Jean Paul Zitate
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Frauenfeindschaft: Aber warum sprechen Männer dieses Wort so oft aus über Wesen, denen sie den ersten Dank des Lebens schuldig sind, und die von der Natur selbst geopfert werden, damit Leben nach Leben erscheine?
Leben zündet sich an Leben, mithin das Höchste im Kinde nur durch Beispiel.
Das Unmoralische, was man an sich am meisten tadelt, sieht die Welt gar nicht, oder es fällt ihr nicht auf; aber Handlungen, die man vor dem Gewissen auf Kosten des Verstandes verantwortet, trägt die Welt uns als unsittlich nach.
Sprache-Lernen ist etwas Höheres als Sprachen-Lernen; und alles Lob, das man den alten Sprachen als Bildungmitteln erteilt, fällt doppelt der Mutter-Sprache anheim, welche noch richtiger die Sprach-Mutter hieße.
Komme nur wieder, Jugend, komme wieder!
Kinder und Uhren dürfen nicht ständig aufgezogen werden: man muß sie auch mal gehen lassen.
Setze in jeder Gesellschaft, wo du viel sprichst, einen Feind voraus, um dich zu mäßigen.
Im Sommer ist man menschlicher, im Winter bürgerlicher.
Wenn man sich einmal vorgesetzt hat, sich kalt zu stellen, so wird man es noch mehr, wenn man Ursachen findet, es nicht zu werden.
Mit dem Kinde zugleich bildet die Mutter ihr heiligeres Ich.
Wir verzeihen, ja wählen viel leichter lügendes Handeln, als lügendes Sprechen. Die That, die Mimik, das Schweigen lügen öfter als die Zunge.
Das Streben nach Wahrheit macht uns zu sehr offen für jede neue Ansicht.
Die Mütter geben unserem Geiste Wärme und die Väter Licht.
Bücher wirken wenig auf Individuen, aber doch auf das Jahrhundert und mithin auch auf jene.
Scharfsinn ohne Empfindung ist Mühlstein ohne Korn.
Ohne eine Gottheit gibt’s für den Menschen weder Zweck, noch Ziel, noch Hoffnung, nur eine zitternde Zukunft, ein ewiges Bangen vor jeder Dunkelheit und überall ein feindliches Chaos unter jedem Kunstgarten des Zufalls.
Ein ganz Tugendhafter muß viel Geist oder Feuer haben, um nicht langweilig zu sein.
Nach der Kraft gibt es nichts so Hohes, als ihre Beherrschung.
O, die Wunde des Gewissens wird keine Narbe, und die Zeit kühlt sie nicht mit ihrem Flügel, sondern hält sie bloß offen, mit ihrer Sonde.
Das stille häusliche Glück ist darum das edelste, weil wir es ununterbrochen genießen können. Geräuschvolles Vergnügen ist nur ein fremder Gast.
Wenn die Wünsche und die Lagen des Menschen sich miteinander umkehren: so klagt er doch wieder die Lagen, nicht die Wünsche an.
Leider sind drei Dinge schwer zu finden und zu geben: einen Charakter haben – einen zeichnen – einen erraten.
Der Schlag des Todes zerstäubt den ganzen Plunder von unsern Torheiten.
Man kommt leichter zu jedem andern als zu sich.
Der Egoist findet nur dann keinen Egoismus, wenn man seinem eigenen immerfort dient.
Und ich ging ihm entgegen, und unter dem freien Himmel lag ich endlich an seinem Mund und an seiner Brust, und ich konnte vor erstickender Freude kaum sprechen und nur weinen.
Die Erziehung ist ein Rasiermesser, das den Klecks durchscheinen läßt.
Nichts wird weniger in Gesellschaft erraten als die Empfindsamkeit, besonders die männliche.
Die besten Weiber sind unter den Weibern – Weiber.
Um sich etwas zu erklären, nimmt die große Welt lieber die entsetzlichste Sünde als eine gewöhnliche an.
Das Unrecht, das dir geschieht, treibe lächelnd ab, aber nicht als Individuum, sondern als Menschheit; diese sollte sich nicht alles gefallen lassen.
Daran erkenn‘ ich eben den Freund, daß er mich oder sich nicht unterhalten, sondern bloß dasitzen will.
Überhaupt halte ich die beständige Rücksicht, die wir in allen unsern Handlungen auf fremde Urteile nehmen, für das Gift unsrer Ruhe, unsrer Vernunft und unsrer Tugend.
Wer an das Gute im Menschen glaubt, bewirkt das Gute im Menschen.
Wie ist jeder so allein in der weiten Leichengruft des Alles!
Alles Erste bleibt ewig im Kinde, die erste Farbe, die erste Musik, die erste Blume malen den Vorgrund seines Lebens aus.
Liebe ist ein Auszug aus allen Leidenschaften auf einmal.
Jeder Mensch glaubt, er sei unter allen der wichtigste, der beste; aber nur der Narr und der Dummkopf haben den Mut, es zu sagen.
In der höheren Liebe ist der Zorn nur Trauer über den Gegenstand.
Derselbe Mann, der mich besucht, zeigt sich ganz anders, als wenn ich ihn besuche. Beide Verhältnisse geben erst den Durchschnitt eines Charakters. Ja wieder anders zeigt er sich im Begegnen auf der Reise, wo er weder Gast noch Wirt ist, sondern nur Erdenbürger.
Man imponiert und gewinnt mehr, wenn man über eine Sache lange spricht, als viel (kurz); die Ausdehnung der Rede gilt für Ausdehnung der Kenntnis.
Weiber hassen den selten, den sie verläumden – sie denken nichts Böses dabei, wenn sie es sagen.
Die Liebe ist das Leben des Weibes, aber eine Episode im Leben des Mannes.
Nichts ist gefährlicher, als zwei Menschen auszusöhnen – man müßte denn der eine selber sein; sie zu entzweien, ist viel sicherer und leichter.
O das Leben ist ein langer, langer Seufzer vor dem Ausgehen des Atems.
Leichter gönnen sogar gute Menschen dem andern jedes Glück, sogar das unverdiente, aber nie das unverdiente Lob.
Die Ursache, warum ein Mensch neben einem andern soviel mehr Mut hat, als allein, liegt tief. Das Alleinsein ist uns der fürchterlichste Gedanke der Schöpfung und eine Furcht, die nie recht aus uns will.
So lange man lieset, besinnt man sich auf alles, nur nicht auf sich.
Ich bitte jeden, einmal innerlich seine Affekten ganz ausreden zu lassen und sie abzuhören und auszufragen, was sie denn eigentlich wollen: er wird über das Ungeheuere ihrer bisher nur halb gestammelten Wünsche erschrecken.
Anfangs fällt die Gestalt im Grabe ein, dann schleift sich sogar ihr Bildnis auf dem Grabsteine hinweg; – was bleibt? Was beide erschuf, die Seele!