Angelus Silesius Zitate
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Christ! mit dem halben Teil wirst du Gott nicht begaben, Er will das Herze ganz und nicht die Hälfte haben.
Der Zufall muß hinweg und aller falscher Schein: Du mußt ganz wesentlich und ungefärbet sein.
So du kannst ein Kind von ganzen Herzen werden, so ist das Himmelreich schon deines hier auf Erden.
Wer Gott in seinem Tun von Herzen loben kann, Der hebt schon in der Zeit das ew’ge Leben an.
Mensch, geh‘ nur in dich selbst, denn nach dem Stein der Weisen darf man nicht zuallererst in fremde Länder reisen.
Kind, mache dich gemein mit der Barmherzigkeit. Sie ist die Pförtnerin im Schloß der Seligkeit.
Mensch, deine Seligkeit kannst du dir selber nehmen: So du dich nur dazu willst schicken und bequemen.
Der Weise, wenn er stirbt, Begehrt den Himmel nicht; Er ist zuvor darin, Eh ihm das Herze bricht.
Das Buch ist der bequemste Freund, man kann sich mit ihm unterhalten, so lange und so oft man will, man ist ganz ein Empfangender, kann in jeder Stimmung die rechte Kost wählen und ist nie enttäuscht.
Nicht alles Gut‘ ist gut. Mensch, überred dich nicht! Was nicht im Lieb-Öl brennt, das ist ein falsches Licht.
Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.
Willst du die falsche Lieb‘ von wahrer unterscheiden, So schau! Sie sucht sich selbst und fallet ab in Leiden.
Die Rachgier ist ein Rad, das nimmer stille steht. Je mehr es aber läuft, je mehr es sich vergeht.
Das Kleid macht nicht den Mann, der Sattel macht kein Pferd.
Blüh auf, gefrorner Christ, der Mai steht vor der Tür! Du bleibest ewig tot, blühst du nicht jetzt und hier.
Dass du nicht Menschen liebst, das tust du recht und wohl; Die Menschheit ist’s, die man im Menschen lieben soll.
Gott ist als Kind geborn, hat Mensch zu sein erkorn.
Viel wären zum Genuß der ew’gen Wollust ‚kommen, Wenn sie mit zeitlicher sich hier nicht übernommen.
Die Seele ist ein Kristall, die Gottheit ist ihr Schein, der Leib, in dem du lebst, ist ihrer beider Schrein.
Ein Christ erfreuet sich in Leiden, Kreuz und Pein. So kann ja Freud und Leid gar wohl beisammen sein.
Ich sag, es hilft dir nicht, dass Christus auferstanden, wo du noch liegen bleibst in Sünd‘ und Todesbanden.
Mensch, ist was Gut’s in dir, so maße dich’s nicht an; sobald du dir’s schreibst zu, so ist der Fall getan.
Der Mensch muß doch was sein! Gott nimmt sein Wesen an: Um aller Engel willen hätt‘ er solches nicht getan.
Aus Gott wird man geboren, in Christo stirbet man, Und in dem Heiligen Geist fängt man zu leben an.
Ich bin wie Gott, und Gott wie ich Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein; Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.
Zwei Augen hat die Seele: eins schauet in die Zeit. Das andre richtet sich hin in die Ewigkeit.
Die Lieb ist ewig.
Mensch, wenn du noch nach Gott Begier hast und Verlangen, so bist du noch von ihm nicht ganz und gar umfangen.
Der Zorn ist höllisch Feuer. Wenn er in dir entbrennt, so wird dem heilgen Geist sein Ruhbettlein geschänd’t.
Mensch, wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit, so kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.
Mensch, alles was du willst, ist schon zuvor in dir; es liegt nur an dem, daß du es nicht wirkst herfür.
Der Weise sucht nur eins, und zwar das höchste Gut: Ein Narr nach Vielerlei und Kleinem streben tut.
Das edelste Gebet ist, wenn der Beter sich In das, vor dem er kniet, verwandelt inniglich.
Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, Werd‘ ich selbst zunicht, Er muß vor Not den Geist aufgeben.
Mensch, in das, was du liebst, wirst du verwandelt werden, Gott wirst du, liebst du Gott, und Erde, liebst du Erden.
Du armer Sterblicher, ach bleib doch nicht so kleben An Farben dieser Welt und ihrem schnöden Leben: Die Schönheit des Geschöpfs ist nur ein bloßer Steg, Der uns zum Schöpfer selbst, dem Schönsten, zeigt den Weg.
Mein bester Freund, mein Leib, der ist mein ärgster Feind; er bind’t und hält mich auf, wie gut er’s immer meint. Ich hass‘ und lieb ihn auch, und wenn es kommt zum Scheiden, so reiß ich mich von ihm mit Freuden und mit Leiden.
Man sagt, die Zeit ist schnell; wer hat sie sehen fliegen? Sie bleibt ja unverrückt im Weltbegriffe liegen.
Kein Tod ist herrlicher, als der ein Leben bringt, Kein Leben edler als das, was dem Tod entspringt.
Die Rose, welche hier dein äußres Auge sieht, Die hat von Ewigkeit in Gott also geblüht.
Trag’s, wenn sich’s nicht ändern läßt.
Wer Gott um Gaben bitt‘, der ist gar übel dran: Er betet das Geschöpf und nicht den Schöpfer an.
Die Liebe geht zu Gott unangesagt hinein, Verstand und hoher Witz muß lang im Vorhof sein.
Geschäftig sein ist gut, viel besser aber beten, noch besser stumm und still vor Gott den Herren treten.
Der Geist bleibt allzeit frey. Schleuß mich so streng du wilt in tausend Eisen ein Jch werde doch gantz frey und ungefässelt seyn.
Alles gilt dem Weisen gleich: er sitzt in Ruh‘ und Stille: geht es nach seinem nicht, so geht’s nach Gottes Wille.
Wer seine Sinnen hat ins Innere gebracht, Der hört, was man nicht redt, und siehet in der Nacht.
Komm‘, schau her Jungfrau Kind, dann siehst du in der Wiegen den Himmel und die Erd‘ und hundert Welten liegen.
Die kluge Jungfrau hat ihr’n Schmuck in sich allein Die Törin denkt sich schön in schönen Kleidern sein.
Geh hin, wo du nicht kannst, sieh, wo du siehest nicht; hör, wo nichts schallt und klingt, so bist du, wo Gott spricht.