Elmar Schenkel Zitate
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Übersetzungsvorgang: nacheinander verschiedene Fenster öffnen.
Burnout: Wir leben zu hell, uns fehlen die Nächte.
Wir können uns nur unterhalten, weil wir verschieden sind. Komplette Empathie wäre das Ende von Sprache.
Mit dem Leib lächeln.
Interpunktion: das Blinzeln des Gedruckten
Geh hin, sprach der Aphorismus, nimm deinen Kopf und nicht den eines anderen!
Das eigene Gesicht von innen anschauen, wie einen gläsernen Schädel. Man wird dann inne, dass der Charakter sich im Nase-Mund-Bereich sammelt.
Auch Gefühle sind Architekturen: immer wieder geht man durch dieselben Korridore und schaut durch dieselben Fenster. Aber das Haus hat noch viele andere Korridore und Fenster.
Erfindungen springen dort ein, wo etwas fehlt. Sie sind in Wahrheit Lückenbüßer.
Beim Essen in einem Thai Restaurant. Es gab einst mehrere Paradiese, doch Gott kümmerte sich nur um eines. Die anderen scheint es noch zu geben.
Fast alle unsere Konflikte – von den menschlichen Beziehungen bis in den Verkehr und die Politik – rühren daher, dass wir uns nicht genügend in den anderen versetzen können.
Die Christianisierung um 770-800 bei den Sachsen (zum Beispiel) erinnert an die Internet-Revolution: Umstellung der Sitten, Techniken, Rituale, Abgaben, eine andere Informationswelt. Kommt es dabei auf Inhalte an?
Kirchtürme sind die Spitzen von vergrabenen Einhörnern.
Ideologien sind dauerhafte Denkgewohnheiten.
Wir stehen also mitten in einer Geschichte [der Science Fiction], deren Anfang wir suchen, solange noch kein Ende in Sicht ist.
Die Welt wird erst zum Organismus, wenn alles, was wir tun, Spuren hinterlässt. Das Internet ist der Anfang.
Der Regen hat ihr eine Brille angedichtet.
Die hohe Kunst des Fremdblickens.
Zeit – eine jener gefürchteten dunklen Sackgassen in der Ewigkeit.
Aufgabe der Erziehung: make people unboreable! Hilf ihnen so zu werden, dass sie sich nie wieder langweilen.
Seelische Landwirtschaft: Wir sind überdüngt.
Variation zu Rimbaud: Ich ist einander.
Der Name ist ein Intermezzo auf unserem Weg von der Namenlosigkeit in die Namenlosigkeit. Er bleibt eine Zeit lang sichtbar, wie die Kreise, die ein Stein im Wasser geworfen hat. Der Name ist ein Stein, der ins Wasser des Lebens geworfen wird.
Einen Gedanken überqueren können, auch wenn die Grammatikampel auf Rot steht.
Die Maschine zeigt dem Menschen, was ihm fehlt
Manche Gräber sehen aus wie gigantische Gelddruckpressen. Was ist eigentlich die Währung im Jenseits?
Die wahre Autorin aller Literatur ist die Grammatik. Das Futur erschafft die Science Fiction, die Vergangenheit das Epos, die Gegenwart das Gedicht. Das Konditional spielt mit Möglichkeiten. Der Konjunktiv zaubert die Fantasy herbei.
Die Raumfahrt beginnt in Siebenbürgen. In Hermannstadt lebte im 16. Jahrhundert der österreichische Ingenieur Conrad Haas und ihm verdanken wir die Mehrstufenrakete.
Der Mond jedenfalls ist ein Siebenbürger.
Letztlich kommt es immer darauf an, in welchem Geist Wörter gebraucht werden.
Die Menschen haben Wolken gelesen, Vogelflug, Schildkrötenpanzer, Knochen und Eingeweide. Doch ihr größtes Orakel tragen sie die ganze Zeit in sich, ihre Sprache.
Wunder? Komparativ von Wunde.
Wenn Nahestehende sterben, wundert man sich, dass man selbst noch lebt. Dann wird einem die eigene Sterblichkeit fühlbar oder man fantasiert sich eine eigene Unsterblichkeit herbei.
Sie [die Bücher] sind Lagerstätten von fossilierten Gedanken und daher voller geologischer Aufschlüsse.
Von Kindern lernen, heißt Dinge liegen lassen können.
Eine Meditation über Tapeten – solche, die den Raum öffnen oder verschließen. Tapeten erzeugen Innenzustände, man schaut auf die Wände des Bewusstseins.
So wie es überfischte, gibt es auch überforschte Gewässer.
[Das] menschliche Maß, mit dem wir in die Welt geschickt wurden, um sie schön zu finden oder ihre Gefahren rechtzeitig zu erkennen.
Jeder Gedanke ist eine Entfernung vom eigenen Körper und vom Jetzt.
Die Alchemie verkauft zwei Rezepte gegen das Unglück: den Stein der Weisen, der die unedlen Dinge in Gold verwandelt, und das Elixier des Lebens, das die Unsterblichkeit oder zumindest ein langes, langes Leben verspricht. Beide sind Rezepte gegen den Tod.
Jeder Augenblick ist farblich gesehen eine Neugeburt.
Die wahre Gefahr für den Reisenden ist der Reiseführer.
Unmöglich mit einem Lageplan der Promis über einen berühmten Friedhof zu gehen. Der Zufall im Himmel bewahrt unser Lächeln.
Verkaufe: „Schweigen für alle Anlässe“.
Wie würden unsere Tastaturen aussehen, wenn wir Vögel wären?
Das Betreten des Schweigens.
Kein Glück ohne Vergessen, sagen die einen. Die anderen sagen: Kein Glück ohne Erinnerung. Das Fazit: Kein Glück ohne Gegensatz.
Die Geschichte der Menschen ist die Geschichte ihrer Suche nach dem Glück.
Wirklichkeit, dieses Gewebe aus Vergangenheit und Zukunft.
Und sie bewegt mich doch! Das sollte ein neuer Galilei sagen.