Jean Paul Zitate
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Gäb es für das Herz nichts als den Augenblick, so dürftest du sagen: um mich und in mir ist alles leer; aber liegt da nicht die lange Vergangenheit hinter dir und wächst täglich, und die Zukunft steht vor dir, und deinen Winter umschließt ein Frühling und ein Herbst.
Er wässerte seine Gedanken fleißig.
Den heillosen Kipperinnen und Wipperinnen der Kindheit haben wir ebenso viele lahme Beine, als lahme Herzen zu verdanken, den – Mägden und Ammen. Ich wollte lieber, diese Unholdinnen erzöghen uns im zweiten Jahrzehnt, als im zweiten Jahr.
In der Ehe gibt’s keine größern Fehler als die wiederkommenden.
In Frauenzimmern wird man oft aus Langeweile verliebt – man weiß nichts anderes mit Ihnen anzufangen.
Um Genies in der Kindheit zu beobachten, müßte man erst wissen, wer eines wird; denn erst hinterher macht man spätere Erlebungen zu frühern Erfahrungen.
Auf echte Religion des Herzens führt uns alles leicht: der Sternenhimmel, das Abendrot, ja das Abendgeläute, jede Rührung, vielleicht Schmerz.
Die Geister brauchen Freiheit, aber keine Gleichheit.
Habt ihr recht erzogen: so kennt ihr euer Kind. Nie, nie hat eines je seiner rein- und rechterziehenden Mutter vergessen.
Zum Engel der letzten Stunde, den wir so hart den Tod nennen, wird uns der weichste, gütigste Engel zugeschickt, damit er gelinde und sanft das niedersinkende Herz des Menschen vom Leben abpflücke.
Die Natur bestraft alles, an den Besten auch die kleinsten Fehler und gerade diese am härtesten.
Möge der Engel des Glaubens zu dir kommen, wenn der Engel der Freude auf Minuten entfliegt.
Wie Deutsche Straßenraub außer Landes für erlaubt hielten, so Mord im Krieg 18/12; so überall; Fehler, die man sich nicht gegen seine Familie etc. und Anhänger erlaubt, verstattet man sich gegen Fremde.
Gehest du furchtsam und zart mit deinen Leiden um, so stechen sie heißer, wie Brennesseln, wenn man sie bloß leise berührt. Aber gleich ihnen verletzen sie wenig, wenn du sie herzhaft und derb handhabst.
Manche Dichter geraten unter dem Malen schlechter Charaktere oft so ins Nachahmen derselben hinein, wie Kinder, wenn sie träumen zu pissen, wirklich ihr Wasser lassen.
Man würde die Menschen leichter kennen, wenn man nicht jede Handlung als Folge von Grundsätzen ansähe; man hält zu selten eine für Kaprice, aus der nicht auf den Hauptcharakter zu schließen ist.
Feinheit des Ausdrucks ist verschieden von der Feinheit der Gesinnung.
Jeder Mensch hat seine Lieblingsausdrücke, das Schöne zu loben.
Schoppe wurde ohnehin von wenigen lange geliebt, weil wenige einen ganz freien Menschen erdulden.
Wenn man von gewissen Sekten etc. höret: glaubt man, sie wären unsinnig, so etwas zu glauben. Aber wenn man mit ihnen bekannt wird: findet man wenigstens Zusammenhang in ihren Irrtümern.
Man steigt den grünen Berg des Lebens hinauf, um oben auf dem Eisberge zu sterben.
Man denkt vom Verstand eines Menschen zu hoch, dessen Idiom man nur halb versteht.
Die eine Zeit braucht Männer, um zu entstehen, die andere, um zu bestehen; die unsrige hat sie zu beidem nötig.
Man kann vieles als so scharfe Axiomen sagen, wodurch durch ein Leben gehandelt worden und werden soll, wenns recht geht, und welche unmöglich gerade bei Anlaß des Gesprächs können erfunden sein und werden – und die es doch sind.
Wir schämen uns mehr vor uns selber, wenn wir uns einer Torheit, als eines Lasters erinnern.
Das Lob ist ein sanfter Ton, welcher zum Tragen unangemessener Lasten mehr stärkt, als die Drohung nur gewöhnliche aufbürden darf.
Alles veraltet am Menschen, nur das Herz nicht.
Mangel an Verschwiegenheit entsteht meistens aus Mangel an Redestoff.
Niemand wird in der Welt leichter betrogen – nicht einmal die Weiber und die Fürsten – als das Gewissen.
Je zarter und wärmer man liebt, desto mehr entdeckt man an sich statt der Reize nur Mängel, weil man des geliebten Gegenstandes nie würdig genug zu sein glaubt.
Einmal muß jeder Ehemann in den Topf gucken, um zu wissen, ob er’s nachher unterlassen darf.
Steh deinem Freund mit deinem Rat zur Seite, so gut du kannst, auch wenn er dir nicht glauben will. Du aber bist dazu verpflichtet ihm guten Rat zu erteilen.
Wo es so aussieht als wäre nichts zu tun, ist bereits alles getan worden.
Stille Unterordnung unter Willkür schwächt, stille unter Notwendigkeit stärkt – seid denn eine Notwendigkeit!
Dem Traume sind wir mehr Geschöpfe als Schöpfer; das Leben wird uns gereicht, aber wir ordnen es nicht, sondern wir unterordnen uns ihm.
Mathematik und Philosophie: Die Philosophie übt den Geist für alle anderen Verhältnisse, wo Scharfsinn nötig ist. Daher kann der Philosoph noch etwas anderes verstehen und treiben, aber Mathematiker nicht.
Ein berühmter Autor sollte auch Sätze, die andere gesagt, wiederholen, um der Wahrheit sein Gewicht hinzuzutun.
Krankheiten nützen nicht nur dem Doktor, sondern auch der Seele.
Du liebes Bayreuth, auf einem so schön gearbeiteten, so grün angestrichenen Präsentierteller von Gegend einem dargeboten – man sollte sich einbohren in dich, um nimmer heraus zu können.
Großen Seelen ziehen die Schmerzen nach, wie den Bergen die Gewitter; aber an ihnen brechen sich auch die Wetter, und sie werden die Wetterscheide der Ebene unter ihnen.
Das Leben, besonders das sittliche, hat Flug, dann Sprung, dann Schritt, endlich Stand; jedes Jahr läßt sich der Mensch weniger bekehren, und einem bösen Sechziger dient weniger ein Missionär als ein Autodafé.
Eine einzige Selbstüberwindung stärkt mehr als 20 Gefühle und 200000 Predigten.
Wer Rügen und Strafen mit einem Gefühle austeilt, als bekomme er sie selber, der kann seiner Gerechtigkeit versichert sein.
Jeder hat eine andre Art, das Geld zu zählen; der eine nach 4, der andre nach 5 Groschen.
Jeder bewundert den Mut des andern und findet seine Freiheit edel; treffen beide ihn, dann erregen sie seinen Zorn.
Jahre und Geschäfte, juristische vollends, ach das Leben selber ziehen den Menschen immer weiter herab, anfangs aus dem Äther in die Luft, dann aus der Luft auf die Erde.
Gegen der Erde Leid gibt es keinen andern Trost, als den Sternenhimmel.
Habt Mitleiden mit der Armut, aber noch hundertmal mehr mit der Verarmung! Nur jene, nicht diese macht Völker und Individuen besser.
Man hört immer von Leuten, die vor lauter Liebe den Verstand verloren haben; aber es gibt auch viele, die vor lauter Verstand das Herz verloren haben.
Einen traurigen Mann erduld‘ ich, aber kein trauriges Kind.