Christian Morgenstern Zitate
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Ihr wollt meinen Platz wissen? Überall, wo gekämpft wird.
Neue Dichter seh ich kommen, nach innen den Blick gerichtet.
Worte sind wie Rettungsringe, die dem Leben dienen; auf den tiefen Grund der Dinge kommst du schwer mit ihnen.
Ich habe nie einsehen mögen, warum mittelmäßige Menschen deshalb aufhören sollten, mittelmäßig zu sein, weil sie schreiben können.
Sich bewußt ausweiten. Von Gegensatz zu Gegensatz gehen. Vom Ersten bis zum Letzten und umgekehrt. Keinen und nichts vergessen, übersehen, gering achten.
Die Ästhetischen Ihr preist die Kraft und schmäht die Tat, ihr weder Fisch noch Fleisch, ihr – Kopf-Salat!
In dem lateinischen Wörtchen „duo“ ist nur das deutsche Du sichtbar enthalten; das „Ich“ ruht unsichtbar und doch ewig lebendig darin, wie unter Menschen das geliebte Ich im Herzen des liebenden Du.
Im Anfang war – Mein Ziel.
Je ernster ein Kritiker seine Kritik nimmt, desto kritischer wird er seinen Ernst nehmen.
Du kannst keinen Großen mehr ruhig verehren, mußt dich zugleich seiner Narren erwehren.
Seßhaft werden, Tempobändigung, Tempobeherrschung.
Sonne. Sie glüht ewig. Sie leidet unsäglich. Wir leben von ihrem Leiden. Sie verzehrt sich in ihrer Liebe Tag und Nacht. Vom Tode lebt das Leben. Ein Opfertod macht die Welt erst möglich.
Wer das feine zweite Ohr für den Souffleur hat, sieht die Geschichte der Menschheit anders an.
Ihr wollt alle nur die Liebe zur Möglichkeit haben. Ich habe nur die Liebe zur Unmöglichkeit.
Wie ward ich oft gebrochen, brach mich selbst, Und dennoch leb ich, unverwüstlich stark; Was alles liegt in mir geknickt, verdorrt, Doch unaufhaltsam wächst es drüber hin.
Nur wer den Menschen liebt, wird ihn verstehen. Wer ihn verachtet, ihn nicht einmal sehen.
Siehe eine Sanduhr: Da läßt sich nichts durch Rütteln und Schütteln erreichen, du mußt geduldig warten, bis der Sand, Körnlein um Körnlein, aus dem einen Trichter in den andern gelaufen ist.
Hoffnung? Warum hoffen. Steht die Bahn nicht offen Zu weit mehr?
Wenn du ein Geldstück von Wert bist, so briefwechsle dich nicht zu oft.
Ich bin der leichterregbarste und unbeeinflußbarste Mensch, den ich kenne.
Wer wollte den Gutartigen, den Begabten, den Wunderlichen nicht lieben! Aber den Böswilligen, den Ungeistigen, den Langweiligen zu lieben gilt es.
Es liegt wohl im Wesen des Religiösen, daß es, wenn es sich einmal auf den Weg gemacht hat, nicht mehr Halt machen kann.
Die Luftschifffahrt wird dem religiösen Genie der Menschheit neue Nahrung geben. Zu den großen Beförderern kosmischer Stimmungen: Wald, Meer und Wüste, wird nun noch der Luftraum kommen.
Ich würde nichts Schöneres kennen, als in Ewigkeit weiterlernen zu dürfen.
Vorsicht und Mißtrauen sind gute Dinge, nur sind auch ihnen gegenüber Vorsicht und Mißtrauen nötig.
Es gibt Menschen, deren einmalige Berührung mit uns für immer den Stachel in uns zurücklässt, ihrer Achtung und Freundschaft wert zu bleiben.
Alle heilt der Entschluß.
Unsere Art zu richten und zu strafen erscheint mir immer kindlicher. Ein einziger wirklicher Mensch würde das alles über den Haufen werfen. Wieviel ließe sich da individualisieren!
Nichts trostloser als ein Humor, den man aus Humorlosem kitzelt. Die Welt ward zu Tode gewitzelt und trister denn je zuvor.
Die Sonne grübelt nicht, warum sie scheine. Sie scheint. Ihr Leben, Künstler, sei das Deine.
Die meisten Menschen sprechen nicht, zitieren nur. Man könnte ruhig fast alles, was sie sagen, in Anführungsstriche setzen; denn es ist überkommen, nicht im Augenblick des Entstehens geboren.
Lärchen, Birken, Erlen, ein fraulicher Wald!
Eure Todesstrafe, noch mehr Euer Kriegführen, Ihr Menschen, ist nicht mehr und nicht weniger als – Selbstmord.
Die Hälfte allen Unglücks – vom gröbsten bis zum feinsten – geht auf Unwissenheit oder Denkfehler zurück, gewollte oder ungewollte Ungeistigkeit.
Die Weltanschauungen mancher Menschen gleichen lächelnden Festungen.
Dem Kinde im Manne.
Sieh an, wie ein Zweirad in Bewegung und Fahrt gesetzt wird. Wenn du deinen Willen so in Bewegung und Fahrt zu versetzen vermagst, so wirst du nach einigen Schwankungen wie ein Meister im Sattel sitzen.
Wozu, so fragt man sich, Reich, Wohlstand, Macht, wenn alles das die Menschen nur verflacht.
Eine Karikatur ist bloß immer einen Augenblick wahr.
Ich habe noch nie eine Phantasie gehabt, die nicht eine – wenn auch noch so verborgene – Nabelschnur zur Wirklichkeit gehabt hätte.
Genuß kann unmöglich das Ziel des Lebens sein. Genuß ohne etwas darüber ist etwas Gemeines.
Ich verbrenne an meinem eigenen Maßstab.
Man muß Gott schon in Zwei teilen, wenn seine schönste Empfindung, die Liebe, nicht allerletzten Endes Selbst-Liebe sein soll.
Woran sollen wir uns erziehen? An großen Biographien.
Mein kleiner Wecker tickt und tickt.
Gedanken wollen oft wie Kinder und Hunde, daß man mit ihnen im Freien spazierengeht.
Es gibt noch eine größere Liebe als die nach dem Besitz des geliebten Gegenstandes sich sehnende: Die die geliebte Seele erlösen wollende. Und diese Liebe ist so göttlich schön, daß es nichts Schöneres auf Erden gibt.
Jede gründliche Erfahrung muß mit eigenem Leben bezahlt werden – und fremdem.
Zum Geleit Laß die Moleküle rasen, Was sie auch zusammenknobeln! Laß das Tüfteln, laß das Hobeln, heilig halte die Ekstasen.
Es gibt nichts, das ich Mir nicht vergeben könnte, und nichts, das ich nicht überwinden möchte.