Jean de La Bruyère Zitate
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Ein Eitler findet seine Rechnung dabei, Gutes oder Schlimmes von sich zu reden; ein Bescheidener spricht gar nicht von sich.
Manchen bringen lange Reisen vollends ins Verderben und um die letzte Spur von Religion.
Große Unwissenheit macht dogmatisch; Wer nichts weiß, glaubt Andern das, was er selbst soeben erst gelernt hat, beibringen zu müssen;
Wieviel hat doch die gesprochene Rede vor dem geschriebenen Werk voraus! Die Menschen lassen sich von Gebärdenspiel und Worten und dem äußeren Gepränge des Versammlungsorts betören.
Nichts ist so unbedeutend, so einfach und unauffällig, daß man durch die Art, wie man es tut, nicht sein Wesen verriete.
Man muß einzig danach trachten, richtig zu denken und zu sprechen, ohne die anderen für unseren Geschmack und unsere Ansichten gewinnen zu wollen; denn dies ginge über unsere Kraft.
Bedenkt man die Schönheit, die Jugend, den Stolz und die Verachtung jener Frau, so kann man nicht zweifeln, daß nur ein Held sie einmal zu entzücken vermag. Nun hat sie ihre Wahl getroffen: ein kleines Ungeheuer ohne Geist.
Aller Geist der Welt zusammengenommen ist fruchtlos für den, der keinen besitzt: Er hat keinen eigenen Gedanken und ist nicht imstande, aus fremder Einsicht Nutzen zu ziehen.
Manche Leute tragen drei Namen, als fürchteten sie sich, keinen zu besitzen.
Die Haupteigenschaft eines Redners ist der ehrenvolle Charakter. Ohne diesen artet er zum Deklamator aus.
Die Wahrheiten, die man am wenigsten liebt, sind die für uns wertvollsten.
Die große Mehrzahl der Menschen geht vom Zorn zur Beleidigung über; manche aber verfahren anders: sie beleidigen, und dann erst erzürnen sie sich. Die Überraschung, die dieses Verfahren jedesmal hervorbringt, läßt in uns das Wiedervergeltungsgefühl gar nicht aufkommen.
Es gibt auf der Welt zwei Arten, Karriere zu machen: Entweder durch seine Strebsamkeit oder durch den Schwachsinn anderer.
Am sichersten macht man Karriere, wenn man anderen den Eindruck vermittelt, es sei für sie von Nutzen, einem zu helfen.
Von der Verschlagenheit zur Schurkerei ist nur ein kleiner Schritt…
Aller Geist der Welt kann nicht dem helfen, der keinen hat.
Dieselben Gebrechen, die uns bei andern so unerträglich erscheinen, erscheinen uns bei uns selbst belanglos: wir fühlen sie gar nicht. Manche merken gar nicht, wenn sie von einem anderen sprechen und ihn in den scheußlichsten Farben schildern, daß sie dabei sich selbst malen.
Für sich selbst genügt ein einziger treuer Freund, und es bedeutet viel, ihn zu besitzen. Um anderen gefällig zu sein, kann man nie genug Freunde haben.
Wer meint, er sei nicht zum Glück geboren, könnte doch wenigstens am Glück seiner Freunde oder Angehörigen teilhaben. Aber Mißgunst raubt ihm auch diese letzte Möglichkeit.
Die Kinder kennen weder Vergangenheit noch Zukunft, und – was uns Erwachsenen kaum passieren kann – sie genießen die Gegenwart.
Ein Mensch, der viel Verdienst und Geist hat und dafür bekannt ist, ist selbst mit ungestaltem Gesicht nicht häßlich; mindestens wirkt er nicht häßlich.
Man darf sich die nicht zum Feind machen, die bei näherer Bekanntschaft unsere Freunde werden könnten.
Will man geachtet werden, muß man unter Menschen leben, die man achten kann.
