Jean Paul Zitate
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Der Aberglaube ist das ungeheure, fast hilflose Gefühl, womit der stille Geist gleichsam in der wilden Riesenmühle des Weltalls betäubt steht und einsam.
Mancher ist im Namen eines Lieblingsautors eifersüchtig – freuet sich über jedes Lob auf ihn -, aber bloß, weil er in sich eine Ähnlichkeit mit diesem ahnet.
Man fragt den anderen meistens um Rat, nicht weil man nicht weiß, was man tun soll, sondern weil man es eben weiß, aber ungern tut und vom Ratgeber eine Hilfe für die leidende Neigung erwartet.
Dieses Darben und Träumen und Vorhöllenleben nennt ihr christliche Vorbereitung auf eine unendliche Seligkeit?
Das Schlimmste, was mittlere Trunkenheit hat, ist das Streben nach größerer.
Sich selber Wort halten schwerer als andern.
Ehemänner und Fürsten [haben] den Zügel öfter im passiven Munde als in den aktiven Händen.
Die Worte des Ehemanns wirken höchstens auf die Ehefrau, wenn er sie einer fremden vorsagt.
Aus Instinkt übt man die feinsten Umgangsregeln aus, über die man erstaunt, wenn man sie liest.
Wer die Laterne trägt, stolpert leichter, als wer ihr folgt.
Je mehr man mit einer Empfindung, Bemerkung vertraut ist: desto allegorischer und versteckter drückt man sie aus.
Man kann keinen Gedanken gut ausdrücken, als den man oft gehabt.
Lade ich ein oder werde ich eingeladen: zweimal leidet meine Freiheit – aber im Wirtshaus nie.
Jede unangenehme Empfindung ist ein Zeichen, daß ich meinen Entschlüssen untreu werde.
Man spricht und dichtet viel eher von der Leerheit und Nichtigkeit des Lebens, als man sie kennt; man spricht ungern oder nicht freudig davon, wenn man sie kennt.
Wie nahe liegt in unserm Leben, wie auf den Alpen, unser Sommer neben unserm Winter; wie klein ist der Schritt aus unsern Blumengärten in unsere Eisfelder!
Ein Buch ist dem Verfasser, was den Schönen ihr Bild im Spiegel ist.
Wenn der andere sich mit allen seinen Fehlern, die er noch besser kennt als ich, erträgt, warum sollte ich ihn nicht ertragen?
Junge Liebe und junge Vögel haben anfangs nur Wärme durch Bedeckung nötig, erst später Nahrung.
Es ist die größte Weisheit, sich über die Menschen hinauszusetzen, ohne sie zu hassen oder zu verachten.
Verachtung schlägt den Teufel nieder, Beobachtung bläht ihn auf.
Je mehr man mit d(em) andern bekannt wird, desto mehr hört man auf, den Verstand zu zeigen, und beginnt, das Herz zu zeigen.
Das Schicksal gibt dem Menschen oft den Wundbalsam früher als die Wunde.
Die Mutter wird stärker vom Söhnchen als vom Vater beherrscht.
Wer einen Stelzfuß oder gar zwei hat, fragt nichts nach Kot.
[…] es wurde eben über alles was zur echten Religion des Herzens gehört, gesprochen und auf die Unsterblichkeit, womit jene ja anfängt und schließt, führte uns leicht alles, der Sternhimmel das Abendrot, ja das Abendgeläute, jede Rührung, vielleicht mancher Schmerz.
Der Pöbel achtet Pedanten.
Sogar in unserer Erinnerung ist uns die Vergangenheit als Fülle früherer Erinnerung schön.
Er heiratete sie, weil er sie liebte; sie liebte ihn, weil er sie heiratete.
Statt einen Scheffel Salzes mit seinem Freunde zu essen, braucht man nur sechs Meilen mit ihm zu reisen.
Die Republik zeugt und ermordet große Männer; die Monarchie tut das erstere nicht; jene lässet sie große Taten tun und belohnet mit Undank, diese verbeut große Taten.
Wir wollen gern den Wert des Genies anerkennen, aber es selbst soll’s nicht.
Unter der Erde ist Schlaf, über der Erde ist Traum, aber zwischen dem Schlaf und Traum seh‘ ich Lichtaugen wandeln wie Sterne.
Wollen wir uns die Unsterblichkeit wegdenken aus dem Weltplan, so ist die sittliche Schönheit auf eine zerfallende Seifenblase gemalt.
Bloß die Großen schreiben wie die Alten, ohne Brotgier, ohne Rücksicht auf Leser, bloß in den Gegenstand versenkt.
Ämter und Weiber muss man spät nehmen, um mutig und bürgerlich zu bleiben.
Aber in Maußenbach bedenkt kein Mensch, daß der Abt Galiani […] gesagt hat, daß die Weiber ewige Kranke sind. Jedoch bloß an Nerven; die Gefühlvollsten sind die Kränklichsten; die Vernünftigsten oder Kältesten sind die Gesündesten.
Sprachmaschine ist wegen Menschenähnlichkeit so fürchterlich als Wachsbild.
Er hält sich noch nicht für tugendhaft genug, um sich kleine Sünden zu verbieten.
Nicht die Wahrheit wird verdunkelt, nur der Mensch; die Sonne steht nicht im Krebs und Skorpion und Wassermann, nur die Erde, die um sie eilt.
In großen Städten vergisset man den eignen Tod so leicht und kalt wie den fremden.
Die Heiterkeit ist ein wiederkehrendes lichtes Gestirn, ein Zustand, der sich, ungleich dem Genusse, durch die Dauer nicht abnützt, sondern wiedergebiert.
So viel sich auch um und in mir ändre: Dieselbe Sonne, die mich als Kind bestrahlte, sieht unverändert mich jetzt an.
Ich kann doch nicht umhin, zur Armut zu sagen: Sei willkommen, sobald du nur nicht in gar zu späten Jahren kommst.
Was heiter und selig macht und erhält, ist bloß Tätigkeit.
Nichts ist auf der sakramentalischen Lumpen-, Ruinen-, Kinder- und Lappalien-Erde groß und unerschöpflich als: Menschen lieben. Kenntnisse und Talente sind etwas, doch aber Hundfötter, um fein zu sprechen.
Man kann einen seligen, seligsten Tag haben, ohne etwas anders dazu zu gebrauchen, als blauen Himmel und grüne Frühlingserde und – wenn es hoch steigt – ein Almosen, das man gibt.
Man hat nicht bei jeder Person denselben Witz. Es gibt Leute, bei denen es unmöglich ist, witzig zu sein. Ein Witziger ist es selten bei einem Witzigen, am wenigsten bei höheren Personen.
Das Reden mehrt die eigne Rührung mehr als fremde.
Jede Genesung ist eine Wiederbringung und Palingenesie unserer Jugend: man liebt die Erde und die, die darauf sind, mit einem neuen Herzen.