Jean de La Bruyère Zitate
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Es gehört sicherlich ebenso viel Trägheit wie Schwäche dazu, sich von anderen beherrschen zu lassen.
Der Parteigeist erniedrigt die größten Menschen bis zu den Kleinlichkeiten der großen Masse.
Nachäffen kann gefährlich werden.
Nichts gleicht mehr herzlicher Freundschaft als Verbindungen, die wir im Interesse unserer Liebe pflegen.
Es gibt Dinge, bei denen die Mittelmäßigkeit unerträglich ist: Dichtkunst, Tonkunst, Malerei und öffentliche Rede.
Man sollte seine Arbeit gern denen vorlesen, die genug davon verstehen, um sie zu verbessern und zu schätzen.
Die meisten Menschen sind viel eher zu einer großen Anstengung als zu einer stetigen Beharrlichkeit fähig.
Die feine Lebensart schließt nicht immer Güte, Billigkeit, Gefälligkeit, Dankbarkeit in sich; aber sie verleiht wenigstens den Anschein davon und stellt den Menschen äußerlich so dar, wie er innerlich sein sollte.
Die Frauen fühlen sich den Männern enger verbunden durch die Gunst, die sie ihnen gewähren, die Männer werden durch eben diese Gunstbeweise geheilt.
Der Tod kommt nur einmal, und doch macht er sich in allen Augenblicken des Lebens fühlbar. Es ist herber, ihn zu fürchten, als ihn zu erleiden.
Nichts möchten sich die Menschen lieber erhalten und nichts schonen sie trotzdem weniger als ihr Leben.
Die Menschen haben zuviel mit sich selbst zu tun, als daß sie die Muße hätten, die andern zu ergründen und ihren Wert zu erkennen. Daher kommt es, daß man bei großen Verdiensten und noch größerer Bescheidenheit lange unbekannt bleiben kann.
Es ist schwer zu sagen, was im Zweifelsfalle besser ist: Mitleid oder Mißachtung und es ist unbekannt, was gefährlicher ist: falsche Entscheidungen treffen oder nichts tun.
Ein Mensch von feiner Lebensart pflegt sich so zu benehmen, daß die anderen nach seinen Worten und seinem Verhalten mit ihm und mit sich selbst zufrieden sind.
Ein Greis ist stolz, hochmütig und von ungeselligem Wesen, wenn er nicht viel Geist besitzt.
Das Duell ist der glänzendste Sieg der Mode und zugleich die Unsitte, wo ihre Tyrannei am stärksten in Erscheinung getreten ist.
Ein für die Arbeit und Beschwerde abgehärteter Mensch ist für andere nur infolge außergewöhnlicher Vernunft nachsichtig.
Wer einen Tag gelebt hat, hat ein ganzes Menschenalter gelebt.
Monsieur bezahlt die Köche, man ist aber immer bei Madame zu Gast.
Es gibt stolze Menschen, die die Auszeichnung ihrer Rivalen demütig und bescheiden macht; solches Mißgeschick bringt sie sogar so weit, daß sie deren Gruß erwidern. Aber die Zeit, die alles lindert, führt sie schließlich wieder auf ihr natürliches Wesen zurück.
Es scheint, daß jemand achten heißt, sich ihm gleichstellen.
Wer gleich tut, was er tun soll, tut es am besten.
Eine Frau kann zuweilen einem Manne ihre Liebe zu ihm vollständig verbergen, und umgekehrt kann ein Mann einer Frau Liebe vorheucheln, doch nur, wenn er nicht anderweitig wirklich liebt.
Falsche Größe ist ungesellig und unzugänglich: Da sie ihre Schwäche fühlt, so verbirgt sie sich oder zeigt sich wenigstens nicht offen und läßt nur so viel von sich sehen, als nötig ist, um Achtung einzuflößen und nicht als das zu erscheinen, was sie in Wirklichkeit ist, einfache Kleinheit.
Wenn eine Frau eine andere schön findet, kann man folgern, daß sie sich selbst für noch schöner hält. Ebenso wie der Dichter die Verse eines anderen nur dann zu loben pflegt, wenn er sie schlechter findet als seine eigenen.