Es ist schwer zu entscheiden, ob die Unentschlossenheit den Menschen mehr unglücklich oder mehr verächtlich macht.
Alles Geglaubte besteht, und nur dieses.
Es gehört zum Wesen eines Dummkopfs, beschwerlich zu fallen: Ein feinfühliger Mensch merkt, ob er gelegen ist oder ob er langweilt…
Wenn man bei gewissen Menschen, deren Unterstützung man braucht, ohne Erfolg alles Mögliche versucht hat, sie für sich zu gewinnen, bleibt als letztes Mittel nur übrig, sich nicht mehr um sie zu bemühen.
Nichts macht einem Fürsten mehr Ehre als die Bescheidenheit seiner Günstlinge.
Nichts ist schlimmer für den Erfolg, als im Leben völlig unbekannt zu sein.
Aus Schwachheit haßt man einen Feind und möchte sich an ihm rächen, und aus Faulheit besänftigt man sich und rächt man sich nicht.
Die Mode zu meiden ist ebenso falsch wie sie zu übertreiben.
Eine schwache Frau ist die, die sich einen Fehltritt, den man ihr nachsagt, selbst vorwirft; deren Herz mit der Vernunft im Streit liegt; die von der Liebe genesen möchte, aber nie genesen wird oder erst sehr spät.
Ein guter Arzt ist, wer sichere Mittel gegen bestimmte Krankheiten hat oder, falls er sie nicht besitzt, denen, die sie haben, gestattet, seine Kranken zu heilen.
Kein Handwerk ohne Lehrzeit.
Eine große Seele ist erhaben über Beleidigungen, Ungerechtigkeit, Schmerz und Spott; sie wäre unverwundbar, wenn sie nicht aus Mitgefühl litte.
Es gibt Leute, die weder auf die Vernunft noch auf guten Rat hören und freiwillig in die Irre gehen – aus Furcht, von anderen am Gängelband geführt zu werden.
Zwischen dem Herrscher und seinen Untertanen und zwischen Untertanen und Herrscher besteht ein Austausch gegenseitiger Pflichten: Welche drückender und mühseliger sind, wage ich nicht zu entscheiden.
Es ist ein sehr fader Charakter, keinen zu haben.
Der Stand der Schauspieler galt bei den Römern für schimpflich, bei den Griechen für ehrbar. Und bei uns? Wir denken über sie wie die Römer und verkehren mit ihnen wie die Griechen.
In jungen Jahren sammelt man Schätze für sein Alter; im Alter spart man für den Tod. Der verschwenderische Erbe richtet ein prächtiges Leichenbegräbnis aus und verpraßt das übrige.
Es gibt für den Menschen nur drei Ereignisse: geboren werden, leben und sterben. Aber er merkt nicht, wenn er geboren wird. Er leidet, wenn er stirbt. – Und er vergisst zu leben.
Geist ist nicht so selten wie Menschen, die sich ihres Geistes zu bedienen wissen oder den der anderen zur Geltung zu bringen und fruchtbar zu machen verstehen.
Manche Frau versteht ihren Mann so gründlich zu verdrängen und im eigenen Hause zu begraben, daß draußen in der Welt kein Mensch von ihm spricht: Lebt er noch? Lebt er nicht mehr? Man weiß es nicht.
Bei der Gerechtigkeit, die wir anderen schuldig sind, ist es wesentlich, daß wir sie ohne Verzug ausüben; wenn man darauf warten läßt, so ist dies schon Ungerechtigkeit.
Geistreiche Miene bei Männern entspricht ebenmäßigen Zügen bei Frauen: ein Grad von Vollkommenheit, den die Nichtssagendsten erstreben dürfen.
Es ist die tiefgreifende Ignoranz, die den Ton der Dogmatik angibt.
Nichts erfrischt unser Blut so sehr, wie wenn es uns gelungen ist, eine Dummheit zu vermeiden.