Gregor Brand Zitate
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Der Faden der Welt. Die Welt ist, wie sie ist; da beißt kein Gott einen Faden ab.
Senoirenklugheit ist weit weniger attraktiv als Altklugkeit.
Die Kleinköpfigen zerstören die Welt im Kleinen, die Großköpfigen im Großen.
Daß Marktflüsterer weniger verkaufen als Marktschreier, bedeutet noch lange nicht, daß sie schlechtere Waren anbieten.
Seher sind meist keine scharfen Beobachter – auch wenn sie ausnahmsweise nicht blind sind.
Heidegger bezeichnete es als Urforderung allen Daseins, daß es sein eigenes Wesen behalte und rette. Aber das eigene Wesen kann man, solange man lebt, gar nicht verlieren. Es gibt kein Dasein, das ein anderes Wesen hat als sein eigenes.
Tausend Generationen, bevor Nietzsche Gott für tot erklärte, war der Tod schon Gott. Dieser Gedanke und Spruch Nietzsches war für den unheilbar frommen Pfarrers- und Vaterssohn am Ende vielleicht nur die zwingende Voraussetzung, um zur Anwendung des „De mortuis nihil nisi bene“ zu kommen.
Um berühmt zu werden, muss man heutzutage nicht mehr aus der Reihe tanzen – meistens genügt es schon, aus der Reihe zu torkeln.
Ein Philosoph, der sich in allem sicher ist, ist sicher kein Philosoph.
Jede Pädagogik, in der nicht Begabung und deren Vererbung eine zentrale Rolle spielen, ist auf Treibsand gebaut.
Egal, wie es sich bei anderen verhält: Das Papier, auf dem ich schreibe, ist nie geduldig.
Sehr dumme und sehr intelligente Menschen sind sich wechselseitig ein Sicherheitsrisiko.
In dünnen Zeiten erscheinen Striche dicker.
Junge Menschen haben mehr Träume als alte – weil sie länger schlafen.
In der Welt des Geistes ist für alle Platz – aber dort leben wir ja nicht, solange wir leben.
Nicht jeder, der um das tägliche Brot bittet, verträgt es dann auch. Man sollte nur um das beten, was einem auch bekommt.
Was sagt es über Gott aus, daß sein Ebenbild, der Mensch, das folternde Wesen par excellence ist?
Je mehr man weiß, desto mehr fällt einem ein – wenn man sein Wissen nicht wie einen Felsblock vor den Eingang seines Denkens legt.
Wer Genüsse bereut, sollte wenigstens die Reue genießen.
Es ist durchaus ein Fortschritt, wenn Soldaten das Wort Zivilcourage nicht mehr mit einem Ausdruck der Verachtung aussprechen.
Der Widerspruch, wenn man die Namen derer nennt, die angeblich vergessen sind – und die Wahrheit in diesem Widerspruch.
In jedem Alter denkt die Natur über einen Menschen anders. Das sieht man ihr genau an.
Wer glaubt, für eine gerechte Sache zu kämpfen, empfindet es schnell als Beleidigung, wenn man ihn auf die Opfer seines Kampfes hinweist. Gute Gewissen lieben keine unschuldigen Opfer.
Die Atheisten, die Wotan und Zeus leugnen – wieso sind sie anders zu beurteilen als die Atheisten, die Jahwe leugnen?
Wer mir nicht verwandt ist, den halt ich für weniger beachtenswert.
Die Geschichte des Menschen verläuft nicht bloß – sie verläuft sich auch.
Unkreative Menschen sind am kreativsten bei der Verteidigung ihrer Unkreativität.
Jede Gottheit, die wir verehren, hat ihren speziellen Tempel im Gehirn – und muss ohnmächtig zusehen, wie dieser Tempel irgendwann vom Schicksal abgerissen wird.
Alles Gescheite ist schon mindestens einmal ausgelacht worden.
Workaholics sind Zwangsarbeiter – aber man sollte sie nicht so bezeichnen.
In der Wahrheit ist nicht weniger Wein als im Wein Wahrheit.
Manche toten Wörter hätten es verdient, daß man ihnen die letzte Ehre erweist.
Man kann eine Kultur auch dadurch enthaupten, dass man ihre fähigsten Köpfe hindert, sich zu entfalten.
Man könnte den Eindruck gewinnen, daß Religionen und Ideologien uns nur deshalb vom Elend befreien wollen, um selbst dessen Platz einnehmen zu können.
Die frömmsten Geschichten habe ich selbst erfunden – behauptet der Teufel. Und fast scheint es, als habe er Recht.
Kinder werden mit Lügen beschenkt, während sie sich Wahrheiten mühsam erarbeiten müssen.
Die Welt ist so kompliziert, wie man es sich nur denken kann.
Wo mehr als zwei Schafe versammelt sind, da ist ein schwarzes dabei.
Es geht mit einer Gesellschaft unweigerlich bergab, wenn sie sich von den Falschen leiten lassen.
Waschen macht die Welt nicht sauberer, aber verteilt immerhin den Schmutz anders.
Am liebsten sind mir die Schriftsteller, die mich nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Schreiben bringen.
Der Gallierfürst Vercingetorix war ein grausamer Folterer – wenn man seinem Erzfeind Caesar glauben kann. Aber Eroberern ist nicht zu trauen – was nicht ausschließt, dass sie doch die Wahrheit sagen.
Der Geist hat seinen Sitz nicht im Körper – allein schon deswegen, weil er nie sitzt.
Man sollte keiner Religion trauen, die diejenigen zu Sündern macht, die bloß besser denken können.
Die Natur mutiert täglich, aber ihre Religion stagniert ewig.
Bauchgefühl hin oder her: Es führt in die Irre, das Rumoren des Bauches mit dem Unterbewusstsein zu verwechseln.
Luftschlösser werden viel häufiger gebaut als Lufthütten. Wer gerne Luftschlösser baut, sieht nicht auf die Kosten.
Zum Glück ist die Zukunft zu künftig, um je Gegenwart zu werden.
Manches in der Welt wäre einfacher, wenn sich Verben erfolgreicher gegen das Konjugieren wehren würden.
Auch eine geschächtete Wahrheit macht die Lüge nicht koscher.