Ein Dummkopf ist, wer nicht einmal so viel Verstand besitzt, um ein Phantast zu sein.
Jedes Vertrauen ist gefährlich, das nicht vollständig ist.
Die Menschen sind sehr eitel und hassen doch nichts mehr, als dafür zu gelten.
Schurken glauben leicht, daß andere es sind.
So nah verwandt Eifersucht und Nacheiferung scheinen, sie stehen doch in einem Abstand wie Laster und Tugend.
An der Enthüllung eines Geheimnisses ist stets der schuld, der es jemandem anvertraut hat.
Es ist eine übertriebene Zuversicht der Eltern, alles von der guten Erziehung ihrer Kinder zu erhoffen, und ein großer Irrtum, gar nichts davon zu erwarten und sie deshalb zu vernachlässigen.
Das Rednerhandwerk gleicht in einer Hinsicht dem Kriegshandwerk: Das Wagnis ist größer als in anderen Berufen, doch man macht auch rascher sein Glück.
Das Köstlichste auf der Welt ist der Umgang mit einer schönen Frau, die zugleich die Eigenschaften eines ehrenwerten Mannes besitzt.
Es gibt nur eine Betrübnis, die nicht vergeht, der Kummer um den Verlust von äußeren Gütern: Jeden anderen mildert die Zeit, diesen allein läßt sie bitterer werden.
Liebe fängt mit Liebe an, und man kann von der stärksten Freundschaft nur zu einer schwachen Liebe kommen.
Daß man so wie die anderen handeln müsse, ist eine bedenkliche Regel, die fast stets zu bedeuten hat, daß man schlecht handeln müsse.
Wie viele vortreffliche Männer von den schönen Gaben sind gestorben, ohne daß man von ihnen gesprochen hätte! Wie viele leben noch, von denen man nicht spricht und nie sprechen wird!
Ich möchte fast von mir behaupten, daß ich kein Dieb oder Mörder werden könne; daß ich aber nicht eines Tages wie ein solcher bestraft werden könne, wäre eine kühne Behauptung.
Ein Mensch, der eine Zeit lang das Leben eines Intriganten geführt hat, kann ohne Umtriebe nicht mehr bestehen: Jede Form des Daseins scheint ihm schal.
Was man am meisten ersehnt, erfüllt sich nicht, und wenn es eintrifft, dann nicht zu der Zeit noch unter den Umständen, wo es die größte Freude bereitet hätte.
Wir sind so von uns selbst erfüllt, daß alles sich auf uns beziehen muß: Wir möchten gesehen und gegrüßt werden, selbst von Unbekannten; tun sie es nicht, so sind sie stolz; sie haben zu erraten, wer wir sind.
Der Sinn für Unterhaltung besteht weniger darin, selbst viel Geist zu zeigen, als anderen Gelegenheit zu geistvollen Reden zu geben.
Die Bescheidenheit ist dem Verdienste, was der Schatten den Gestalten eines Gemäldes; sie gibt ihm Kraft und Ausdruck.
Man empfindet Scham über sein ganzes Glück, wenn man andere im Elend sieht.
Die Bösen schaden uns und unter den Guten haben wir zu leiden.
In der Jugend legen wir für das Alter zurück, im Alter sparen wir für den Tod. Der verschwenderische Erbe zahlt für ein großartiges Begräbnis und verzehrt den Rest.
Die Logik scheint mir die Kunst zu sein, jemanden von einer Wahrheit zu überzeugen, und die Beredsamkeit eine Fähigkeit des Geistes, womit man Herz und Verstand der Zuhörer erobert.
Freiheit ist nicht Müßiggang, die besteht im freien Gebrauch der Zeit, in der freien Wahl von Arbeit und Tätigkeit, mit einem Wort: Frei sein bedeutet nicht Nichtstun, sondern Herr sein über sein Tun und Lassen.
Die Kinder der Götter entziehen sich den Gesetzen der Natur und bilden gleichsam die Ausnahme von der Regel.