Carl Spitteler Zitate
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Die Schönheiten der italienischen Natur wollen weilend genossen sein, nicht im Wandel, sondern aus dem Rahmen von Palästen und Kunstgärten, träumend und erschöpfend.
Wenn schon die Poesie überhaupt ein Rätsel ist, so ist die Lyrik das Rätsel der Rätsel.
Kein Schicksal ist auf Erden noch so graus, die Liebe schöpft ein Körnchen Glück daraus.
Das Wörtchen „trotzdem“ ist ein schlechtes Bindewort.
Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden.
Schwierigkeiten heilt man nicht mit Gewalt und Kalamitäten, nicht mit Beschlüssen, sondern mit Klugheit und Vorsicht.
Erleichtert von den halben Freunden fährt sich’s freier.
Für einen fühlenden Menschen bedarf es der Entschuldigung, dass er sich des Wohlbefindens erfreut, während andere leiden.
Wo Männer schweigen, reden die Gedanken.
Qualen jeglichem Geschöpfe schenkt die gütige Natur, aber Mitleid und Erbarmen blüht im Menschenherzen nur.
In der Tat läßt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einen einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, soviel er kann. Punktum. Mit Verdauungspausen und Ohnmachtsanfällen, welche man „Frieden“ nennt.
Häßlich grinst das Alter und Verderben, der Jugend Lebensdurst und das Gesicht der Erben.
Die Natur kennt das Zeitwort „sollen“ nicht; das stammt aus der Sozialgrammatik der Menschen.
Willkommen, Weib, du einzig lebenswerte Lüge!
Aber ein Jubilar, was hat denn der heute Jubelnswertes erreicht? Das siebenzigste Altersjahr. Ein verwünschter Gewinn! Das heißt einen Erlaubnisschein auf Magenkrebs oder Gehirnerweichung.
In allen Übeln des Lebens ist mein Heilmittel der Mut. Sich um nichts kümmern!
Eine mit politischen Hintergedanken gespickte Humanität aber ist weder eine reine noch eine ganze Humanität. Sie hört nur mit dem linken Ohr, auf dem rechten ist sie stocktaub. Mit dem linken Ohr aber hört sie, was ihr in den politischen Kram paßt, schon zum voraus.
Für alle galt, für jeden war gemeint die Träne, die um einen ward geweint. War keiner so verachtet und gering, der nicht ein kleines Tröpflein mit empfing.
Man kann beobachten, daß eines jeden Menschen Sehnsucht nach derjenigen Gegend reist, in welcher er das meiste und kräftigste Licht und die sattesten Farben wahrgenommen hat.
Zu jeder Zeit geht unter, was niedrig ist und faul. Stillschweigend schafft der Meister, der Stümper braucht das Maul.
Gewiß, Wehmut tut wohl, wie jedes erweichte Leid.
Warum schmücken sich die Frauen? Halten sie uns etwa allen Ernstes für so dumm, daß wir den von außen hinzugelegten Flitter ihrem Wesen, ihrem persönlichen Wert zuzählen würden? Nein, für so dumm halten sie uns nicht, wohl aber für so töricht. Und mit Recht.
Viele Worte wässern, wenig Worte würzen.
Das Glück kauft man nirgends an, das muß man schon selber mitbringen.
Was vergangen, sei vergeben, Wer da glaubt und hofft, wird leben. Was faul ist, das muß fallen. Gruß von Gott den Mutigen allen.
Die Frauen nämlich gehören stets zu den modernsten aller Menschen; und nicht bloß deswegen, weil sie meistens jünger sind, als ihr Geburtsschein behauptet.
Selbst zum Genuß des Glücks bedarf man Mut.
Es ist nicht die geringste, tatsächliche Macht vonnöten, um einen Terrorismus zu begründen, es genügt, daß jedermann sich ducke.
Vom Übermut zum Frevel ist der Weg nicht weit.
