Hugo von Hofmannsthal Zitate
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Ist der Dichter nicht ein Täter, den wir durchs Schlüsselloch belauschen?
Die einfachen Charaktere, nicht die zusammengesetzten, sind schwer zu verstehen.
Wir haben keine neuere Literatur. Wir habe Goethe und Ansätze.
Die Völker sprechen so verschiedene Sprachen, daß sie einander weder beleidigen noch genugtun können.
Der Schmerz ist verschiedener Art, je nach dem Willen, ihn aufzunehmen. Es gibt ein Schmerzempfinden nach oben wie nach unten.
Inschrift Entzieh dich nicht dem einzigen Geschäfte! Vor dem dich schaudert, dieses ist das Deine: Nicht anders sagt das Leben was es meine, Und schnell verwirft das Chaos Deine Kräfte.
Das eigentlich Dichterische hält sich gleich weit vom Herzlosen und vom Empfindsamen.
Aufmerksamkeit und Liebe bedingen einander wechselseitig.
Manche Worte gibt’s, die treffen wie Keulen. Doch manche schluckst du wie Angeln und schwimmst weiter und weißt es noch nicht.
Der Adler kann nicht vom flachen Boden wegfliegen; er muß mühselig auf einen Fels oder Baumstumpf hüpfen: Von dort aber schwingt er sich zu den Sternen.
Das Anthropozentrische ist auch eine Art von Chauvinismus.
Seid behutsam in sechs Fällen: Wenn ihr sprecht, sprecht die Wahrheit; wenn ihr etwas versprecht, haltet es; bezahlt eure Schulden; seid keusch in Gedanken und in Werken; meidet jede Gewalt und flieht das Böse.
Der moralische Sieg ist es, der sich am leichtesten zu Tode siegt.
„Einen gelten lassen“ und „an einen glauben“ sind – Begriffe getrennter Sphären.
Wer Freiheit hat und ist ihrer würdig, der fragt: Wozu habe ich Freiheit? Und ruht nicht, bis er erkennt, welche Frucht sie bringt. Die Frucht aber der Freiheit ist eine: das Rechte zu tun.
Gegenwart ist die absolute Leidensseite der Existenz – aber nur ein Provisorium.
Es ist eine sehr harte, finstere und gefährliche Zeit über uns gekommen. Sie ist wohl über ganz Europa gekommen, aber keines der anderen Völker hat so viele Fugen in seiner Rüstung, durch die das Gefährliche eindringt und sich bis ans Herz heranbohren kann.
Wahre Sprachliebe ist nicht möglich ohne Sprachverleugnung.
Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt.
Übereinstimmung ohne Sympathie gibt ein widerwärtiges Verhältnis.
In Hinsicht auf den Begriff „Erfahrung, gibt es zwei unangenehme Sorten von Leuten: die, denen Erfahrung mangelt, und die, welche sich auf ihre Erfahrung zu viel zugute tun.
Wirklichkeit ist die fable convenue (als Tatsache geltende Theorie) der Philister.
Man muss das Leben nicht banalisieren, indem man das Wesen und das Schicksal auseinanderzerrt und sein Unglück abseits stellt von seinem Glück. Man darf nicht alles sondern. Es ist alles überall.
Mit den Gedanken ist es wie mit den Melodien, es gibt die kurzen, geringen – und die langen, schönen; die besten aber sind wie Kugelblitze und enthalten die Welt im ganzen.
Es ist allenfalls möglich, zu imaginieren, was vergangene Epochen in ihr Denken einschlossen, nicht aber, was sie ausschlossen.
Was Geist ist, erfaßt nur der Bedrängte.
Wie ich ein Kind war, konnte ich alles lieb haben.
Ich bin kein Vieh, ich kann nicht vergessen!
Dem Erlebenden dehnt sich das Leben.
Wo der Wille erwacht, dort ist schon fast etwas erreicht.
Nichts ist schwerer anzueignen, schwerer auch nur wahrzunehmen, als das Grosse und Erhabene, trotzdem oder eben weil es nichts anderes ist als das Reinste und Wahrste des Natürlichen.
Geistreicher und schöner als Sprachkritik wäre ein Versuch, sich der Sprache auf magische Weise zu entwinden, wie es in der Liebe der Fall ist.
Das Streben nach Vollkommenheit muß fromm machen.
Eine schwere Zeit ist wie ein dunkles Tor. Trittst du hindurch, trittst du gestärkt hervor.
Die Kunst zu enden – wer das kann, kann alles.
Die Zeit hat keine Zeit zu warten, sie will erlöst werden.
Lebt man beständig in einer Welt, die stumpf für die Sprache und durch das Wort kaum zu erschüttern ist, so gerät man um so mehr in Gefahr, durch Ausgesprochenes die Einzelnen zu verletzen und sich durch Reden der Verkennung auszusetzen.
Das geliebte Wesen ist immer der Docht in der Liebesflamme.
Die ahnende Jugend weiß die Welt mit Kräften erfüllt; aber es kommt ihr nicht bei, welche Rolle in der Welt die Schwäche in ihren verschiedenen Formen spielt.
Aber wahrhaftig, ich bin in keinem Augenblick mehr ein Mensch, als wenn ich mich mit hundertfacher Stärke leben fühle…
Im Tiefsten aber ist Einsicht und Beruhigung, und daran muß man sich halten.
Der gute Geschmack ist die Fähigkeit, fortwährend der Übertreibung entgegenzuwirken.
Wer im Verkehr mit Menschen die Manieren einhält, lebt von seinen Zinsen. Wer sich über sie hinwegsetzt, greift sein Kapital an.
Man muß der Natur darin nachstreben, daß sie keine Zwischenglieder, keine Nebensachen, kein Provisorium kennt, sondern jedes Ding als Hauptsache behandelt.
Selbstliebe und Selbsthaß sind die tiefsten von den irdischen produktiven Kräften.
Merkt auf, die Zeit ist sonderbar. Und sonderbare Kinder hat sie uns.
Man hat etwas weniger Freunde, als man annimmt, aber etwas mehr, als man kennt.
Wer hieß dich mich zerren, mich! in diese Welt hinein? Laß mich erfrieren, verhungern, versteinen in der meinigen!
Es ist ein entscheidender Unterschied, ob Menschen sich zu anderen als Zuschauer verhalten können, oder ob sie immer Mitleidende, Mitfreudige, Mitschuldige sind: diese sind die eigentlich Lebenden.
Fürchterlich ist diese Kunst! Ich spinn aus dem Leib mir den Faden, Und dieser Faden zugleich ist auch mein Weg durch die Luft.