Jean Paul Zitate
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Die Lüge, der fressende Lippenkrebs des inneren Menschen, wird vom Gefühl der Völker schärfer gerichtet und bestimmt als von den Philosophen.
Warte niemals auf außerordentliche Lagen zum Gutsein, denn die alltäglichste ist die verdienstlichste dazu.
Jeder Freund hält es für den größten Genuß, dem andern die Wahrheit zu sagen – am Hören findet keiner einen sonderlichen.
Wenn Seneca sagt, Gott könne nichts lieber sehen als einen tugendhaften Mann im Widerstande gegen das Unglück, so setzte ich hinzu: als einen im Genusse einer erlaubten Freude.
Warum soll die Natur mit Untergängen geizen, da sie mit Aufgängen und Schöpfungen wuchert?
Wenn uns die Menschen verlassen oder verwunden, so breitet ja noch immer der Himmel, die Erde und der kleine blühende Baum seine Arme aus und nimmt den Verletzten darin auf.
Der Dichter gleicht der Saite: Er selber macht sich unsichtbar, wenn er sich schwingt und Wohllaut gibt.
Man beruft sich immer auf die Nachwelt, als ob sie nicht oft ebensoviel Lob nähme als gäbe.
Ganz anders und besser versteht und goutiert man einen Autor, wenn man ihn über eine Sache lieset, über deren Aufklärung man eben jetzt verlegen ist.
Jede gute Erzählung, so wie gute Dichtung, umgibt sich von selber mit Lehren.
Sieh dich nicht nach viel Gründen zum Guten um. Mach nur den Anfang; dieser oder die Fortsetzung geben sie dir schon nachher.
Man sollte nicht Zeitvertreib, sondern Zeitgenuß sagen.
Das Schicksal legt Nacht um uns und reicht uns nur Fackeln für den nächsten Weg, damit wir uns nicht betrüben über die Klüfte der Zukunft und über die Entfernung des Ziels.
Zuviel Enthusiasmus in der Tugend macht auf den folgenden Augenblick desto kälter und schadet also.
Übrigens versichere ich die Bräute, noch gewisser die Bräutigame, dass sie nur von liebenden Eltern liebende Kinder heiraten können, und dass besonders ein hassender oder liebender Vater kindliches Hassen oder Lieben fortpflanze.
Mädchen lieben Puppen, weil sie früher schon Personen mehr lieben als Sachen.
Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde; Briefe sind nur dünnere Bücher für die Welt.
Ordnung und Unordnung kann man lernen, es ist Gewohnheit.
Dein Wollen wachse nicht und beuge sich nicht; aber dein Wissen neige sich beweglich nach allen Gegenden des Lichts.
Wen Erwachsene lieben, den lieben Kinder noch stärker.
Ein Roman ist eine veredelte Biographie.
Findet ihr den Trost nicht in der Nähe, so erhebt euch und sucht ihn immer höher.
Wer nicht immer weiser wird, der ist nicht einmal weise.
Hinter einem voranziehenden Gott würden alle Menschen Götter. Tilgt ihr aber das Ideal aus der Brust, so verschwindet damit Tempel, Opferaltar und alles.
Man darf mit Erlaubnis der Oberen zwar dumm, aber nicht ohne sie klug sein.
Freuden sind unsere Flügel, Schmerzen unsere Sporen.
Die Trunkenheit vermehrt schön zwei schöne Dinge, Mut und Liebe.
Es gibt Wahrheiten, von denen man hofft, große Menschen werden stärker von ihnen überzeugt sein, als man es selber sein kann.
In der Jugend hält man von hinten jede für schön.
Nichts macht die Menschen vertrauter und gegen einander gutgesinnter als gemeinschaftliche Verleumdung eines Dritten.
Wenn man bezahlt wird, denkt man, man arbeitete zu wenig – wenn man arbeitet, man bekomme zu wenig.
In einer schlechten Kleidung gelingt das Artigtun weniger als in einer guten.
Der erste Gedanke eines Menschen, der etwas nicht findet, ist der, man hab‘ es ihm gestohlen; und so häufig auch das bloße Verlieren und Verlegen gegen das seltene Bestehlen vorkommt, so glaubt er doch das nächste Mal wieder an einen Dieb.
In unserer Menschenliebe ist nicht bloß die Süßigkeit des Gefühls der Liebe, sondern auch die Süßigkeit des Gefühls des Rechttuns.
Hat denn noch kein Mann den Schmerz der verlornen Liebe empfunden? damit er wisse, wie noch tausendmal härter er seine Frau verheert? Welcher hat denn Treue, die rechte, die keine Tugend und keine Empfindung ist, sondern das Feuer selber, das den Kern der Existenz ewig belebt und erhält?
Sprecht nicht: wir wollen leiden; denn ihr müßt. Sprecht aber: wir wollen handeln; denn ihr müßt nicht.
Wer den kleinsten Teil eines Geheimnisses hingibt, hat den anderen nicht mehr in seiner Gewalt.
Einem Gelehrten fehlt immer etwas, entweder die Farbe, oder der Atem, oder die peristaltische Bewegung, oder der Magensaft, oder der sogenannte gesunde Verstand.
Himmel! wo ein Mensch ist, da fängt ja die Ewigkeit an, nicht einmal die Zeit.
Glücksspiele werden verboten – das längste ausgenommen, das Leben.
Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist.
Man kann Liebe selten zu spät, immer zu bald gestehen.
Jeder hält sein Leben für die Neujahrnacht der Zeit und mithin, wie der Abergläubige, seine – aus Erinnerungen zusammengehefteten – Träume darin für Prophezeiungen aufs ganze Jahr.
Ich möchte dabeistehen können bei allen Aussöhnungen der Welt, weil uns keine Liebe so sehr bewegt, wie die wiederkehrende.
Das Reich des Unbewußten kann einmal als das Reich des Bewußten erobert werden. Denn die Besonnenheit kann sich steigern, da sie sich ja schon in den großen Unterschieden und Sprüngen von Wilden zu Weltweisen offenbart.
Der blödeste Mensch ist, wenn viel Phantasie unter seinen Taten glimmt, der Herzhafteste, wenn sie emporlodert.
Mütter, seid Väter! möchte man zurufen, und: Väter, seid Mütter!
Die Bank am Wege erfreut als Zeichen des Kosmopolitismus.
Manche können leichter die Lehrer der besten als der guten Menschen sein.
Je gewöhnlicher ein Mensch ist, desto mehr glaubt er an Rezensionen.