Elmar Schenkel Zitate
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Eine Wissenschaft der Entstaunung.
Namen sind Lebensfunken für die Kreativität. Wenn sie stimmen, setzen sie die richtigen Assoziationen frei.
Mir wurde klar, dass man Glück haben kann, auch wenn es nur ein kleinerer Teil davon ist, dass man aber das große Glück… nicht erzwingen kann.
Kaugummi am Boden: Altersflecken der Straße.
Unentschlossen diese Geste: zwischen Händefalten zum Gebet und Beifallklatschen zum Mord. (Eine Figur auf François Bunel III).
Das Lesen war uns schon immer eingeschrieben, als Zellen lernten, sich ihre DNA zu kopieren. Doch vielleicht nicht das Lesen, sondern das Kopieren hat uns immer begleitet.
Keine Wahrheit in Sicht, die uns daran hindert, den anderen umzubringen. Schon der Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ gibt den Übernächsten zur Jagd frei.
Jeder Tag folgt einem Fluß. Finde ihn, finde seine Richtung, finde die eine mögliche Brücke. Jeder Tag ist eine Brücke.
Wenn die Erinnerung stockt, wenn man nicht mehr weiter weiß, muß man das betrachten, was gerade vor Augen liegt.
Wir werden nicht geboren, sondern nur kurzzeitig dem Nichts entzogen.
Traum von einer vertrockneten Landschaft. Statt Gedanken fliegen dort Steine.
Unsere Welt lebt auf einer Endmoräne der Ewigkeit.
In der Bibel gibt es zwei hohe Orte, die Himmel und Erde verbanden und die den Menschen verboten waren: einen Turm und einen Baum.
… Langeweile… ist ein wertvolles Bakterium für unsere Glücks und Erkenntnisflora.
Was soll nur Bewusstseinserweiterung? Hat der Geist über seine Verhältnisse gelebt und will den Gürtel nicht enger schnallen?
Das Ich kann allein nicht bestehen. Es muss sich immer am Wir festhalten.
Die Träume sind wie Menschen. Erweise ihnen Respekt. Unterhalte dich mit ihnen, befrage sie, sie können dich langweilen oder enttäuschen, sie können aber auch antworten und dich anregen. Manchmal tragen sie einen Schlüssel mit sich, der auf dein Schloss passt.
Die Welt berechenbar zu machen, aber das Rechnen zugleich zu vereinfachen, darin lag das eigentliche Ziel dieses viktorianischen Helden, von dem behauptet wird, er habe den Vorläufer des Computers erfunden.
Wie oft möchten wir nicht die Toten bei uns haben, wie oft beschwören wir sie in unseren Reden! Und dann wiederum diese Angst vor den Untoten. Wir mögen’s halt nur metaphorisch.
Wie man sich rettet, so lügt man.
Ohne Brachzeiten verbrennt das Korn.
Ernst Jünger abgewandelt: wie sehr uns auch das Gedächtnis im Stich lässt, der Traum bleibt uns treu. Nur im Traum ist das Vergangene wirklich zu haben.
Der Vergleich ist der Beginn der Unzufriedenheit – und der Wissenschaft.
Jede Form von Utopie, die den Menschen als letzte Instanz auf der Erde einsetzt, hat ihr Problem mit dem Tod.
Sammlungen sichern ein Leben über den Tod hinaus. Der Sammler schützt sich durch das Sammeln vor dem Tod. Dadurch ist er einigermaßen zufrieden.
Wenn es um die Durchblutung von Gehirnzellen geht, ist Lügen besser als die Wahrheit sagen.
Skifahren ist nur eine besondere Form von Wassersport.
Aphorismen aus Missverständnissen: und plötzlich versteht man.
Monotonie der Biographien: der Anfang und das Ende – überall gleich.
Es ist gut, an Sex zu denken. Dann kommt man wenigstens nicht auf dumme Gedanken.
Andere Lösungen als die Nacht bringt der Tag.
Es gibt Orte, bei denen zählt nur, dass man dagewesen sein wird.
Fortschritt: das Böse wird zum Teil des Guten.
Erkenne dich selbst – das ist zu wenig. Erkenne auch die anderen.
Eine Klärung ist immer auch ein Verlust. Erbsünde des Aphorismus.
Das große Rätsel: Wie beginnt man sich für etwas zu interessieren? Anfang aller Pädagogik.
Erinnerung idealisiert, ebenso wie es die Antizipation tut – ich frage mich, ob es wirklich einen Unterschied gibt zwischen Vergangenheit und Zukunft: beides sind Täuschungen.
Der Mensch triumphiert durch seinen Sieg über die Höhe auch über die Zeit, oder so scheint es wenigstens. Hochhäuser sind in diesem Sinne gleichbedeutend mit den utopischen Aussagen einer Medizin, die das Ewige Leben verspricht.
Andere haben ein Handy, ich ein Notizbuch. Mein Notizbuch überträgt, sendet, speichert, buchstabiert, hat ein Spracherkennungssystem und hilft ebenso, die Einsamkeit zu überwinden.
Krankheit: Sprachverwirrung der Organe.
Angst vor Vampiren und Ahnenverehrung stehen nicht im Widerspruch. Sie bedingen einander.
Das alchemistische Labor dieser Tage ist der Computer, und sein Porzellan ist der Bildschirm. Auch er soll die Zeit, den Tod überwinden, doch wir verlieren alle Zeit dieser Welt an ihn.
Ideologien vermindern den Sauerstoffgehalt des Denkens.
Eine Religion, in deren Mittelpunkt die Verehrung des Hundebellens stünde.
Das beste Buch ist das ohne Leser.
Türme waren in der Menschheitsgeschichte immer Symbole von Einigung und Herrschaft – ob nun auf Staaten bezogen oder auf das Ich – denn auch Dichter und Denker pflegten gerne in Türmen zu wohnen oder sie gar zu bauen.
Das Wort Fehlleistung dürfte selbst eine sein. Wird doch der letzte Rest von Poesie im Alltag zum Fehler ernannt. Poesie ist die in Form gebrachte Fehlleistung.
Intuition setzt Wissen voraus, unbewusst gewordenes.
Fundamentalisten aller Couleur haben ein Problem mit der Nacktheit. Bei ihren Heiligen Schriften aber pochen sie auf Nacktheit. Es gibt keine andere Interpretation, denn die wäre nur Verkleidung.
Alle Grenzen abschaffen hat denselben Effekt, wie alle Ampeln auf Grün zu stellen: Massenkarambolage.