Jean de La Bruyère Zitate
seite 7
Um mit Anmut zu scherzen und auch bei nichtigen Gelegenheiten glückliche Einfälle zu haben, bedarf es guter Lebensart, höflicher Form und lebhaften Geistes. Solche Menschen sind schöpferisch: sie erfinden etwas aus dem Nichts.
Nach der Pracht oder Ärmlichkeit des Wagens achtet man die Leute oder behandelt man sie geringschätzig.
Kinder haben nur die eine Sorge, die schwache Seite ihrer Lehrer und Erzieher herauszufinden, und zwar gewinnen sie hier bald eine Überlegenheit, die ihnen nicht mehr verlorengeht. Was den Erwachsenen einmal um seine Autorität gebracht hat, bleibt ein dauerndes Hindernis, sie wiederzuerlangen.
Mit geliebten Menschen zusammen sein: mehr braucht es nicht; träumen, mit ihnen sprechen, nicht sprechen, an sie denken, an die gleichgültigsten Dinge denken, aber in ihrer Nähe: alles gilt gleich.
Eine Frau heißt unbeständig, wenn sie nicht mehr liebt, leichtfertig, wenn sie einen andern liebt, flatterhaft, wenn sie nicht mehr weiß, ob und wen sie liebt, gleichgültig, wenn sie nichts liebt.
Alles ist gesagt worden, und wir liegen mit 7000 Jahren Denkens zurück.
Die unerfreulichen Charaktere, davon die Welt voll ist, nicht ertragen zu können, zeugt von schwacher Wesensart: Im Verkehr muß es Scheidemünze und Goldstücke geben.
Die Lust an der Kritik beraubt uns des Vergnügens, selbst von den schönsten Werken lebhaft ergriffen zu werden.
Die Kinder würden den Vätern vielleicht weit teurer sein, sowie andrerseits die Väter ihren Kindern, wenn diese nicht den Anspruch hätten, Erben zu werden.
Wenn ein Dichter die Verse eines anderen Poeten lobt, so kann man wetten, daß sie schlecht und wertlos sind.
Eine Frau, die nur einen Liebhaber hat, glaubt, sie sei nicht kokett; die, welche mehrere hat, glaubt, sie sei nur kokett.
Nichts kostet der Leidenschaft weniger, als sich über die Vernunft wegzusetzen: ihr großer Triumph ist, bei dem, woran ihr liegt, die Oberhand zu gewinnen.
Wir stimmen den anderen nur zu, wenn wir eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen und uns empfinden.
Ein Gesandter ist ein Chamäleon, ein Proteus. Einem geschickten Spieler gleich, läßt er sich oft nichts von seiner Laune und Stimmung anmerken… Dann wieder weiß er eine Gemütsverfassung vorzutäuschen.
Jede Stunde ist einmalig an sich wie in Rücksicht auf uns; ist sie verflossen, so ist sie auf immer dahin.
Eine gefühlskalte Frau gibt es nicht: Sie hat nur ihren wirklichen Liebhaber noch nicht gefunden.
Die Menschen beginnen mit der Liebe, enden mit dem Ehrgeiz und befinden sich in einer ruhigen Verfassung des Gemüts oft erst, wenn sie sterben.
Manchen Menschen verhilft die Mittelmäßigkeit ihres Geistes zur Weisheit.
Es gibt keine häßlichen Frauen. Es gibt nur Frauen ohne die Fähigkeit, sich hübsch zu machen.
Man fürchtet das Alter und weiß nicht einmal, ob man überhaupt alt werden wird.
Wenn der Mensch über sich selbst erröten könnte, wie viele böse Taten, verborgene und öffentlich bekannte, würde er sich ersparen.
Wir lieben nur einmal wahrhaft: das erste Mal; später lieben wir nicht mehr so willenlos.
Wieviel Mädchen haben von ihrer großen Schönheit nichts gehabt als die Hoffnung auf eine glänzende Heirat.
Sollte man nicht die Kunst entdecken, die Liebe der eigenen Frau zu gewinnen?
Wer seine Stunden besser zu nutzen versteht, behält noch Zeit übrig.
Ein Mann, der nicht recht weiß, ob er zu altern beginnt, braucht bei der Begegnung mit einer jungen Frau nur ihre Augen und den Ton ihrer Stimme zu befragen, um sofort Bescheid zu wissen.
Der Stumpfsinnige, der nicht spricht, ist immer noch erträglicher als der Dumme, der nicht schweigen kann.
Man sieht Männer die höchste Gunst durch dieselben Fehler verlieren, die ihnen dazu verholfen hatten.
