Gottfried Keller Zitate
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Das unheilvolle Giftkraut, welches falsche Scham genannt wird, beginnt in den frühesten Tagen des Lebens um so mehr zu wuchern, als es von der Dummheit der alten Menschen eher gehätschelt und gepflegt, als ausgereutet wird.
Wenn schlechte Leute zanken, riecht’s übel um sie her; doch wenn sie sich versöhnen, so stinkt es noch viel mehr.
Die menschliche Narrheit wohnt auch dem Weisesten inne.
Es liegt etwas so unerklärlich Heiliges und Seliges in der Liebe, sie macht so nobel und lauter, daß in demjenigen, der furchtlos und unglücklich liebt, etwas Unwahres und Ungerechtes sein muß.
Wehe einem jeden, der nicht sein Schicksal an dasjenige der öffentlichen Gemeinschaft bindet.
Er nannte sich selbst einen Philosophen, weshalb ihm dieser Name allgemein zuteil wurde, denn sein Wesen und Treiben war in allen Stücken absonderlich.
Immer machen einige gute Menschen ein warmes Stübchen aus, auch ohne Ofen, Dach und Fenster.
Leidenschaftliche Beschränktheit ist freilich für manche notwendig, wenn sie auf dem Punkte beharren sollen, dem sie allein gewachsen sind, weil Anspruch und Bescheidung sich selten glücklich mischen.
Am Ende ist uns wohler, wenn wir nicht soviel von der Welt wollen und das, was sie uns freiwillig gibt, als gelegentlichen Fund betrachten.
Ich werde vertrauend hoffen und immer hoffen, bis meine Augen brechen; und wann dann die Menschen mich auslachen und sagen werden: „Siehe, du hast umsonst gehofft, du stirbst arm und verlassen, wie die geboren wurdest“, so werde ich zu ihnen sagen: „Ihr Toren! Jetzt geht die Hoffnung erst recht an!“
Es ist doch sonderbar, wie auch der vortrefflichste Mensch schlechte Eigenschaften haben muß, gleich einem stolz segelnden Schiffe, welches Ballast braucht, um zu seiner guten Fahrt gehörig schwer zu sein.
Nur die Ruhe in der Bewegung hält die Welt und macht den Mann.
Arbeit ist das wärmste Hemde, Frischer Quell im Wüstensand, Stab und Zelt in weiter Fremde Und das beste Vaterland!
Heilig ist die Sternenzeit, öffnet alle Grüfte, strahlende Unsterblichkeit wandelt durch die Lüfte.
An einem offenen Paradiesgärtchen geht der Mensch gleichgültig vorbei und wird erst traurig, wenn es verschlossen ist.
Das Glück des Wissens gehört auch dadurch zum wahren Glücke, daß es einfach und rückhaltlos, und ob es früh oder spät eintritt, immer ganz das ist, was es sein kann; es weiset vorwärts und nicht zurück und läßt über dem unabänderlichen Leben des Gesetzes die eigene Zerbrechlichkeit vergessen.
Etwas wagen muß das Herz und früh auf sein, wenn es leben will.
Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustüre zu treten und nachzusehen, was es gibt.
Es gehört auch zum Leben, sich einer schweren Notwendigkeit unterziehen zu lernen.
So geht es um die Welt. Wenn man nur still und geduldig wartet, wie die Katze vor dem Mauseloch, so kommen alle guten Dinge wieder einmal zum Vorschein.
Wenn ich auch keine gelehrte Erziehung genossen habe, so ersetzt mir die Schule eines bewegten Lebens dasjenige, was sich nicht nachholen läßt.
Das Menschenleben ist eine fortgehende Schule. Der Staatsmann wie der Bauer muß jeden Morgen die Erfahrung von gestern sammeln, das Verbrauchte umwenden und erneuern; unsere Seele muß, wenn sie nicht verkommen will, jeden Tag ihre Wäsche wechseln.
