Jean Paul Zitate
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Er ist sein eigenes Gebeinhaus.
Niemand hat weniger Ehrgefühl als eine Regierung.
Manche geben allen großen Wahrheiten Kleinheit, wenn sie sie nur sagen.
Nicht die Freuden, sondern die Leiden verbergen die Leere des Lebens.
Nichts hasset man so, als die erste Äußerung eines Lasters, das man nicht erwartet.
Wird deine Jugend gemartert und beraubt, so blüht sie dir im Alter nach; wie der Rosenstock, dem im Frühling die Blätter ausgerissen werden, im Winter Rosen trägt. So hoffe, Erdensohn!
Der gute Mensch sucht oft durch aufopfernde Taten sein Gewissen wieder mit seinen Gelenken auszusöhnen.
Wo es am Scherz fehlt, fehlt es im Grunde am Ernst.
Ich bin, was ich bin, und werde schwerlich anders.
Denken lernt man nicht an Regeln zum Denken, sondern am Stoff zum Denken.
Die Liebe wirft den Jüngling aus seinem Ich hinaus unter andre Ich, das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hinein.
Die meisten fangen an, in ihr eignes Lob zu geraten, wenn man ihnen lange eines erteilt, wie der Hund sich selber mit zu kratzen anfängt, wenn man ihn wohltuend kratzt.
Nicht umsonst borgen die seltensten Blumen ihre Namen von Fürsten. Die Macht kann nicht milde genug aussehen.
In der Sprache der Liebe gibt es keine Pleonasmen.
Der gefällt nicht, der fürchtet, nicht zu gefallen; denn die Ungezwungenheit, die allen übrigen Schönheiten des Umgangs erst ihren Wert und oft ihr Dasein gibt, verschwindet mit der Furcht.
Wir sind begieriger, fremde Menschen zu observieren und auszuspähen als tägliche und nahe.
Wenn ich mit einem Freunde zürne, werd ich sogleich wieder gut, sobald ich eine Gelegenheit bekomme, ihm einen Dienst zu erweisen etc.
Man ist in der Liebe darum ungerecht, weil man den andern für vollkommen hielt.
Den Unmut über unsere Fehler lassen wir an der Art aus, mit der der Freund sie uns entdeckte. Geschah es frei, so zürnen wir über seine Unbescheidenheit, Plumpheit und Grobheit, geschah es fein, über seine Verstellung.
Gegenwärtiges Unglück verdau ich in wenigen Stunden; aber künftiges bleibt mir im Magen liegen.
Geheimnisse in der Ehe sind gefährlich und nichtig, ihre Scheide bedeckt immer einen Dolch, den die Zeit endlich zieht.
So viele fingen mit der Liebe an, mit der sie wirken wollten, und mußten aufhören mit der Furcht, die sie gaben.
Wenn jemand bescheiden bleibt, nicht beim Lobe, sondern beim Tadel, dann ist er’s.
Ein Staat ist leichter zu regieren als ein Mensch.
Ganz gewiß, wenn ein Seraph himmelssatt wäre oder sonst die goldenen Flügel hängen ließe, könnt‘ ich ihn dadurch herstellen, daß ich ihn einen Monat lang auf meine springende, jubelnde Kinderwelt hinabschicke und kein Engel könnt‘, so lange er ihre Unschuld sähe, seine eigene verlieren.
In starken Menschen werden große Schmerzen und Freuden zu überschauenden Anhöhen des ganzen Lebensweges.
Kommen wir nicht alle von gestern her?
Es wird einem Mann bei einer ganz vernünftigen Frau nie ganz wohl; sondern nur bei einer feinen, fantasierenden, heißen, launenhaften ist er erst zu Hause.
Der Müßiggang ist das Kopfkissen des Teufels.
Der Unendliche schweigt. Er hat sich längst über Seiner Welt erbarmt, aber die Geister wissen nicht wie.
Man wird am leichtesten verschwiegen unter Leuten, die es nicht sind.
Man mag an jedem Menschen so lange suchen, bis man den individuellen Punkt ausfindet, wo er originell ist.
Wer nichts getragen, lernt nichts ertragen.
Die Menschen soll keiner belachen als einer, der sie recht herzlich liebt.
Es liegt im gewöhnlichsten Menschen der kurze Abriß zum sonderbarsten.
O, wenn wir doch jede Sünde, zu der wir oder Andere uns versuchen, ein paar Tage vorher von einem wahren Schuft hätten begehen sehen, den wir anspeien!
Sich eines philosophischen Satzes zu erinnern, braucht man mehr Zeit als eines historischen: jenen schafft man beinahe wieder mit.
Schlimme Leute befinden die guten am ersten falsch, weil diese jene nicht bei andern billigen können.
Das Bedürfnis zu lieben, zwingt zu größeren Torheiten als die Liebe selber.
Man widerlegt lieber den, der zu schwer, als der zu leicht zu widerlegen ist.
Der stille Egoismus der jetzigen Gefühlsmänner liegt schon darin, daß sie dem Helden Briefe an einen Freund diktieren, gegen den er keine Liebe zeigt und den er nur hat, um eine Adresse für seine Publikums-Briefe zu haben.
Erziehung und Unterricht treiben aus uns schöne Keime, als sollten wir zu Griechen erwachsen; später nimmt uns statt des Gärtners der Braumeister, der Staat, in Empfang.
Es gehört schon zu den Widersprüchen des Menschen, daß er welche zu haben glaubt.
Bücher sind die stehende Armee der Freiheit.
Die Vergangenheit und die Zukunft verhüllen sich uns – aber jene trägt den Witwen-Schleier und diese den jungfräulichen.
Gewissen Menschen, z.B. dem Fischer, die Verachtung auszudrücken, die man gegen sie hat, müßte man ihnen erst alle die Kenntnisse und Gesinnungen geben und beibringen, die uns eben von ihnen unterscheiden.
Man steckt uns nicht eher den Lorbeerreis, wie den wilden Sauen die Zitrone, in den Mund, als bis man uns gepürscht aufträgt.
Eine Torheit, über die viele Satiren gemacht worden und bei der jede neue Satire verliert, ist in der Wirklichkeit desto komischer.
Das Große, das Göttliche, das du in deiner Seele hast, suche auf keinem Sonnenkrater, auf keinem Planetenboden. Die ganze weite Welt, das ganze Elysium, Gott selbst, erscheinen dir an keinem andern Ort als mitten in dir.
An den Menschen sind, wie an den Büchern, vorn und hinten zwei leere, weiße Buchbinderblätter: Kindheit und Greisenalter.