Und dieses einzig nenn‘ ich Glück, daß eines Mannes Name sich vermähle mit der ganzen Menschheit Wohlgedeihen, also daß die künftigen Geschlechter dankend ihn begrüßen. Dieses heiß‘ ich Glück, und alles andere Wohlbefinden nenn‘ ich unwert eines edlen Mannes.
Die Phantasie ist die schönste Tochter der Wahrheit, aber etwas lebhafter als die Mama.
Ein gerechtes Urteil [über einen Feind] wird […] als Parteinahme für den Feind empfunden.
Alle, die jenseits der Landesgrenze wohnen, sind unsere Nachbarn, und bis auf weiteres liebe Nachbarn; alle, die diesseits wohnen, sind mehr als Nachbarn, nämlich unsere Brüder.
Politische Staatengebiete [sind] keine sentimentalen und keine moralischen Mächte, sondern Gewaltmächte. Nicht umsonst führen die Staaten mit Vorliebe ein Raubtier im Wappen. […] Jeder Staat raubt, soviel er kann.
Der Haß hat keine Bedenken und die Waffe kein Gewissen.
Weder das Alter noch die Jugend sind im mindesten ein Verdienst noch ein Vorzug, ja nicht einmal eine Eigenschaft, sondern einfach ein Zustand. Man ist jung oder alt, so wie man gesund oder krank ist.
In der Familie der Wohltätigkeitsliteratur gibt es eine […] überaus effektvolle, populäre und dankbare Spezies […]: die Entrüstungsliteratur. Charakteristisch […] ist ihre Willkürlichkeit, Launenhaftigkeit und Zufälligkeit in Hinsicht auf den Gegenstand der Entrüstung.
Jedes Sehen will gelernt und geübt sein. Man sieht bloß, was man unterscheidet, und man unterscheidet nur, wofür man sich einmal interessierte und was man mit Namen zu nennen weiß.
Wohin Sie mit dem Herzen horchen, sei es nach links, sei es nach rechts, hören Sie den Jammer schluchzen, und die jammernden Schluchzer tönen in allen Nationen gleich, da gibt es keinen Unterschied der Sprache.
Unentschlossenheit ist auch eine Feigheit: Willensfeigheit.
Die atmosphärische Luft in jedem Augenblick zur schmeichelnden Freundin statt zur Feindin zu haben, das ist schon ein unermeßlicher Gewinn, den auch jener, der ihn nicht mit dem Bewußtsein ermißt, mitempfindet.
Man muß wahrlich eine geringe Meinung von der Einbildungskraft hegen, um zu glauben, das, was der Dichter aus seiner Seele hervorgeholt, könnte nicht von der Seele aufgenommen, die Bilder, die jener mit produktiver Vision schaute, könnten nicht mit rezeptiver Vision wiedergeschaut werden…
Denn niemand ist so groß, und reicht er zu den Sternen, Eh daß er etwas kann, muß er’s bescheiden lernen.
Das Menschengeschlecht von heute: Es ist kein Mannesmark, es ist ein Teig, mit Fäusten tapfer, an Charakter feig. Es fehlt der Mut, der im Gewissen sitzt, der freie Geist, der frisch die Wahrheit blitzt.
Wer lügt in den Schlachtberichten? Nicht diese oder jene Nation, sondern jeweilen der Geschlagene. Der Sieger hat es leicht, bei der Wahrheit zu bleiben.
Ein einfacher grüner Rain, dessen Horizont sich gegen den blauen Himmel abzeichnet, bedeutet ein wahres Sprungbrett der Phantasie.
Besser auseinandergehen in Einigkeit, als immerdar beisammen sein mit Zank und Streit.
Die ganze Welt ist eitel Truggefüge! Willkommen Weib, du einzig liebenswerte Lüge.
Ich kenne aber nichts Beleidigenderes als einen Ruhm ohne Ehrerbietung. Erst achtet einen Menschen, dann verbeugt euch, hierauf verbeugt euch noch einmal, hernach rühmt ihn.
Hohn und Jubel sind die denkbar lautesten Äusserungen der Parteilichkeit, schon darum auf neutralem Gebiet verwerflich.