Jean Paul Zitate
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Der kalte Mensch – immer, in Wahrheit – ist viel seltner als man glaubt.
Jeder hält seine Verstellung für feiner als die fremde und wird daher betrogen.
Bei weiblichen Gesprächen hört man von weitem ewig(es) Lachen.
Manche Seelen entfallen dem Himmel wie Blüten; aber mit den weißen Knospen werden sie in den Erdenschmutz getreten und liegen oft besudelt und zerdrückt in den Fußstapfen eines Hufs.
Bei dem Leben wird, wie bei dem Montblanc, nicht das Hinauf-, sondern das Heruntersteigen am schwersten, zumal weil man statt des Gipfels Abgründe sieht.
Die Sehnsucht konnte ja ihr eigener Gegenstand sein.
Die Eitelkeit ist nur hassenswert, wo sie große Gegenstände zu ihrem Dienst mißbraucht und das Große um ihretwillen affektiert. Mit Kleinem darf man eitel sein, mit einer Schnalle, nicht aber mit einer großen Empfindung, oder mit dem Mangel an Eitelkeit.
Wahrlich, ich hab‘ oft den Wunsch getan – und nachher ein Gemälde daraus gemacht -, ich möchte dabeistehen können bei allen Aussöhnungen in der Welt, weil uns keine Liebe so tief bewegt als die wiederkehrende.
Der Ungläubige an die Menschheit wird ebenso oft betrogen, als der Gläubige an die Menschen.
Man darf über alles unter dem Monde und über ihn selber Phantasien haben, wenn man nur nicht die Phantasien für Wahrheiten nimmt.
Jede Frau ist feiner als ihr Stand.
Die höchste Liebe glaubt und fordert höchste Vollkommenheit, daher ist sie ihrem Ende am nächsten.
Der Mensch schneidet nicht seine Handlungen und Neigungen nach seinen Grundsätzen, sondern diese nach jenen zu, und die Neigung ist eher als die Maxime da. Der Mann nach und der ohne Grundsätze sind nur darin verschieden, daß jener seine Neigung in e(inen) allgemeinen Satz verdolmetscht.
Ich begreife sehr wohl, warum manche ihren Körper so wenig den Befehlen der Weisheit untertänig machen können. Der, dessen Herz bei jedem neuen Vorfall zu pochen anfängt, wird über dasselbe anfangs wenig mit seiner Weisheit vermögen. Denn das Bestreben, den Fehler zu vermeiden, bringt ihn hervor.
Je mehr ein Weib männliches Temperament hat, desto sinnlicher ist ihre Liebe.
Man erblicke das Große nicht in der Menge der verbundenen aber doch kleinen Einzelwesen, man schaue das Große in der Macht, die Millionen Geister zu einem Bunde berechnete und aneinanderschloß.
Nicht aus jeder Asche fliegt ein Phönix auf.
Schwerlich kennt die Frau unter der Liebe etwas größers als die Liebe – der Mann kennt mitten darunter noch seine Lieblingsarbeit, seine Philosophie als das Größere. Bei ihr ist sie Ziel; bei uns ist sie Spaliergewächs an den Schranken zum Ziel.
Der Mensch hat mehr Scham über einen scheinbaren (unwirklichen) Fehler, den der andere ihm vorwirft, als über einen wahren, den man sich selber endlich eingesteht.
Man liebt die Menschen mehr, wenn man den Entschluß, ihnen eine Wohltat zu erweisen, fässet, als nachdem er ausgeführt ist.
In der Kinderwelt steht die ganze Nachwelt vor uns, in die wir nur schauen, nicht kommen.
Weiber, die Fruchtspeicher der Menschheit, die Nachschöpferinnen Gottes.
Wir fieberhaften, von eignen und von fremden Mängeln abgetriebnen und von ewigem Sehnen wieder zusammengeführten Menschen, in welchen eine Hoffnung von fremder Liebe nach der andern verdürstet, und in denen die Wünsche nur zu Erinnerungen werden!
