Giacomo Leopardi Zitate
seite 1
Um deiner Wonne willen, o Gedanke, ist’s wert, die Last des Leidens auf sich zu nehmen und des Lebens Bürde.
Die Grenzen des eigenen Wissens verhehlt man den anderen am besten, indem man sie nie überschreitet.
Wer wenig mit Menschen gemein hat, ist nur selten ein Menschenfeind. Wahre Menschenfeinde gibt es nicht in der Einsamkeit, sondern nur innerhalb der Welt: denn die Wirklichkeit des Lebens und nicht etwa die Philosophie ist es, was einen lehrt, die Menschen zu hassen.
In der Welt ragen jene Menschen schon als Rechtschaffene hervor, von denen du bei näherem Verkehr zwar keine guten Dienste zu erhoffen hast, aber auch keine schlechten Dienst zu befürchten brauchst.
Keine Furcht und keine Feigheit ist imstande, einen vor den heimlichen Verfolgungen, den hinterhältigen Nachstellungen zu bewahren, wenn sie von feigen Feinden ausgehen.
Der Mensch ist nicht vervollkommnungsfähig, aber korrumpierbar. Er ist nicht vervollkommnungsfähiger als die anderen Lebewesen, aber leichter zu verderben als andere Tiere.
Wir können weder alle zählen, denen Unheil widerfahren ist, noch auch nur einen von ihnen würdig beklagen.
Ich sage, daß die Welt eine Liga von Schurken gegen die Rechtschaffenen ist, und von Verächtlichen gegen die Edelmütigen.
Die Schlauheit, die ein Zubehör des Geistes ist, wird sehr häufig dazu benutzt, um der Dürftigkeit dieses Geistes abzuhelfen, oft auch, um bei anderen einen reicheren Geist zu bekämpfen.
So von hinnen Flieht aller Schein und Schatten Holdsel’gen Wahns; die hoffenden Gedanken, Die uns vertröstet hatten Auf eine Zukunft, sinken und verblassen.
Die Menschen schämen sich nicht des Unrechts, das sie tun, sondern dessen, das sie leiden.
Rachelust ist ein so angenehmes Gefühl, daß wir uns oft eine Beleidigung wünschen, nur um einen Grund zur Rache zu haben; und zwar nicht nur von einem, der nun einmal unser Feind ist, sondern von irgend jemandem – zumal in den Augenblicken der Verstimmtheit – sogar von einem Freund.
Wenn du etwas nicht ungeschehen machen kannst, so rechne damit, daß man es erfährt, wenn du dich dessen am wenigsten versiehst.
Wer gut beobachtet, wird sehen, daß unsere Mängel und Fehler nicht an sich lächerlich sind, sondern nur der Eifer es ist, den wir daransetzen, sie zu verheimlichen und das So-Tun, als ob wir sie nicht hätten.
Es sieht fast so aus, als ob die Menschen, die sonst in allem verschiedener Ansicht sind, nur in einem einträchtigen Sinnes wären: in der Schätzung des Geldes, oder als ob das Geld im Grunde den Menschen ausmache, das Geld ganz allein.
Man muß es als allgemeine Wahrheit annehmen, daß der Mensch, von kurzen Augenblicken abgesehen, niemals davon abläßt, ganz im geheimen, wenn er es auch vor anderen verbirgt, an gewisse Dinge zu glauben, weil der Glaube an sie zu seiner Seelenruhe nötig und ihm lebensnotwendig ist. […]
Auf die Dauer gefällt uns nur die Gemeinschaft mit solchen Menschen, deren steigende Achtung uns dienlich oder wünschenswert ist.
Der Mensch wird im geselligen Umgang und im Leben soweit gern gesehen und macht in dem Maße sein Glück, wie er zu lachen versteht.
Der sicherste Weg, andern die Grenzen des eigenen Wissens zu verbergen, ist, diese nicht zu überschreiten.
Wenn einer die Illusion bekämpft, so ist das das sicherste Zeichen seines unvollkommenen und unzureichenden Wissens – eben ein Zeichen dafür, daß er einer Illusion zum Opfer gefallen ist.
Gleiche Zaubermacht übt Schönheit wie Musik, die uns so oft von unbekannten Paradiesen hehres Geheimnis zu enthüllen scheint.
Der Mensch ist fast immer so niederträchtig, wie es für ihn nötig ist. Wenn er redlich ist, kann man immer feststellen, daß er Niedertracht nicht nötig hat.
Der anständige Mensch wird im Laufe der Jahre wohl unempfindlich gegen Lob und Ehren, niemals aber, wie ich glaube, gegen Tadel und Verachtung.
Die Größe eines Menschen hängt allein davon ab, wie stark er von der Vernunft beherrscht wird. Der Geist aller wirklich Großen wird nicht von der Ratio geprägt, sondern von schönen Wahnvorstellungen (…) Man denke nur an die Unternehmungen Alexanders des Großen: Das alles ist schöner Wahn.
Eigentümlich, daß Menschen von großen Verdiensten stets einfach sind, und daß Einfachheit für ein Zeichen von geringer Tüchtigkeit gilt.
Geheim ist alles, nur unser Schmerz nicht.
Die Welt lacht über Dinge, die sie eigentlich bewundern sollte, und sie tadelt, genau wie der Fuchs bei Äsop, alles das, worauf sie neidisch ist.
Die Natur selbst ist eine Betrügerin: Sie macht dem Menschen das Leben liebenswert oder erträglich durch nichts anderes als durch Einbildung und Täuschung.
Die Menschen sind nur dann lächerlich, wenn sie das scheinen oder sein wollen, was sie nicht sind.
Solange es jedoch auf dieser Welt Barbaren geben wird oder Völker mit starken, vollen, überzeugenden, standhaften und von der Vernunft noch nicht berührten Wahnvorstellungen, müssen die zivilisierten Völker ihnen zum Opfer fallen.
Es scheint widersinnig und ist doch völlig wahr: Da alles Wirkliche ein Nichts ist, gibt es nichts Wirkliches, nichts, was Bestand hat auf dieser Welt, als die Einbildungen.
Viele verlangen, während sie einem übel mitspielen, daß man bei Strafe ihres Hasses so klug sei, ihrer Niedertracht keine Hindernisse in den Weg zu stellen, und zu gleicher Zeit sie nicht als niederträchtig erkenne.
Die Aufrichtigkeit kann dann von Nutzen sein, wenn man sie als Kunstgriff verwendet, oder wenn sie einem, dank ihrer Seltenheit, nicht geglaubt wird.
Das Menschengeschlecht pflegt gegenwärtige Dinge zu verachten und vergangene zu loben.
Nichts ist seltener auf Erden als ein Mensch, der auf die Dauer verträglich ist.
Die Welt ist wie die Frauen: Mit Sittsamkeit und Zurückhaltung holt man nichts aus ihr heraus.
Die fortschreitende Vernunft zielt im wesentlichen darauf hin, die Gattung Mensch, also das Wesen, das imstande ist, zu denken und sich eine natürliche Ordnung zu schaffen, nicht nur unglücklich zu machen, sondern auszurotten.
Selig, wer ohne Wunsch ist; wer sich von kleinen Freuden nährt und sich mit ihnen begnügt; wer stets auf ein Gutes hofft, dabei seine schlechten Erfahrungen vergißt und sogar stets das Gegenteil von dem tut, das er tun sollte!
Die Philosophen sollen sich klarmachen, dass es nicht auf das Leben an sich ankommt, sondern darauf, dass es gut und glücklich oder besser gesagt, nicht gar zu schlecht und unglücklich verläuft.
Gleichfalls kann man sagen, dass alle Gewohnheiten, und damit alle menschlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nichts anderes sind als Nachahmung.
Verzweiflung ist unendlich viel lustvoller als Langeweile.
Wie kannst du, Mensch, wofern du in Schwäche so versunken, nur Staub und Schatten bist, so stolz empfinden?
Das Alter ist der Übel höchstes; denn es beraubt den Menschen aller Genüsse, läßt ihm aber das Verlangen danach, und bringt alle Leiden mit sich.
Wie fast alle Frauen lassen sich oft auch die Männer, besonders die stolzen, durch Gleichgültigkeit und Mißachtung gewinnen, oder sogar, wenn nötig, durch vorgetäuschte Gleichgültigkeit und Mißachtung.
Schweigsamkeit in der Unterhaltung wird nur dann für gut befunden und gelobt, wenn man weiß, daß der Schweigsame, wenn man ihn dazu herausfordert, den Mut und das Zeug zum Reden hat.
Das verläßlichste Glück dieses Lebens ist das nichtige Glück der Illusion.
Die Kindheitsjahre sind in der Erinnerung eines jeden Menschen gleichsam die mythischen Zeiten seines Lebens, so wie in der Erinnerung der Völker die mythischen Zeitenalter die Zeiten ihrer Kindheit sind.
Der vielleicht sicherste Weg, sich einen Namen zu verschaffen, ist der, mit Bestimmtheit und Ausdauer und auf möglichst viele verschiedene Arten der Welt zu versichern, dass man bereits einen Namen habe.
In der Gesellschaft äußerst selten: ein wirklich erträglicher Mensch.
Zwei Wahrheiten, die die Menschen nie glauben werden: daß sie nichts wissen und daß sie nichts sind. Man füge eine dritte hinzu: daß es nach dem Tod nichts zu hoffen gibt.