alle ihre Rechte; sie bemächtigt sich derselben und missbraucht sie, um gewisse äußere, sittliche oder unsittliche, augenblickliche Vorteile im bürgerlichen Leben zu erreichen.

Aus den frühern Zeiten deutscher Literatur ward manches Einzelne erfreulich hervorgerufen, niemals aber drang die Unterhaltung in einen tieferen Zusammenhang, weil man Merkmale ungleicher Gesinnung vermeiden wollte.

Oh, du Beste! Wer kann der Liebe vorschreiben? Dem einfachsten und dem grilligsten Dinge in der grillenhaften Zusammensetzung, die man Mensch nennt.

Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer Würde vergeben, bedauern, verachten konnten?

Das Christentum steht mit dem Judentum in einem weit stärkeren Gegensatz als mit dem Heidentum.

Die Menschen fürchtet nur, wer sie nicht kennt, und wer sie meidet, wird sie bald verkennen.

Alles Lyrische muß im Ganzen sehr vernünftig, im Einzelnen ein bißchen unvernünftig sein.

Rosen, ihr blendenden, Balsam versendenden! Flatternde, schwebende, Heimlich belebende, Zweiglein beflügelte, Knospen entsiegelte, Eilet zu blühn!

Der Wissenschaftler muss durch sein Handeln immer wieder kund tun, dass er zum humanen Teil der Menschheit gehört.

Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken, Das nicht die Vorwelt schon gedacht?

Völlig fremde und gegeneinander gleichgültige Menschen, wenn sie eine Zeitlang zusammenleben, kehren ihr Inneres wechselseitig heraus, und es muss eine gewisse Vertraulichkeit entstehen.

Die Geistesaugen haben mit den Augen des Leibes in stetem lebendigem Bunde zu wirken.

Alles, was unseren Geist befreit, ohne uns die Herrschaft über uns selbst zu geben, ist verderblich.

Man muß immerfort verändern, erneuern, verjüngen, um nicht zu verstocken.

Unbekannt mit der nächsten Umgebung, lebt die Jugend immerfort entweder zu sehr mit sich selbst beschäftigt oder mit Gedanken und Bestrebungen in die Ferne gerichtet, nur die Folgezeit klärt uns über die vergangene Gegenwart auf.

Es ist nie daran zu denken, daß die Vernunft populär werde. Leidenschaften und Gefühle mögen populär werden, aber die Vernunft wird immer nur im Besitze einzelner Vorzüglicher sein.

Der Vogel ist froh in der Luft gemütet, wenn es da unten im Neste brütet.

Man wird aus einem Dichter nie etwas anderes machen, als was die Natur in ihn gelegt hat. Wollt ihr ihn zwingen, ein anderer zu sein, so werdet ihr ihn vernichten.

Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will, Bedarf der höchsten Kunst: Magie der Weisen.

Dem Schicksal ist es, nicht den Göttern, zu schenken das Leben und zu nehmen.

Wenn der schwer Gedrückte klagt: Hülfe, Hoffnung sei versagt, Bleibet heilsam fort und fort Immer noch ein freundlich Wort.

Man mag so gern das Leben aus dem Tode betrachten, und zwar nicht von der Nachtseite, sondern von der ewigen Tagseite her, wo der Tod immer vom Leben verschlungen wird.

Die Tat vereinigt eben Ursache und Wirkung. Da wir nun überall Taten sehen, so sehen wir nicht Ursache und Wirkung allein oder besonders, sondern nur ihre Summe, nicht die Faktoren, sondern das Fazit.

Mit wahrhaft Gleichgesinnten kann man sich auf die Länge nicht entzweien, man findet sich immer wieder einmal zusammen.

Jeder von uns hätte eines eigenen, abgeschlossenen Kreises für sich bedurft, in einer großen Stadt, zum Beispiel in Berlin, hätten wir ihn gefunden, während wir uns hier* durchkreuzten.

In welchen seligen Zustand versetzt uns die Treue! sie gibt dem vorübergehenden Menschenleben eine himmlische Gewißheit; sie macht das Hauptkapital unsers Reichtums aus.

Es ist wohl einzusehen, daß die Summe uns’rer Existenz, durch Vernunft dividiert, niemals rein aufgehe.

Das Wasser ist ein freundliches Element für den, der damit bekannt ist und es zu behandeln weiß.

Zum Ergreifen der Wahrheit braucht es ein viel höheres Organ als zur Verteidigung des Irrtums.

Das Wunderbarste ist dabei, daß das Beste unserer Überzeugungen nicht in Worte zu fassen ist. Die Sprache ist nicht auf alles eingerichtet und wir wissen oft nicht recht, ob wir endlich sehen, denken, erinnern, phantasieren oder glauben.

Alle Gesetze und Sittenregeln lassen sich auf eines zurückführen: Wahrheit!

Wie die Menschen gewöhnlich mehr sittliche Ungeheuer bewundern und anstaunen als wahrhaft sittliche, so auch mehr das extravagante Genie, das sich im Absurden gefällt, als das, was im Schönen verbleibt.

Man sagt immer, die Weiber schwätzten viel, und wenn die Männer anfangen, so hat’s gar kein Ende.