Es gibt mehr Werkzeuge als Arbeiter, und von diesen mehr schlechte als gute.
Die falsche Bescheidenheit ist der letzte Kunstgriff der Eitelkeit.
Manche haben in ihrer Jugend ein bestimmtes Gewerbe erlernt, um die übrige Zeit ihres Lebens ein anderes auszuüben, das mit dem ersten nichts gemein hat.
Manche Menschen bringen ein langes Leben damit hin, sich gegen die einen zu wehren und den andern zu schaden, und sie sterben alt und verbraucht, nachdem sie ebensoviel Übel angerichtet wie ausgestanden haben.
Zwischen gutem Verstand und gutem Geschmack besteht derselbe Unterschied wie zwischen Ursache und Wirkung.
Es gibt Leute, die haben die Kühnheit, bei jeder Gelegenheit ohne Ansehen der anwesenden Personen über jeden beliebigen Gegenstand zu sprechen. Brauche ich noch hinzuzufügen, daß sie durch ihre faden Reden in allen Leuten Entsetzen und Ekel hervorrufen?
Sich bei seiner Arbeit nicht beraten noch verbessern zu lassen, zeugt von pedantischem Geist.
Ein Freund, der zu hoher Gunst gelangt ist, gewährt uns viel, wenn er sich noch zu unseren Bekannten rechnet.
Es wäre zum Besten der ehrenhaften Leute und zur allgemeinen Befriedigung wünschenswert, daß ein Schurke es nicht bis zu dem Grade wäre, daß ihm alle und jede Einsicht fehlte.
Wer dahin kommt, daß man von ihm denkt, er sei nicht allzu gerieben, hat es in der Schlauheit schon weit gebracht.
Ein Mensch mit gutem Witz ist eine seltene Ware.
Wenn jemand in Ungnade fällt, so erlöschen Haß und Neid; wer uns nicht mehr durch die Gunst, die er genießt, erbittert, kann ruhig recht tun: Es gibt kein Verdienst, keine Tugend, die man ihm nicht verziehe. Er dürfte ungestraft ein Held sein.
Man verkürzt und erspart sich unzählige Auseinandersetzungen, wenn man von bestimmten Leuten annimmt, sie seien unfähig, vernünftig zu reden, und alles verwirft, was sie sagen, gesagt haben und sagen werden.
Wenn du genau darauf achtest, welche Leute nicht zu loben vermögen, nur immer tadeln, mit niemandem zufrieden sind, so wirst du bemerken, daß es stets die sind, mit denen niemand zufrieden ist.
Provinzler und Dummköpfe sind stets geneigt, sich zu erbosen und zu glauben, daß man sich über sie lustig mache oder sie mißachte.
In ihrem Urteil über das Handeln, gleichgültig ob der Großen oder der Geringen, lassen sich die Menschen vom Gelingen einnehmen, bezaubern und hinreißen; wenig fehlt, daß ein geglücktes Verbrechen ebenso gepriesen werde wie die Tugend selbst.
Wer die Menschen gründlich erforscht und das Verkehrte in ihrem Denken, Fühlen, Geschmack und Streben erkannt hat, kommt zur Einsicht, daß ihnen Unbeständigkeit weniger schadet als Eigensinn.
Von Geburt an unruhige und ewig sich langweilend, wird er (der Mensch) nur des Lebens nicht überdrüssig; er möchte unaufhörlich leben. Krankheiten und Tod stoßen ihn ab von der Bekanntschaft mit einer anderen Welt. Alle Gewalt der Religion ist dazu erforderlich, ihn zum Nachdenken zu bewegen.
Es gibt Güter, die wir leidenschaftlich begehren und deren bloße Vorstellung uns schon hinreißt und entzückt; haben wir das Glück, sie zu erlangen, so nehmen wir sie gelassener auf, als wir gedacht hätten; wir erfreuen uns kaum an ihnen und verlangen sogleich nach größeren.
Derselbe scharfe Verstand, der es uns ermöglicht, etwas Gutes zu schreiben, lässt uns auch fürchten, es könnte nicht gut genug sein, dass es verdient, gelesen zu werden.
Dünkelhaft ist, wer sich bei mittelmäßigen Verstandesgaben auf die Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit, die er als Geschäfte bezeichnet, etwas zugute hält.
Der Ehrgeiz selbst heilt den Weisen vom Ehrgeiz: Er strebt nach so hohen Dingen, daß er sich nicht auf das beschränken kann, was er Schätze nennt, Stellen, Glücksgüter und Gunst.