Jean de La Bruyère Zitate
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Liebe stirbt an Überdruß und Vergessen geleitet sie zu Grabe.
So mancher, der draußen in der Welt durch große Talente bekannt, angesehen und allgemein beliebt ist, hat seinen Angehörigen keine Achtung abnötigen können und gilt als ein unbedeutender Mensch im eigenen Haus.
Die Erfahrung lehrt, daß Weichlichkeit und Nachsicht gegen sich selbst und Hartherzigkeit gegen andere dasselbe Laster sind.
Geist und Talent verhalten sich zueinander wie das Ganze zu seinem Teil.
Die Zeit festigt die Freundschaft und schwächt die Liebe.
Wie der Schatten die Gestalten auf einem Bild, so bringt Bescheidenheit die Verdienste eines Menschen besser zur Geltung.
Den Mund aufmachen und beleidigen ist bei manchen Leuten eins. Sie sind bissig und bitter, sie greifen mit der größten Frechheit an, sie schlagen auf alles los, was ihnen unter die Zunge kommt.
Das Vorurteil des Volkes zugunsten der Großen ist so blind und die Eingenommenheit für ihre Gebärde, ihre Miene, den Ton in ihrer Stimme und ihr ganzes Benehmen so allgemein, daß es bis zur Vergötterung käme, wenn es ihnen auch noch einfiele, gut zu sein.
Der Schmeichler schmeichelt nur deshalb, weil er keine hohe Meinung hat, weder von sich, noch von anderen.
Es ist ein großes Unglück, dass Menschen weder genug Geist haben, um zu reden, noch genug Urteilskraft, um zu schweigen.
Man rühmt die Großen, um zu zeigen, wie nah man ihnen stehe, selten aus Hochschätzung oder Dankbarkeit.
Lange sieht man sich noch gewohnheitsmäßig und beteuert sich mit Worten seine Liebe, wenn das Benehmen schon verrät, daß man sich nicht mehr liebt.
Wer die Arbeit liebt, hat an sich selbst genug.
Unhöflichkeit ist kein ursprüngliches Gebrechen der Seele, sondern die Wirkung verschiedener Laster: törichter Eitelkeit, Unkenntnis seiner Pflichten, Trägheit, Stumpfheit, Zerstreutheit, Verachtung der andern, Mißgunst.
Menschlich zu reden, hat der Tod eine schöne Bestimmung, die darin besteht, dem Alter ein Ziel zu setzen.
Die Fehler der Toren sind oft so plump und so schwer vorauszusehen, daß sie die Klugen irreleiten und nur denen Vorteil bringen, die sie begehen.
Jedermann sagt von einem Gecken, daß er ein Geck sei, aber niemand wagt, es ihm offen zu erklären; er stirbt, ohne es zu wissen und ohne daß es ihn jemand hätte entgelten lassen.
Die größten Dinge wollen ganz schlicht gesagt sein; Sie verlieren durch Emphase.
Es gibt für den Menschen nur drei Ereignisse: entstehen, leben und sterben. Er ist sich des Entstehens nicht bewußt, er leidet beim Sterben und er vergißt zu leben.
Ein Merkmal geistiger Mittelmäßigkeit ist die Sucht, immer etwas zu erzählen.
Vorliebe und Überdruß wechseln rasch.
Männer und Frauen stimmen in ihrem Urteil über das Verdienst einer Frau selten überein: ihre Interessen sind zu verschieden.
Die meisten Menschen bringen die schönste Zeit des Lebens damit zu, die schlimmen Zeiten noch trauriger zu machen.
Es gibt mehr Beispiele von maßloser Liebe als von vollkommener Freundschaft.
Der Haß des Menschen ist so hartnäckig, daß der Wunsch eines Kranken nach Versöhnung mit seinem Freunde als das untrüglichste Vorzeichen des Todes gelten kann.
Die Menschen finden selten ein Wort der Anerkennung füreinander und zeigen wenig Neigung, sich gegenseitig zu loben.
Das Verlangen, zu besitzen und seine Habe zu vergrößern, läßt den Menschen keine Ruhe: die Galle schmerzt, der Tod kommt heran, und mit welkem Gesicht und altersschwachen Füßen sagt man noch: „Ach, mein Vermögen, meine angelegten Gelder!“
Es kommt selten vor, daß einer sagen kann: Ich war ehrgeizig. Entweder ist man es gar nicht, oder man ist es immer. Aber es kommt eine Zeit, in der man eingesteht, daß man geliebt hat.
Es braucht Mut, vor manchen Menschen die Schande der Gelehrsamkeit auf sich zu nehmen: Sie haben ein zähes Vorurteil gegen die Gelehrten, denen sie feine Umgangsformen, Lebensart, Sinn für Geselligkeit absprechen und die sie gern auf ihr Studierzimmer und zu ihren Büchern verbannen möchten.
Sei doch unverschämt, dann wirst du Erfolg haben.
Entbehren müssen, was man liebt, ist noch ein Glück im Vergleich zu dem Zwang, mit dem zu leben, was man haßt.
Es gibt ein Land, wo die Freuden sichtbar, aber falsch sind, und der Kummer verborgen, aber echt.
Groß ist fast immer einfach.
Sprachen sind der Schlüssel oder Eingang zur Gelehrsamkeit, nichts weiter.
Der Geist verbraucht sich wie alle Dinge, die Kenntnisse sind seine Kost; sie nähren und verzehren ihn.
Der gleiche kritische Sinn, der bewirkt, daß wir etwas Gutes schreiben, läßt uns auch befürchten, es sei nicht gut genug, um lesenswert zu sein.
Wenn man geliebten Menschen Geschenke gemacht hat, so kommt, was auch geschehen mag, nie wieder eine Gelegenheit, bei der man sich seiner Wohltaten erinnern dürfte.
Seine kleinsten Vorzüge kann man nicht schnell genug entdecken, mit seinen Gebrechen hat man es nicht so eilig.
Spott ist unter allen Beleidigungen diejenige, welche am wenigsten verziehen wird, denn es ist die Sprache der Verachtung.
Eitelkeit oder Liebe heilen die Frauen von der Trägheit.
Sehr wenige Frauen haben Grundsätze. Die meisten werden nur von ihrem Herzen geleitet, und ihre Tugend hängt von der Gesinnung ihrer Liebhaber ab.
Gesuchter Ernst wirkt komisch; es ist, als wenn sich zwei Extreme berührten, in deren Mitte wahre Würde liegt.
Alles ist Versuchung für den, der sie fürchtet.
Eine schöne Frau, die zugleich die Eigenschaften eines Mannes von Welt besitzt, ist der köstlichste Umgang, den es gibt: In ihr finden sich Vorzüge beider Geschlechter vereint.
Menschen, die ihre Zeit schlecht verwenden, sind die ersten, die sich über deren Kürze beklagen.
Das Leben ist eine Tragödie für die, die fühlen, und eine Komödie für die, die denken.
Die äußersten Gegensätze berühren sich.
Nichts könnte uns schneller von unseren Fehlern heilen, als wenn wir fähig wären, sie einzugestehen und sie an anderen wiederzuerkennen: In diesem angemessenen Abstand würden sie uns so erscheinen, wie sie sind, und so abstoßend wirken, wie es ihrem Wesen entspricht.
Oft ist es kürzer und nützlicher, sich in andere zu schicken, als danach zu streben, daß andere sich nach uns richten.
In der Freundschaft vertraut man seine Geheimnisse an, in der Liebe entschlüpfen sie einem.