Emanuel Wertheimer Zitate
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Das Genie ist originell aus Natürlichkeit.
Gewisse Literaten leben vom Kultus mitunter zweifelhafter Größen. Wehe dem, der an diesem Nahrungszweige rüttelt.
Es gibt nur eine Andacht: jene, die uns Güte einflößt.
Das Wasser verliert seine Klarheit, sowie ein Philosoph hineinblickt.
Selbst am Kreise stößt sich der Pedant an Ecken.
Künstler! Auf alles setzt sich Staub, nur nicht auf Geist und Empfindung.
Der letzte Wille verleitet so oft zur ersten Wohlthat.
Bei Leichenfeierlichkeiten folgen die meisten den Lebenden, nicht den Toten.
Wer nicht auf Undank rechnet, hat noch wenig Wohltaten ausgeübt.
Das Gewissen ruft: wer emporsteigen will, muss mich unten lassen.
Der erste Ruhm ist vielleicht noch intensiver als die erste Liebe.
Ursprünglich denken, wirkt wie Wahnvorstellungen.
Wer schmeichelt, bettelt.
Viele erinnern nur noch durch ihren Haß, daß sie einer Religion angehören.
Die Liebe ist gar zu undankbar gegen die Eifersucht.
Der Notleidende ist rücksichtslos, unsre Hilfe anzurufen; er bedenkt nie, wie sehr wir überbürdet sind mit Pflichten gegen uns selbst.
Das eine kann man der Heuchelei nicht nehmen: sprechen hat sie von der Aufrichtigkeit gelernt.
Wie leicht wäre der Charakter zu verbergen, verrieten ihn nicht unsre Handlungen.
Ihre letzte Feile erwartet die Natur vom Menschen.
Es gibt mehr Masken als Gesichter.
Erwarte alles vom Mitleid, nur keine Hilfe.
Gewisse Philosophen bauen jetzt Labyrinthe, in die man – zum Glück – nicht einmal hineinfindet.
Will man einen Philosophen widerlegen, braucht man nur einen andern zu lesen.
Im Verhältnis zu unsrer Eitelkeit hat die Natur uns mit allem übrigen stiefmütterlich ausgestattet.
Die Verbrechen andrer entdeckt man fast mit mehr Freude als Entrüstung.
Wie glücklich wäre die Welt, wenn das Wohl aller von dem jedes einzelnen abhinge!
Fortgesetzte Bescheidenheit ist eine Herkulesarbeit.
Auf die poetische Wirkung allein hat sich die Natur bei der Liebe nicht verlassen, um so mehr auf die Brutalität.
Man demütigt sich vor andern, nicht für andre.
Höflichkeit ist ein notwendiger Schutz gegen die Aufrichtigkeit.
Der Anstand muß Zuschauer haben.
Den aufrechtesten Gang haben Kleine und Bucklige.
Warum das Elend so wenig rührt? Aus ästhetischen Gründen: es wiederholt sich zu oft.
Es bedürfte zu vieler Verdienste, um das zu sein, was man von sich hält.
Nur auf das Genie wirkt alles immer wieder mit der Wirkung des ersten Eindrucks.
Die Natur reicht für ihre Wirkungen noch immer mit den alten Mitteln aus.
Der Mensch vermag vieles auszuhalten: mancher kann jahrelang leben, ohne geistige Nahrung zu sich zu nehmen.
Erst dann ist man alt, wenn man zu bequem wird, zu genießen.
Die Natur versteht meisterhaft aufzubauen, aber stümperhaft niederzureißen.
Für den Gesetzgeber gibt es nichts Unverläßlicheres als die Religion – er setzt sie gar nicht voraus.
Herunter hilft dir jeder – aber hinauf…!
Es gibt Vorurteile, an die man sich klammern muß, um nicht alle Ideale zu verlieren.
„Glaube an Gott!“ heißt nur zu oft: glaube an gewisse Menschen!
Der Weg zu einem Orden ist oft so steil, daß man auf allen Vieren hinkriechen muß.
Die Bequemlichkeit täuscht sich immer über ihr Wohlbehagen – sie liegt nie lange bequem.
Man fürchtet Kindern ideale Grundsätze beizubringen, aus Angst, sie könnten später ihren Mitmenschen nicht gewachsen sein.
Man bedauert oft mit Vergnügen.
Was die Gesellschaft so anziehend macht, ist die täuschende Aufrichtigkeit, mit der man einander sagt, was man nicht glaubt.
Eine Religion – scheint es – kann sich nur erhalten, wenn sie vieles thut, was sie verbietet, vieles unterläßt, was sie befiehlt.
Was dem Emporkömmling fehlt, ist der Geschmack, sein Glück zu zeigen.