Friedrich Nietzsche Zitate
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Wie ruhig schlafen die Seelen eingefangener Verbrecher! Am Gewissen leiden nur Gewissenhafte!
Nur ästhetisch gibt es eine Rechtfertigung der Welt.
Auch die Seele muß ihre bestimmten Kloaken haben, wohin sie ihren Unrat abfließen läßt.
Die Deutschen unfassbarer, umfänglicher, widerspruchsvoller, unbekannter, unberechenbarer, überraschender, selbst erschrecklicher, als es andere Völker sich selber sind: – sie entschlüpfen der Definition und sind damit schon die Verzweiflung der Franzosen.
Zu allem Handeln gehört Vergessen: wie zum Leben alles Organischen nicht nur Licht, sondern auch Dunkel gehört.
Herrschen – und nicht mehr Knecht eines Gottes sein – dies Mittel blieb zurück den Menschen zu veredeln.
Man erwäge! – Der gestraft wird, ist nicht mehr der, welcher die Tat getan hat. Er ist immer der Sündenbock.
Künstler und Frauen arbeiten daran, den Knoten der Dinge immer wieder neu zu knüpfen.
Alle Menschen zerfallen, wie zu allen Zeiten, so auch jetzt noch, in Sklaven und Freie. Denn wer von seinen Tagen nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave. Er sei übrigens wer er wolle, Staatsmann, Beamter, Gelehrter.
Lieber aus ganzem Holze eine Feindschaft als eine geleimte Freundschaft.
Nicht die Abwesenheit der Liebe, sondern die Abwesenheit der Freundschaft macht die unglücklichen Ehen.
Wenn wir uns stark verwandeln, dann werden unsere Freunde, die nicht verwandelten, zu Gespenstern unserer eigenen Vergangenheit: ihre Stimme tönt schattenhaft-schauerlich zu uns heran – als ob wir uns selber hörten, aber jünger, härter, ungereifter.
Das Beste an einem großen Siege ist, daß er dem Sieger die Furcht vor einer Niederlage nimmt.
Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über sich selber her.
Glaube nennt man die Angewöhnung geistiger Grundsätze ohne Gründe.
Das stärkste Anzeichen von Entfremdung der Ansichten bei zwei Menschen ist dies, daß beide sich gegenseitig einiges Ironische sagen, aber keiner von beiden das Ironische daran fühlt.
Jeder ist sich selbst der Fernste.
Der schönste Leib – ein Schleier nur, in den sich schamhaft – Schönres hüllt. –
Die Gebundenheit der Ansichten, durch Gewöhnung zum Instinkt geworden, führt zu dem, was man Charakterstärke nennt.
Die Allgenügsamkeit, die alles zu schmecken weiß, das ist nicht der beste Geschmack. Ich ehre die widerspenstigen, wählerischen Zungen und Mägen, welche Ich und Ja und Nein sagen lernten.
Ich verurteile das Christentum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat. Sie ist mir die höchste aller denkbaren Korruptionen, sie hat den Willen zur letzten auch nur möglichen Korruption gehabt.
Nicht die Erkenntnis gehört zum Wesen der Dinge, sondern der Irrtum.
Bist du echt? oder nur ein Schauspieler? Ein Vertreter? oder das Vertretene selbst? – Zuletzt bist du gar bloß ein nachgemachter Schauspieler…
Zu vieles missriet ihm, diesem Töpfer, der nicht ausgelernt hatte! Dass er aber Rache an seinen Töpfen und Geschöpfen nahm, dafür dass sie ihm schlecht gerieten, – das war eine Sünde wider den guten Geschmack.
Das, woran wir am tiefsten und persönlichsten leiden, ist fast allen anderen unverständlich und unzugänglich: Darin sind wir dem Nächsten verborgen, und wenn er mit uns aus einem Topfe isst.
Abseits vom Markte und Ruhme begibt sich alles Große; abseits vom Markte und Ruhme wohnten von je die Erfinder neuer Werte.
Leiden war’s und Unvermögen – das schuf alle Hinterwelten; und jener kurze Wahnsinn des Glücks, den nur der Leidendste erfährt.
Es dürfte keine Frau geben, die nicht in irgendeiner Weise Menschen Heimstätte bietet.
Die Empörung über das Unglück des anderen ist der männlichere Bruder des Mitleidens.
Die Kehrseite des christlichen Mitleidens am Leiden des Nächsten ist die tiefe Beargwöhnung aller Freude des Nächsten, seiner Freude an allem, was er will und kann.
Alles Denken hat als Voraussetzung ein Gleichmachen.
In Eurer Liebe sei Tapferkeit! Mit eurer Liebe sollt ihr auf den losgehen, der euch Furcht einflößt. In eurer Liebe sei eure Ehre. Aber dies sei eure Ehre: immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet, und nie die Zweiten zu sein.
Wer sich selbst erniedrigt, will erhöhet werden.
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.
Alles quält sich, um ein elendes Leben elend zu perpetuieren.
Körnige Gedrängtheit, Ruhe und Reife, – wo du diese Eigenschaften bei einem Autor findest, da mache Halt und feiere ein langes Fest mitten in der Wüste: Es wird dir lange nicht wieder so wohl werden.
Hält sich einer mit entsagendem Sinne, absichtlich in der Einsamkeit, so kann er sich dadurch den Verkehr der Menschen, selten genossen, zum Leckerbissen machen.
Du sollst dein Weib aus einem anderen Volke als dem eigenen nehmen.
Ich vermute, daß wir nur sehen, was wir kennen.
Man liebt zuletzt seine Begierde, und nicht das Begehrte.
Der Mangel an Freunden lässt auf Neid oder Anmaßung schließen. Mancher verdankt seine Freunde nur dem glücklichen Umstande, dass er keinen Anlass zum Neide hat.
Die Gewohnheiten unserer Sinne haben uns in Lug und Trug der Empfindungen eingesponnen.
Welch schönes Kopfkissen ist der Zweifel für einen wohlgeformten Kopf!
Weg zur Gleichheit. – Einige Stunden Bergsteigens machen aus einem Schuft und einem Heiligen zwei ziemlich gleiche Geschöpfe. Die Ermüdung ist der kürzeste Weg zur Gleichheit und Brüderlichkeit.
Langsam ist das Erlebnis aller tiefen Brunnen.
Unbeliebten Personen rechnen wir die Artigkeiten, welche sie uns erweisen, zum Vergehen an.
Mit Personen, denen die Scheu vor dem Persönlichen fehlt, muß man nicht umgehen oder unerbittlich ihnen vorher die Handschellen der Konvenienz anlegen.
Die Eifersucht ist die geistreichste Leidenschaft und trotzdem noch die größte Torheit.
Mit Zeitungen, selbst den wohlgemeintesten, kann und darf ich mich nicht einlassen: – ein Attentat auf das gesamte moderne Presswesen liegt in dem Bereiche meiner zukünftigen Aufgaben.
Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird.