Jakob Bosshart Zitate
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Das heutige Leben ist von Phrasen beherrscht. Phrasen wirken aber nur an der Oberfläche.
Wer immer von sich selber spricht, will uns in der Regel über sich täuschen.
Man sollte über den Dingen stehen, wie einer auf einem Wagen steht und in die ewig sich drehenden Räder blickt.
Volapük! Esperanto! – An den Sprachen haben Jahrtausende die Besten gearbeitet, jetzt wollen Flachköpfe von einem Tag auf den andern eine Weltsprache schaffen!
Jeder neue Gedanke ist eine Gerade.
Christus war ein schlechter Dogmatiker, dafür aber ein großer Moralist. Indessen hat er doch als Dogmatiker eine große Tat getan, indem er das Himmelreich ins Innere des Menschen verlegte.
Schlagfertige Menschen sind meistens oberflächlich oder sie werden es infolge ihrer Begabung, die ihnen den äußeren Erfolg mühelos erwirbt.
Die dramatisch wirksamste Schuld eines tragischen Helden ist die Untreue, begangen an seinem obersten Grundsatz.
Man schilt manchen irreligiös, dessen ganzes Vergehen darin besteht, daß er die übliche Auffassung des Göttlichen zu kleinlich, zu eng, zu menschlich und gewöhnlich findet.
Rein durch das Leben zu gehen ist unmöglich. Aber sich zu reinigen ist möglich und höchstes Ziel.
Die Formel der Radikalen ist: Entweder – oder, die der Kompromißler: Sowohl – als auch, die der Skeptiker: Als ob.
Der menschliche Sinnen- und Nervenapparat gestaltet alles um, und dieses Umgestaltete, nicht die Wirklichkeit, hat für unser Leben Bedeutung.
Wir haben die ganze Welt, einen kleinen Punkt ausgenommen, aus zweiter Hand.
Menschen, die keine Probleme kennen, sind meistens beredt.
Wir müssen wieder mehr zum Standpunkte Gottfried Kellers zurückkehren, daß der Intellektuelle sich auch mit Politik beschäftigen müsse.
Man suche die leuchtendsten Augenblicke seines Lebens und analysiere sie, und man wird finden, daß in der Regel die Liebe im Spiel war. Die Liebe setzt dem Leben das Gold auf.
Weltfrömmigkeit, nicht Kirchenfrömmigkeit!
Man muß nicht das Gescheitere tun, sondern das Bessere.
Es ist nichts fader als die Auffassung, wir seien da, um glücklich zu werden. So kann nur die Selbstsucht sprechen. Bist du ein Weiser, so fragst du die Blume, wozu sie da sei?
Man überschätze die Klugheit nicht! Sind denn die besten Menschen – die sich für andere opfern – klug?
Wenn sie [die Sonne] einem untergeht, geht sie immer einem anderen auf.
Die vielen „unverstandenen“ Frauen unserer Zeit gehen offenbar von der Voraussetzung aus, daß sich zwei Menschen völlig verstehen können. Sie decken damit ihren Mangel an Einsicht auf.
Die Jugend unserer Zeit flieht vielfach den Kampf des wirklichen Lebens. Was die Mutlosigkeit besonders erhöht, ist die Schwere der Aufgabe, die dem jetzt heranwachsenden Geschlecht geworden ist.
Die Menschen haben die Liebe zur Arbeit, zum Beruf verloren, das macht zum großen Teil unser heutiges Elend aus. Wer arbeitet jetzt noch mit wahrer Liebe? Einige Dichter, einige Künstler, einige Erzieher, einige Bauern.
Wer das Leben als Provisorium betrachtet, wird es leichter ertragen.
Wie viele dieser Zeit halten sich für stark und sind Schwächlinge, wie viele halten diese Zeit für groß, und sie ist klein! Unsere Zeit ist die Zeit der Geschwächten.
Mit metaphysischen Fragen beschäftigt sich der Mensch am meisten in der Zeit, da er für seine Kräfte noch keine realen Ziele hat. Es ist auch die Zeit, da er noch glaubt, mit seiner Vernunft Berge versetzen zu können. Später verfällt die Mehrzahl den letzten Fragen gegenüber in Gleichgültigkeit.
Die Unausgeglichenheit der heutigen Jugend zeigt sich in dem Hin- und Hertreiben zwischen Rausch und Askese.
Vermag der Mensch, den man für schlecht hält, gegen sein Naturell zu streiten, so verdient er, zu den Guten gezählt zu werden.
Nur wer aufrichten kann, darf auch zerstören.
Borniertheit und Gescheitheit schließen sich nicht aus.
Neue Schuhe drücken immer. So geht es mit neuen Ideen, mit originellen Büchern.
Du fragst immer, was einer tue; frage doch zuweilen auch, was einer unterlassen hat.
Es hat es jeder erfahren: Die Jugend macht sich am liebsten an die schwersten, die letzten Probleme, sie hat den Zug zum Absoluten.
Geld und Moral in Wechselwirkung: die ewige Misere.
Alter schützt vor Strafe nicht. Mit diesem Wort macht man sich über das Alter lustig und bedenkt nicht, daß gerade die Fähigkeit, noch Torheiten begehen zu können, ein Trost und eine Quelle des Glücks für die Alten sind.
Der Intellekt hat alles derart zerfleischt, daß man vor nichts mehr Ehrfurcht empfindet.
Man muß sich immer den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit vor Augen halten.
Das von unserer Tagespresse dargestellte Weltbild ist falsch, verzerrt, wie das unserer Politiker. Warum? Die Zeitungsartikel beugen sich immer vor irgendeiner Tendenz und verbiegen deshalb die Wahrheit.
Jede Überzeugung enthält einen Irrtum.
Unsere Zeit verdient, in der Materie zu ersticken.
Wo der Einzelne nur an sich denkt, wird die Gesamtheit nimmer vorwärts kommen.
Wenn die Jugend das Wort Ungebundenheit auf ihre Fahne malt, so verrät sie dadurch nur, daß sie nach Gebundenheit und Führung verlangt.
Einem tieferen Empfinden und Gerechtigkeitsgefühl muss die jetzige Welt als etwas Unmögliches vorkommen.
Der Staat darf nicht Selbstzweck sein, sondern das Mittel der Vergeistigung. Er ist es aber nicht, das ist sein Fluch.
Wenn ein Volk zu großen idealen Anstrengungen unfähig geworden ist, geht es unter.
Was ist Wirklichkeit? Das, was die Toren unwirklich nennen.
Die verfehlten Bücher sind meistens die lehrreichsten. Auch über ein verfehltes Leben denken wir mehr nach als über ein gelungenes.
Die protestantische Kirche und Geistlichkeit hat sich fast durchwegs in den Dienst des Staates gestellt, die katholische bewahrt ihm gegenüber eine gewisse Freiheit und sucht gelegentlich geradezu die Opposition.
Bei einem kühnen Schritt tritt man immer auf spitze Steine.