Die gute Sache muß die Streiter allmählich machen und veredeln, nicht die Streiter die Sache.
Wirke nie mit Trugschlüssen und kleinlichen Spitzfindigkeiten, mit denen man nur die Spreuer bewegt; den Kern des Volkes rührst du nur mit der vollen Wucht der Wahrheit um.
Mit einem Menschen, welcher den gekreuzigten Gottmenschen verehrt, ist immer noch mehr anzufangen als mit einem, der weder an die Menschen noch an die Götter glaubt.
Die Freuden, welche auf dem Familienglück und auf frohen Ereignissen unter Blutsverwandten beruhen, [machen] auch nach den längsten Leiden die Beteiligten plötzlich jung und munter.
Immer die gegenwärtige Stunde, das ist Gottes Stunde. Das ist das Stück Ewigkeit und das Stück Chaos, das um Gestaltung ringt – in dir – durch dich.
Gott schien mir nicht geistlich, sondern ein weltlicher Geist, weil er die Welt ist und die Welt in ihm; Gott strahlt von Weltlichkeit.
Nur durch den Winter wird der Lenz errungen.
Ich will eine so zarte, schöne Sache, wie es das Christentum ist, auch mit Liebe behandelt wissen, und wenn es zehnmal auch ein Irrtum wäre.
Es ist auf Erden keine Nacht, die nicht noch ihren Schimmer hätte.
Unsere Seele muß, wenn sie nicht verkommen will, jeden Tag ihre Wäsche wechseln. Der moralische Mensch hat so gut seine Respiration wie der physische, und nur durch dieselbe bleiben wir lebendig. Wir bleiben nicht gut, wenn wir nicht immer besser zu werden trachten.
Ein guter Witz geht immer für ein Stück Brot, und ein leichter Sinn ersetzt manchen Becher Wein.
Heil dem, der ehrlich sagen kann: Auch ich hab mitgestritten!
Es ist ein weißes Pergament Die Zeit, und jeder schreibt Mit seinem roten Blut darauf, Bis ihn der Strom vertreibt.
Ein‘ Lieb‘ und nicht mehr, Wär‘ allen Frauen eine Ehr‘.
Der Mensch soll nicht tugendhaft, sondern natürlich sein, so wird die Tugend von selbst kommen.
Wer ohne Leid, der ist auch ohne Liebe, Wer ohne Reu‘, der ist auch ohne Treu‘, Und dem nur wird die Sonne wolkenfrei, Der aus dem Dunkel ringt mit heißem Triebe.
Alle Agitation darf nur dem Zweck eines tüchtigen und gedeihlichen Lebens und niemals selbst ein Zweck werden.
Wer einmal Luftschlösser baut, kann nicht kühn genug sein.
Nur kann ich nicht zugeben, daß die Männer tiefer stehen sollen als die Frauen!
Es ist doch ein Elend mit uns Menschen! Täglich sprechen wir von Liebe und Humanität, und täglich beleidigen wir auf Wegen, Stegen und Treppen irgendein Mitgeschöpf.
Alles Schaffen aus dem Notwendigen heraus ist Leben und Mühe, die sich selbst verzehren, wie im Blühen das Vergehen schon herannaht.
Alles Große und Edle ist einfacher Art.
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem gold’nen Überfluß der Welt.
Besser ist’s, man hat in der Jugend zu kämpfen als im Alter.
Das Wagen und Mühen erhält jung, nur muß man sich dabei nicht abquälen oder quälen lassen.
Es ist schwer, aus den Possen herauszukommen, da einen die Welt immer wieder lächert.
Das Finden seiner selbst in dunklen Tagen ist meistens mehr Glücksache, als die Menschen gewöhnlich eingestehen wollen.
Wir halten Hochzeit zu dieser Stunde und gehen dann aus der Welt – dort ist das tiefe Wasser – dort scheidet uns niemand mehr und wir sind zusammengewesen – ob kurz oder lang, das kann uns gleich sein.