Jean de La Bruyère Zitate
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Wer den schlechtesten Gebrauch von seiner Zeit macht, jammert am meisten, daß sie so knapp ist.
Kein Weg ist zu lang für den, welcher langsam und ohne sich zu beeilen dahin schreitet; keine Vorteile liegen zu fern für den, der sich mit Geduld rüstet.
Es gibt in der Kunst eine höchste Vollkommenheit, wie es in der Natur eine letzte Reife gibt. Wer sie empfindet, hat Geschmack, wer sie nicht empfindet, hat keinen. Über den Geschmack läßt sich tatsächlich nicht streiten.
Nur wer Gutes tut, verdiente unseren Neid, wenn uns nicht eine bessere Wahl bliebe: noch besser zu handeln; das ist eine süße Rache an denen, die uns zu solcher Eifersucht reizen.
Die Frauen verfallen immer mehr ins Extrem: sie sind entweder besser oder schlechter als die Männer.
Zwei ganz verschiedene Dinge behagen uns gleichermaßen: die Gewohnheit und das Neue.
Es gibt Fälle im Leben, wo Wahrheit und Offenheit die beste List von der Welt sind.
Ein elendes Leben zu ertragen ist eine Pein; ein glücklicheres zu verlieren eine Qual: beides kommt auf eins hinaus.
Die Treulosigkeit ist sozusagen eine Lüge der ganzen Person.
Man ist geselliger und umgänglicher durch das Herz als durch den Geist.
Es kostet die Frauen wenig, zu sagen, was sie nicht fühlen, und die Männer noch weniger, zu sagen, was sie fühlen.
Ehrgeiz ist die Leidenschaft, die alle anderen Leidenschaften im Zaum hält.
Eitelkeit und übertriebenes Selbstgefühl lassen uns bei anderen einen Stolz uns gegenüber vermuten, der bisweilen vorhanden sein mag, ihnen oft aber fremd ist; ein bescheidener Mensch leidet nicht an dieser Empfindlichkeit.
Es ist schön, den Augen dessen zu begegnen, dem man soeben etwas geschenkt hat.
Wenn es ein Glück ist, von guter Herkunft zu sein, so ist es kein geringeres, so geartet zu sein, daß man nicht danach fragt, ob ihr es seid oder nicht.
Es gibt Frauen, die ihr Geld mehr lieben als ihre Freunde, und ihre Liebhaber mehr als ihr Geld.
Die meisten Menschen verwenden den einen Teil ihres Lebens dazu, sich für den andern unglücklich zu machen.
Wenig Frauen sind so vollkommen, daß ihr Mann nicht wenigsten einmal täglich bereute, verheiratet zu sein, oder die beneidete, die es nicht sind.
Die Unmöglichkeit, in der ich mich befinde, zu beweisen, daß es keinen Gott gebe, tut mir eben seine Existenz dar.
Eine Narrheit, die recht von unserem Wesen zeugt, ist die Abhängigkeit von der Mode.
Unter allen Mitteln, sein Glück zu machen, ist das kürzeste und beste das: die Leute klar erkennen zu lassen, daß es in ihrem Interesse liegt, euch Gutes zu erweisen.
Spottsucht ist oft Armut an Geist.
Nichts ist ähnlicher dem Heute als das Morgen.
Es gibt in der Welt selten ein schöneres Übermaß als das in der Dankbarkeit.
Manche sprechen einen Augenblick, bevor sie denken.
Auch der vornehmste Geist bleibt sich nicht gleich; er ist dem Wachsen und Abnehmen unterworfen.
Nichts bringt einen Menschen plötzlicher in Mode und zu schnellerem Ansehen als Spielen um hohe Einsätze: Das gilt für alles, vom Pair bis zum Lumpenpack.
Es gibt Leute, die einen Augenblick früher sprechen, als sie gedacht haben.
Daß man Menschen, die sich durch Ehrlichkeit, Uneigennützigkeit und Redlichkeit auszeichnen, so überschwänglich preist, gereicht weniger ihnen zum Lob als dem Menschengeschlecht zur Schande.
Ist die Freiheit ein Gut für den Menschen, wenn sie so groß, so schrankenlos werden kann, daß er schließlich nur noch wünscht, weniger Freiheit zu haben?
Man muß um die Gunst derer, denen man wohl will, weit mehr werben, als um die Gunst derer, von denen man Wohlwollen erwartet.
Die Gegenwart gehört den Reichen, aber die Zukunft den Tüchtigen und Gescheiten.
Ein Mensch muß große Tugenden besitzen, um bekannt und bewundert zu werden, oder vielleicht große Laster.
Wer jeglicher Eigenart ermangelt, ist ein sehr fader Mensch.
Was uns einmal um unsere Autorität gebracht hat, bleibt ein dauerndes Hindernis, sie wiederzuerlangen.
Hätte man sich, zufrieden mit der eigenen Habe, nicht am Gut der Nachbarn vergriffen, so hätten für alle Friede und Freiheit geherrscht.
Das beste aller Güter, wenn es überhaupt Güter gibt, ist die Ruhe, die Zurückgezogenheit und ein Plätzchen, das man sein eigen nennen kann.
Das genaue Gegenteil was allgemein geglaubt wird, ist meistens die Wahrheit.
Man lebt nicht lange genug, um aus seinen Fehlern zu lernen. Sie begleiten uns das ganze Leben hindurch; und nach allem Irren bleibt uns schließlich nur übrig, gebessert zu sterben.
Schönen Mädchen stößt es oft zu, daß sie ihren schlecht behandelten Liebhabern durch häßliche oder alte oder unwürdige Ehegatten Genugtuung geben.
Der Sklave hat nur einen Herrn, der Ehrgeizige so viele Herren, wie Personen da sind, deren Hilfe zur Mehrung seines Reichtums beitragen können.
Lächerlich machen, was es nicht ist, heißt sozusagen schlecht machen, was gut war.
Es ist ein Unglück, nicht genug Geist zu haben, um eine Rede zu halten, und nicht genug Selbsterkenntnis, um zu schweigen.
Man hofft, alt zu werden, und fürchtet sich doch davor: Das heißt, man liebt das Leben und flieht den Tod.
Bestien sind in den Augen des Menschen Tiere, die sich verteidigen, wenn man sie angreift.
Man betrügt niemals gutwillig; die Schurkerei fügt zur Lüge stets noch die Bosheit hinzu.
Wie viele Freunde, wie viele Verwandte entstehen dem neuen Minister über Nacht.
Menschlich gesprochen hat auch der Tod sein Gutes, er setzt dem Alter Grenzen.
Man verscherzt sich alles Vertrauen im Herzen der Kinder und jede Möglichkeit, ihnen etwas zu sein, wenn man sie wegen Vergehen straft, die sie nicht begangen haben, oder auch wenn man leichte Fehler streng ahndet…
Einige Dinge sind unerträglich, wenn sie mittelmäßig sind: Poesie, Musik, Malerei und öffentliche Reden.