Jean Paul Zitate
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Eine Frau oder Geliebte lernt man in einer Stunde mit einer dritten Person besser kennen als mit sich in zwanzig.
Je mehr Vorzüge an einem Menschen anerkannt werden, desto mehr neue will er dazusetzen und dichten, aus Gefühl seiner Unvollendung.
Die Mädchen verstecken ihren Kummer leichter als ihre Freuden.
Kein Ideal darf aufgegeben werden, sonst erlischt das heilige Feuer des Lebens, und Gott stirbt ohne Auferstehung.
Man kann die feinsten Bemerkungen über den Menschen und über Individuen machen und doch von ihnen betrogen werden, d. h. sie nicht kennen.
Leider versagen die meisten nur darum so viel, weil sie entweder fürchten oder wünschen, nachher zu viel zu geben.
Wahre Manager haben für jedes Problem eine Lösung, richtige Juristen für jede Lösung ein Problem.
Die Augen der Menschen sind ihrem Herzen ähnlich.
Eine neue Rolle des Lebens spielt der Mensch am wärmsten und am besten; über unsern Antrittspredigten schwebt der Heilige Geist brütend mit Taubenflügeln – nur später liegen die Eier kalt.
Der bessere Mensch findet die Freude erst nach einer guten Tat am süßesten, das Osterfest nach einer Passionswoche.
Der Professor schreibt seine Lektionszettel flüchtig, weil er seine Unabhängigkeit von Studenten zeigen will.
Der Mensch wird wie der Stahl hart – durch öfteres Abkühlen nach Erhitzung.
In jeder Zeit ist Krieg, wenn nicht körperlicher, doch geistiger, und körperliche Siege fordern geistige heraus.
In phantasiereichen Menschen liegen, wie in heißen Ländern oder auf hohen Bergen, alle Extreme enger aneinander.
Erdbeschreibung, als bloßes Örter-Register, ist ohne Wert für die geistige Entwickelung.
Eine Frau kann einem die Achtung für ihr Geschlecht einflößen, aber mehrere auf einmal vermindern sie.
Einer kann stets sein Wort halten, seine Vorsätze ausführen und doch veränderlich sein; er führt nämlich nur die gesagten aus; aber in den gedachten ist er veränderlich; und niemand weiß es.
Es ist der Wahrheit nicht zuträglich, wenn ein großer Kopf mit einem dummen Gegner streitet. Da jener diesen für zu gering ansieht, so wird er ihm auch da nicht Recht lassen, wo er’s hat.
Zur Freundschaft gehört: daß wir einander gleichen, einander in einigem übertreffen, einander in einigem nicht erreichen.
Nonnen mager, Mönche fett, Beweis der weiblichen Mäßigkeit.
Nach Ähnlichkeit der schön polierten englischen Einlegmesser gibts auch Einleg-Kriegsschwerter oder – mit andern Worten – Friedensschlüsse.
Die Weiber lieben den ganzen Tag; den Männern fällt das verdrießlich, sie möchten es gern haben, daß jene gerade zur Stunde mit der Liebe da wären, wo sie sie haben.
Unsere zwecklose Tätigkeit, unsere Griffe nach Luft müssen höheren Wesen vorkommen wie das Fangen der Sterbenden nach dem Deckbette.
Jede gute Neigung wirkt stärker, wenn sie sich durch Tun, als wenn [sie] sich durch Meiden zeigen muß.
Zum Mitleiden gehört nur ein Mensch, zur Mitfreude ein Engel.
Das System, das ein großer Mann erfunden, können Kleine nicht verteidigen; auch zum letzteren gehört ein Großer.
Die Vernunft kann, wenn sie einer Leidenschaft oder Empfindung ihren Ungrund und ihre Narrheit noch so deutlich zeigt, sie doch nie aufheben, sondern höchstens schwächen.
Der Skeptiker liebt den Orthodoxen mehr als den Heterodoxen.
Ein Autor sollte unter die Schönheiten, die nur Kenner fühlen, immer solche mit mischen, die auch der schlechte Leser fühlt.
Der Mantel der Liebe bedecket alle Fehler.
Ein Dummer denkt, man kennt keine anderen Wege, ihn auszulisten, als seine.
Man läßt sich herunter zu denen, die man liebt, wenn sie klein sind, bis auf einen gewissen Grad, zu dem man sich nie aus Liebe gegen Größere herablassen würde, und Sokrates ritt wohl mit seinen Kindern, aber nicht mit Größern auf dem Steckenpferd.
Lasset das Unkraut der Verdrießlichkeit nicht wuchern, sondern reißet es aus – und säet es nie.
Die meisten Ehekriege kommen nicht davon, daß man die Wahrheit sagt, sondern daß man sie, unbekümmert um jede Zeit, sogleich sagt.
Es ist ein namenloses Gefühl, einen Freund lieben zu wollen aus Erinnerung und ihn fliehen zu müssen aus Ehre.
Es ärgert einen, wenn man ihm die zu lesende Zeitung voraussagt.
Oft hat weder die Majorität noch Minorität Recht, sondern eine dritte Partei, gegen welche die Minorität eine Majorität ist.
Außer der Gesundheit wird durchaus nichts häßlicher verschwendet als ihr Surrogat, die Zeit.
Der rechte Unglaube bezieht sich auf keine einzelnen Sätze und Gegensätze, sondern auf die Erblindung gegen das Ganze.
Nicht alle Menschen bedürfen notwendig des Wechsels der Moden (denn die Araber sind auch Menschen); aber wohl die Franzosen unter ihnen.
Wer hofft, hat schon gesiegt und siegt weiter.
Alle Mittel und Künste der Erziehung werden erst von dem Ideale oder Urbilde derselben bestimmt.
Schlechte Autoren sollte man vor, gute nach ihren Büchern kennenlernen, um jenen die Bücher zu vergeben, und diese den Büchern.
Ein verziehener Fehler bleibe ein vergessener! Aber in der Ehe stehen tausend begrabne Sünden, welche abgebüßt und abgeküßt worden, wieder lebendig auf.
Es ist nicht gut, wenn in die Geschichte eines Mannes – und heckte er täglich die neuen Einfälle zu Schocken – das Schicksal selber ein Wortspiel wie ein Nestei gelegt hat; auf diesem Ei sitzt und brütet er sein Leben lang und will etwas herausbringen.
Der Hundaffe, der Schwein- und der Löwenaffe, der Bärenpavian, die Meerkatze erinnern durch die Tierähnlichkeiten, die ihre Menschähnlichkeit durchziehen, an den physiologischen Satz, daß der Mensch Auszug und Gipfelblüte des Tierreichs sei.
Die Menschen hassen und merken in der Liebe leicht das Gefühl der Unabhängigkeit.
So sehr waren oft nur unsere Verhältnisse hart, indes unsere Herzen es geschienen.
Die bloße, nackte Wahrheit wird für die meisten Unwahrheit; durch ihr Kleid wird sie wahrer.
Tilgt Gott aus der Brust, so ist alles, was über und hinter der Erde liegt, nur eine wiederholende Vergrößerung derselben; das Überirdische wäre nur eine höhere Zahlenstufe des Mechanismus und folglich ein Irdisches.