Jean Paul Zitate
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Kurze Parenthesen können, bandlos abgebrochen, als neue Perioden mitreden; ein langer Schmarotzer-Periode muß sich durchaus mit dem Stammperioden grammatisch verwurzeln; und die Probe der Güte ist, daß der Leser nicht dabei zurückzulesen hat.
Die Siege im Krieg werden gewöhnlich sittlicher erfochten als die diplomatischen und ministeriellen im Frieden.
Auch die gelesene Wahrheit muß man hinterher erst selber erfinden.
Frömmigkeit kann niemand lehren, der sie nicht selbst hat. Wer an keinen Gott im Himmel glaubt, weil er keinen in seinem Herzen fühlt, kann nichts als Heuchler oder höchstens heidnische Stoiker erziehen.
Schulet Kinder durch Kinder!
In den besten Reisebeschreibungen interessiert uns doch der Reisende am meisten, wenn er sich nur zeigen mag. Wer eine Reise beschreibt, beschreibt damit sich immer auch selber.
Wenn in euerer letzten Stunde […] alles im gebrochenen Geiste abblüht und herabstirbt, Dichten, Denken, Streben, Freuen: so grünt endlich nur noch die Nachtblume des Glaubens fort und stärkt mit Duft im letzten Dunkel.
Heiterkeit des Herzens schließt wie der Frühling alle Blüten des Inneren auf.
Man lernt Verschwiegenheit am meisten unter Menschen, die keine haben – und Plauderhaftigkeit unter Verschwiegenen.
Allerdings, Freund, taugen die Menschen und die Gurken nichts, sobald sie reif sind.
Die Eitelkeit besteht nicht in der Kleidung, oft kaum im Handeln, sondern in der ewigen unmerklichen Stellung jedes Worts, damit es höheres Lob abwerfe.
Ein verdrießlicher Gott ist ein Widerspruch oder der Teufel.
Alles Thun kann nur stärken und spornen, nicht stillen.
Den berühmten Mann freuet kein anderes Lob weiter als ein größeres.
Zeige nie in Reden Trotz und Mut, sondern in Taten – weniger Feinde machst du.
Um froh zu sein, muß man einen langen Geschäftsplan haben, der doch die Freuden nicht aussperret, sondern einschließet: am besten wenn die Geschäfte und Freuden in eins fallen (bei mir).
Daß der Verstand erst mit den Jahren kommt, sieht man nicht eher ein, als bis der Verstand und die Jahre da sind.
Das Leben ist wie ein Buch, und wer nicht reist, liest nur ein wenig davon!
Wir irren in nichts mehr als in unsern Prophezeiungen, daß künftig etwas werde schlimmer (z.B. kränker) oder besser (reicher) werden. Die Neigung, systematisch zu schließen (sein), schieben wir der Natur unter; und diese leichtere Verkettung halten wir für Wahrscheinlichkeit.
Der Spott über Abscheulichkeit (wenn es nicht juvenalischer ist), z.B. Päderastie, mindert den Abscheu mehr, als er ihn mehrt.
Und welche Sekunde ist die wichtigste im ganzen Leben? Gewiß nicht die letzte, wie Theologen sonst sagten, sondern wahrscheinlich die erste, wie Ärzte bewiesen.
Ach nicht das bunte Ufer fliehet vorüber, sondern der Mensch und sein Strom; ewig blühen die Jahreszeiten in den Gärten des Gestades hinauf und hinab, aber nur wir rauschen einmal vor den Gärten vorbei und kehren nicht um.
Das All ist das höchste, kühnste Wort der Sprache und der seltenste Gedanke: denn die Meisten schauen im Universum nur den Marktplatz ihres engen Lebens an, in der Geschichte der Ewigkeit nur ihre eigene Stadtgeschichte.
Nichts erkältet mehr die edelsten Teile des innern Menschen als Umgang mit Personen, an denen man keinen Anteil nehmen kann.
Man fürchtet den Gerechten, noch mehr den Ungerechten.
An ungebildeten Leuten ärgert einen Eigennutz nicht.
Wo die Menschen an Verstand übertroffen werden, glauben sie, es sei nur an Wissenschaft.
In der moralischen Welt verbreitet sich Licht langsamer als Wärme; anders als in der physischen.
Das Echo wie der Nachruhm behalten nur die letzten Silben eines Menschen.
Erstlich zur Seltenheit muß man sich machen, und damit man es bleibe in der Gesellschaft, zuweilen hintereinander keine Seltenheit sein.
Das Peinlichste am körperlichen Schmerze ist das – Unkörperliche, nämlich unsere Ungeduld und unsere Täuschung, daß er immer währe.
Die deutsche Sprache bleibt unter allen europäischen Sprachinstrumenten eigentlich als die Orgel – doch soll auch die französische gelten als Schnarrwerk oder Flageolett und die englische als Bootmannspfeife.
Ich kenne für Kinder in den ersten Jahren kein wohlfeileres, mehr nachhaltendes, beiden Geschlechtern angemessenes Spielzeug als – Sand.
Fern von Menschen wachsen Grundsätze, unter ihnen Handlungen.
Wunder auf Erden sind Natur im Himmel.
Heimlich glauben die meisten, Gott existiere bloß, damit sie erschaffen wurden.
Unbeständigkeit gegen seinen Vorsatz heißet sich selber das Wort brechen, welches man sowenig wie gegen einen andern darf: da dieselbe schädliche Folge des Mißtrauens daraus entsteht.
Man muß sich immer einen Rat geben lassen – wenn man ihn auch nicht befolgt, so benützt man ihn doch.
Man ist gerechter gegen seine Feinde als gegen seine Freunde.
Jeder modisch Gekleidete hält sich für den Repräsentanten des Jahrhunderts oder Dezenniums.
Die kleine Stadt sagt von der kleineren, sie sei noch nicht so verdorben – und so Tugend immer im Verhältnis der Kleinheit.
Über die Erziehung schreiben heißt beinahe über alles auf einmal schreiben.
Eigentliche Aufmerksamkeit [ist] so wenig einzupredigen und einzuprügeln als ein Trieb.
Zur Ehe gehört nicht bloß, daß man das Mädchen, sondern auch, daß man sich prüfe – ob nämlich zwei Vortreffliche dennoch sich einander nicht fügen.
Verschweigen und verstellen fließen leicht zusammen.
Essen nimmt, Trinken gibt Enthusiasmus.
Eigne Anmerkungen findet man zum Aufzeichnen oft bloß darum zu unbedeutend, weil man sie durch langes Herumtragen und Handeln darnach sich selber gemein gemacht.
Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man leicht die Fiedel auf den Kopf.
Bloß mit leeren Gräbern fliegt die Erde um die Sonne; denn ihre Toten stehen entfernt auf hellern Sonnen.
Manche handeln poetischer als sie schreiben.