Die Musik ist unter allen Künsten die rein-menschlichste, die allgemeinste.
Wäre die Tugend nichts wie Stoizismus: so wäre sie ein bloßes Kind der Vernunft, deren Pflegetochter sie höchstens ist. Der Stoizismus stellt die Tugend so nützlich, so vernünftig dar, daß sie nichts weiter ist als ein Schluß; man hat bei ihr nichts zu überwinden als Irrtümer.
Die Menschen glauben sich nach einem zu richten, indes sich der eine nach ihnen richtet.
Gewisse Dinge (Mode, Kleider, Lebensart) muß man früher verachten als achten.
Es hilft wenig, daß uns das Schicksal reich macht: unsere Wünsche machen uns wieder arm.
Der Mensch schämt sich der heftigsten Zeichen des Hasses weniger, als der kleinsten der Liebe.
Ich kenne nämlich für Kinder in den ersten Jahren kein wohlfeileres, mehr nachhaltendes, beiden Geschlechten angemessenes, reines Spielzeug als das, welches jeder in der Zirbeldrüse (einige in der Blase) und die Vögel im Magen haben – Sand.
In der Philosophie gibt es keine Überzeugung durch Wahrhaftigkeit der Methode, sondern stets nur eine durch die Einsicht der Idee.
Die Existenz Gottes beweisen oder bezweifeln, heißt die Existenz der Existenz beweisen oder bezweifeln.
Der Mensch wäre auf der Erde eitel Asche und Spielwerk und Dunst, wenn er nicht fühlte, daß er es wäre. O Gott, dieses Gefühl ist unsere Unsterblichkeit!
Nie vergesse der Dichter über der Zukunft, die ihm eigentlich heller vorschimmert, die Forderungen der Gegenwart und also des nur an diese angeschmiedeten Lesers.
Den Verstand, Witz etc. des andern (Ehe) kriegt man satt, nie sein gutes Herz: nur dieses ist unerschöpflich.
Groß wird durch die Verachtung des Todes die Schönheit des Lebens.
Die Probe der Güte ist, daß der Leser nicht zurückzulesen hat.
Die Weiber haben größere Schmerzen als die, worüber sie weinen!
Eine witzige Schmeichelei verzeiht sogar der Bescheidenste.
Die Blumen der Freude im Herbst des Alters geruchlos; des Frühlings in der Jugend vielleicht giftig, die der Mitte recht.
Oh, nur eine freie Seele wird nicht alt!
Warum macht man mehrere Fehler sogleich hintereinander, wenn man einige macht? Weil man sie zu schnell und ärgerlich gutmachen will.
Berlin ist mehr ein Weltteil, als eine Stadt, wo sich aus der größeren Menge leichter eine gesellige Einsamkeit erwählen lässet, da fänden Sie Ihren ruhigsten Hafen in Deutschland.
Die Menschen wollen einen niederdrücken, und dann wollen sie ihm erst Gutes tun – aber nie, ihn erheben und dann bekränzen.
Jede Liebe glaubt an eine doppelte Unsterblichkeit, an die eigne und an die fremde. Wenn sie fürchten kann, jemals aufzuhören, so hat sie schon aufgehört. Es ist für unser Herz einerlei, ob der Geliebte verschwindet oder nur seine Liebe.
Mache deine Gegenwart zu keinem Mittel der Zukunft, denn diese ist ja nichts als eine kommende Gegenwart, und jede verachtete Gegenwart war ja eine begehrte Zukunft!
Im Urteil über andere spricht der Mensch sich immer sein eigenes.
Wie anders sind die Leiden des Sünders als die der Frommen! Jene sind eine Mondfinsternis, durch welche die schwarze Nacht wilder und schwärzer wird; diese sind eine Sonnenfinsternis, die den heißen Tag abkühlt und romantisch beschattet…
Die Wiederholung ist die Mutter – nicht bloß des Studierens, sondern auch der Bildung.
Genuß ist eine sich selbst verzehrende Rakete.